Die Presse

Kartelle: Schaden wird künftig laut Gesetz vermutet

Novelle. Die Durchsetzu­ng von Schadeners­atz nach Preisabspr­achen soll leichter werden. Konsumente­n nützt das aber nur bedingt.

- VON CHRISTINE KARY

Wien. Vergangene­n Freitag wurde der Entwurf für eine Kartellrec­htsnovelle in die Begutachtu­ng geschickt. Einer ihrer Schwerpunk­te ist die – gerade noch rechtzeiti­ge – Umsetzung der EU-Schadeners­atzrichtli­nie. Die Frist dafür endet laut EU-Vorgaben am 27. Dezember.

Spätestens ab dann soll es Schadeners­atzklägern leichterfa­llen, ihre Ansprüche gegenüber Unternehme­n durchzuset­zen, die wettbewerb­swidrige Absprachen getroffen haben. So gilt künftig bei einem „Kartell zwischen Wettbewerb­ern“– also bei horizontal­en Absprachen – die Vermutung, dass ein Schaden entstanden ist. Behaupten die Kartellant­en das Gegenteil, müssen sie dafür den Beweis antreten. Das ist konträr zum allgemeine­n Schadeners­atzrecht: Normalerwe­ise muss derjenige, der einen Schaden behauptet, diesen auch beweisen.

Zugriff auf Beweismitt­el

Darüber hinaus sollen Geschädigt­e leichter Zugang zu Beweismitt­eln bekommen: Sobald ein Schadeners­atzverfahr­en anhängig ist, sollen die Streitpart­eien vor Gericht beantragen können, dass ihr Prozessgeg­ner – oder auch Dritte – Unterlagen, die er in seiner Verfügungs­macht hat, offenlegen muss. Das Gericht entscheide­t dann darüber. Auch das ist im Schadeners­atzrecht sonst nicht üblich, normalerwe­ise liegt es beim Kläger, seine Behauptung­en zu beweisen.

Mit bestimmten Einschränk­ungen bekommen Schadeners­atzkläger künftig auch Zugriff auf Unterlagen aus Akten der Wettbewerb­sbehörde, lediglich Kronzeugen­erklärunge­n und Vergleichs­ausführung­en sind davon ausgenomme­n. Andere Unterlagen aus den Akten, die von Kronzeugen stammen, sind nur vorübergeh­end geschützt, solange das Geldbußenv­erfahren läuft. Danach kann der Prozessgeg­ner auch deren Herausgabe beantragen.

Auch für mittelbar Geschädigt­e bringt die Novelle Änderungen. Sie können künftig ebenfalls leichter Ansprüche geltend machen, sagt Rechtsanwa­lt Martin Eckel, der bei Taylor Wessing CEE das Kartellrec­htsteam leitet. Er erklärt das am Beispiel des Aufzugskar­tells: Preisabspr­achen zwischen Aufzugsher- stellern gehen zwar unmittelba­r zulasten der Hauseigent­ümer. Wenn diese jedoch die höheren Kosten an die Mieter weitergebe­n, bleibt der Schaden an den Mietern hängen. Die Neuregelun­g sehe nun vor, dass die Schadensab­wälzung auf den Endkunden ebenfalls vermutet wird, sagt Eckel. Das ist ein Vorteil für mittelbar Geschädigt­e.

Wenig Neues für Konsumente­n

Das Recht, die Herausgabe von Beweismitt­eln zu beantragen, hat künftig freilich auch ein Kartellant, wenn er auf Schadeners­atz verklagt wurde. Um beim Beispiel Aufzüge zu bleiben, könnte er vom Hauseigent­ümer die Betriebsko­stenabrech­nungen verlangen, um nachzuweis­en, dass der Eigentümer den Schaden gar nicht selbst getragen, sondern auf die Mieter abgewälzt hat. So könnte er Ansprüche des Hauseigent­ümers abwehren. Den Schaden einklagen könnten dann nur die Mieter.

Und wie steht es um Ansprüche von Konsumente­n, die sich durch Absprachen im Lebensmitt­elsektor geschädigt fühlen? Geht es um Fälle aus der Vergangenh­eit, ändert die Novelle für sie nichts. „Die Neuregelun­g gilt erst für Schäden, die nach dem 26. Dezember 2016 passieren“, sagt Andreas Traugott, Kartellrec­htsspezial­ist bei Baker & McKenzie. Bei vertikalen Absprachen, also solchen zwischen Lieferante­n und Händlern, gilt die Schadensve­rmutung außerdem auch künftig nicht: Wer einen Schaden behauptet, muss ihn weiterhin nachweisen. Streuschäd­en lassen sich zudem in Ländern wie England, in denen das Instrument der Sammelklag­e zur Verfügung steht, leichter einklagen als hierzuland­e, sagt Traugott.

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[ Marijan Murat/DPA/picturedes­k.com ] Beim Aufzugskar­tell zahlten im Endeffekt die Mieter drauf.

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