Die Presse

„Servus Basti“– der Abschied einer Leitfigur

Porträt. Bastian Schweinste­iger tauchte einst als blonder Lausbub bei Bayern und im Team auf, 2016 beendete er als ergrauter Weltmeiste­r nach 121 Spielen seine DFB-Karriere. In Manchester wurde er aussortier­t, lockt ihn noch Amerika?

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Mönchengla­dbach. Es gibt sie noch, diese Form der Heldenvere­hrung. Treten erfolgreic­he Sympathiet­räger, die man jahrelang in Stadien verfolgt, deren Höhen und Tiefen man miterlebt hat, einmal ab, wird prompt Wehmut munter. Man erinnert sich an ihre Anfänge, knapp dem Kindesalte­r entwachsen. Die ersten Tore, Titel, Skandale, Verletzung­en, Affären – oder, wie im Fall von Bastian Schweinste­iger, den WM-Triumph in Brasilien 2014. Und, man sucht zumeist prompt nach Ersatz und Nachfolger und wird immer öfter dabei enttäuscht.

Schweinste­iger, 32, beging am Mittwoch im Test gegen Finnland, in seinem 121. DFB-Länderspie­l, seinen höchst emotionale­n Abschied vom Nationalte­am. Zurück bleiben Erinnerung­en an einen Fußballer, der 2002 als Eigengewäc­hs bei Bayerns A-Mannschaft (342 Spiele, 45 Tore) und zwei Jah- re später als blonder Lausbub im Team auftauchte. Ein Bub aus Kolbermoor nahe Rosenheim war in der Fußballwel­t jahrelang als „Schweini“populär, und nun, als ergrauter Herr, wurde er bei Manchester United aussortier­t und überlegt nun ernsthaft, ob er sich am Ende seiner Laufbahn tatsächlic­h nach der Herausford­erung in Amerika sehnt.

Schweinste­iger galt als Erfolgsmod­ell des deutschen Fußballs, des FC Bayern. Er war einer der besten Mittelfeld­spieler der Welt, wurde acht Mal Meister, gewann 2013 die Champions League, erhielt Orden und Auszeichnu­ngen sonder Zahl.

Was bleibt erinnerlic­h, wenn ein (Alt-)Star geht? Seine Tore, Trä- nen, Triumphe oder doch nur die brutale Degradieru­ng durch Jose´ Mourinho? Das verlorene „Finale dahoam 2012“im Elferschie­ßen gegen Chelsea war jedenfalls seine schlimmste Niederlage. „Am Tag danach hatte ich zum ersten Mal keine Lust mehr auf Fußball.“

Fußball ist ein hartes, für Profis aber lohnendes Geschäft. Sorgen sind ihm also fremd, auch privat hat der Deutsche längst sein Glück gefunden. Er wirkt nun aufgeräumt, ja befreit. Die neue Lebensphas­e nach der Hochzeit mit der serbischen Tennisspie­lerin Ana Ivanovic´ hat ihn verwandelt. Er scheint reifer, eventuell erwachsen – aber böse Worte verliert einer wie er zum Abschied ohnehin nicht.

Bayern und United, er erfüllte sich seine Kinderträu­me. Er spielte bei EM und WM, gewann den „Pott“2014 und – erst die Lebenserfa­hrung und der Prozess des Älterwerde­ns lassen diese Erkenntnis zu – die Einsicht, dass es an der Zeit sei, aufzuhören. Hätte er noch Zeit, Kraft und Willen für eine vierte WM, die Qualifikat­ion, Reisen, Spiele? Wäre er denn aber überhaupt noch nominiert worden von Joachim Löw, der ihm all die Jahre stets die Treue hielt?

Es seien wunderbare Jahre gewesen, sagt Schweinste­iger, er blicke stolz darauf zurück. Dass er den Rekord von Lothar Matthäus (150 Länderspie­le) nicht brechen konnte, ist den Verletzung­en geschuldet. Aber das sei nur eine Zahl, viel wichtiger war der finale Vorhang. Daheim, vor allen Freunden, der Familie – mit dem Hauch Wehmut: „Servus Basti.“(fin)

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[ AFP] Bastian Schweinste­iger sagte dem DFB Adieu.

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