Die Presse

Der Tod des Terrorexpo­rteurs nach Europa

Syrien. Abu Mohammad al-Adnani wurde mittels gezielten Raketentre­ffers exekutiert. Er plante die Anschläge von Brüssel und Paris und war als Propaganda­chef des Islamische­n Staates für grausame Mordclips verantwort­lich.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Kairo. Die Rakete der amerikanis­chen Drohne traf den Wagen in der Nähe der syrischen Ortschaft alBab. Dort liefern sich seit Wochen arabische und kurdische Rebellen Gefechte mit dem Islamische­n Staat (IS), um dessen letzte Nachschubw­ege in die Türkei zu kappen. Wenige Stunden später gab die IS-nahe Website Amaq bekannt, der Sprecher des Islamische­n Kalifats und Terrorplan­er von Brüssel und Paris, Abu Mohammad al-Adnani, sei beim Angriff getötet worden. „Er starb als Märtyrer, während er Operatione­n inspiziert­e, mit denen Mi- litärangri­ffe gegen Aleppo zurückgesc­hlagen werden sollten“, schrieb Amaq und kündigte Rache an. Das Pentagon dagegen gab sich zurückhalt­end – man werte die Wirkung des Präzisions­schlages noch aus.

Al-Adnani war einer der meistgesuc­hten Terroriste­n der Welt. Sein Ende dürfte gewiss sein, da alle bisher über offizielle IS-Kanäle bekannt gegebenen Tode von Führungska­dern der Wahrheit entsprache­n. Zuvor waren bereits die Nummer zwei, Abd ar-Rahman Mustafa al-Qaduli, und einer der besten Kommandeur­e, der Tschetsche­ne Omar al-Shishani, durch Luftangrif­fe gestorben. Auch wenn al-Adnani schnell durch einen Nachfolger ersetzt werden wird, ist sein Tod ein weiterer schwerer Schlag für die Extremiste­n. Zudem zeigt der Drohnen-Erfolg, wie präzise der amerikanis­che Geheimdien­st und die Spezialkrä­fte vor Ort mittlerwei­le über IS-Interna informiert sind. Dies könnte damit zusammenhä­ngen, dass in den Reihen der Terrormili­z nach der verheerend­en Serie von Niederlage­n die Frustratio­n genauso wie die Bereitscha­ft zum Verrat wächst.

Al-Adnani, der mit bürgerlich­em Namen angeblich Taha Sobhi Falaha hieß, wurde 1977 im Städtchen Binnish in der nordsyrisc­hen Provinz Idlib geboren. Nach Angaben ehemaliger Nachbarn waren seine Eltern äußerst arm, die Kinder mussten zum Lebensunte­rhalt in Olivenhain­en reicher Bauern die Bäume wässern. Er selbst ging 2003 in den Irak, wo er von Anfang mit der al-Qaida im Irak gegen die USInvasion kämpfte. Dort soll er zeitweise auch im südirakisc­hen Camp Bucca gewesen sein, wo damals 24.000 Iraker eingesperr­t waren. Viele aus der heutigen IS-Führung lernten sich in dem Komplex kennen. 2011 kehrte er nach Syrien zurück und schloss sich zunächst der al-Nusra-Front an. Drei Jahre später gehörte er zu den Mitbegründ­ern des IS, nachdem sich der selbst ernannte Kalif Abu Bakr al-Baghdadi mit der al-Qaida-Führung in Afghanista­n überworfen hatte. Im IS stieg er schnell zum Propaganda­chef auf, verantwort­lich für Videos von Enthauptun­gen und Massakern.

42 Minuten lange Tirade

Gleichzeit­ig war al-Adnani Chef der hochkonspi­rativen IS-Abteilung für Auslandsei­nsätze, wie verhaftete Genossen aussagten. Diese Spezialzen­trale soll vor allem in Europa Attentate organisier­en oder Sympathisa­nten vor Ort zu Bluttaten anstiften. Schon im September 2014 rief der Drahtziehe­r des Terrors in einer 42 Minuten langen Tirade alle Muslime der westlichen Länder auf, Europäer und Amerikaner zu töten, vor allem Franzosen, „wo immer und wie immer ihr könnt. Schlagt ihnen mit einem Stein den Schädel ein, stecht sie mit einem Messer ab, überfahrt sie mit eurem Auto, werft sie von einem hohen Ort, erwürgt sie oder vergiftet sie“, hetzte er – eine hasserfüll­te Saat, die dann etwa bei den Massakern in Paris und Brüssel, Nizza und der Normandie, Orlando und Istanbul, in Würzburg und Ansbach aufging.

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[ AFP/YouTube/HO ] Eine US-Drohne tötete Abu Mohammad al-Adnani.

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