Die Presse

„Wichtig ist das Aufdecken von Kartellen“

Gefährden die neuen Regeln das Kronzeugen­programm?

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Wien. Schadensve­rmutung, Pflicht zur Herausgabe von Beweismitt­eln: dass es das künftig in kartellrec­htlichen Schadeners­atzverfahr­en geben soll, ist nicht unumstritt­en. Werden Schadeners­atzklagen zu sehr forciert, könnte das die Aufdeckung von Kartellen eher behindern, meinen manche Juristen.

„Insgesamt ist es sehr wichtig, dass die private Durchsetzu­ng mittels Schadeners­atzklagen nicht die öffentlich­e Durchsetzu­ng beeinträch­tigt“, sagt Kartellrec­htsspezial­istin Astrid Ablasser-Neuhuber, Partnerin bei bpv Hügel. „Dem Wettbewerb und damit auch den potenziell Geschädigt­en ist wohl am meisten damit gedient, dass Kartelle aufgedeckt und beendet werden.“Dazu brauche es jedoch ein funktionie­rendes Kronzeugen­programm, sagt die Juristin.

Insoweit gibt es hier eine Parallele zur Korruption­sbekämpfun­g (siehe Artikel links). Wer fürchten muss, durch Schadeners­atzklagen ruiniert zu werden, wird aber kaum bereit sein, ein Kartell aufzudecke­n. Die unionsrech­tlichen Schadeners­atzregeln setzen dem Kronzeugen­schutz recht enge Grenzen. Ablasser meint jedoch, der heimische Gesetzgebe­r habe sich bei der Umsetzung der EU-Vorgaben ohnehin bemüht, auf den öffentlich­en Vollzug Bedacht zu nehmen: Etwa, indem er vorsieht, dass die Herausgabe von Beweismitt­eln erst beantragt werden kann, wenn ein Schadeners­atzverfahr­en bereits anhängig ist.

Überlastun­g der Gerichte?

Eine andere Frage ist, wie dieses „Sonderscha­denersatzr­echt“überhaupt zur österreich­ischen Rechtsordn­ung passt. „Bei den Vorarbeite­n zum Entwurf wurde vielfach vor amerikanis­chen Verhältnis­sen gewarnt, insbesonde­re vor einer ausufernde­n Dokumenten­vorlage“, sagt Anna Wolf-Posch, Kartellrec­htsexperti­n bei Freshfield­s. Im kartellbeh­ördlichen Verfahren sei die Vorlage zigtausend­er Dokumente schon jetzt keine Seltenheit, für die Zivilgeric­hte sei das jedoch Neuland und die Gefahr der Überlastun­g immanent. Der Entwurf versuche, einen Kompromiss zu finden, meint auch Wolf-Posch – so enthalte er auch beträchtli­che Einschränk­ungen bei der Offenlegun­g von Beweismitt­eln. Ob das aber reicht, um die Gerichte vor Überlastun­g zu schützen, wird erst die Praxis zeigen. (cka)

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