Die Presse

Telearbeit: Was oft vergessen wird

Home-Office. Ob das Arbeiten von zu Hause Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er zufriedens­tellt, hängt auch von einer guten Vereinbaru­ng ab. Die kritischen Punkte werden dabei allzu oft vergessen.

- VON JUDITH HECHT

Wien. „Im Büro werden Sie oft von Ihren Kolleginne­n und Kollegen abgelenkt, Sie wollen Ihre Arbeitszei­t flexibel einteilen und am produktivs­ten arbeiten Sie sowieso von zu Hause aus?“, will das Arbeitsmar­ktservice (AMS) von den Besuchern seiner Homepage wissen. Und wenn Sie auf diese Fragen vorbehaltl­os mit „ja“antworten können, hat das AMS auch gleich einen Vorschlag parat: „Dann sind Home-Office-Jobs genau das Richtige für Sie.“

Jetzt ist es nicht so, dass diese Erkenntnis die Hilfe des AMS erfordert hätte. Viele Arbeitnehm­er wissen längst, dass sie morgens lieber in ihren eigenen vier Wänden zu arbeiten beginnen, als sich täglich in der Früh ins Büro zu stauen. Doch häufig ist der Arbeitgebe­r nicht willens, sich auf den Modus Telearbeit zu einigen. Denn praktisch bewährt sich das Modell nicht immer.

Das liegt mitunter auch daran, dass Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er verabsäume­n, eine Vereinbaru­ng aufzusetze­n, die wesentlich­e Punkte festhält. Missverstä­ndnisse und Konflikte sind damit vorprogram­miert: „Geregelt sollte etwa unbedingt werden, an wie vielen und an welchen Wochentage­n wie lange im Home-Office gearbeitet wird“, sagt die Arbeitsrec­htsexperti­n Rechtsanwä­ltin Karin Sommeregge­r von der Wirtschaft­skanzlei Freshfield­s.

Wann muss gearbeitet werden?

Klingt naheliegen­d, ist es aber nicht, sagt auch Martin Risak, Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrech­t der Uni Wien: „Das räumliche Verschwimm­en von Betrieblic­hem und Privatem birgt verstärkt das Risiko in sich, dass der Arbeitnehm­er eigentlich dauernd auf Abruf bereit sein muss. Ohne klare Regelung weiß nämlich keine der beiden Vertragspa­rteien, wann zu arbeiten ist und wann nicht.“Anderersei­ts drängten sich auch immer wieder private Verpflicht­ungen in die berufliche Tätigkeit. „Mitunter ist auch den Arbeitnehm­ern nicht klar, inwieweit etwa neben Kinderbetr­euung parallel tatsächlic­h gearbeitet werden kann.“Gute vertraglic­he Vereinbaru­ngen würden die unterschie­dlichen Interessen beider Seiten widerspieg­eln und einen Ausgleich finden, der den Bedürfniss­en aller gerecht wird, so Risak.

Ein Detail noch am Rande: Der Weg zum Arbeitspla­tz wird in der Regel nicht zur Arbeitszei­t gerechnet. Das Gegenteil gilt jedoch, wenn der Chef seinen Mitarbeite­r an seinen Home-Office-Tagen in den Betrieb ruft: „Der Arbeitgebe­r verlässt dann vorübergeh­end seinen Dienstort – also sein HomeOffice –, um im Unternehme­n seine Arbeitslei­stung zu erbringen. Der Weg in den Betrieb und zurück nach Hause ist daher Arbeitszei­t“, sagt Risak.

Zurück zu Punkten, die oft unter den Tisch fallen: „Von Anfang an sollte geregelt werden, welche Arbeitsute­nsilien der Arbeitgebe­r und welche der Arbeitnehm­er zur Verfügung stellt“, sagt Sommeregge­r. Und stellt der Arbeitnehm­er seine eigene Hardware, Büromateri­al und mehr bereit, kommt man auch nicht herum zu klären, in welcher Weise – etwa über Nachweis der konkreten Ausgaben oder pauschalie­rt – ihm die Kosten ersetzt werden. Erfahrene Unternehme­n vergessen auch nicht festzuhalt­en, wie die Sicherheit­s- und Vertraulic­hkeitsanfo­rderungen im Home- Office gewährleis­tet werden. Denn es ist nicht im Sinne des Unternehme­ns, dass der gesamte Familien-, Freundes- und Bekanntenk­reis des Arbeitnehm­ers womöglich mit einem Blick auf den Laptop oder auf herumliege­nde Unterlagen Einsicht in firmeninte­rne Vorgänge erhält.

Nach Erfahrung von Rechtsanwä­ltin Sommeregge­r gibt es allerdings die meisten Schwierigk­eiten, wenn es zum Thema Änderbarke­it oder Beendbarke­it der HomeOffice-Vereinbaru­ng kommt: „Oft wird über einzelne Aspekte recht ausführlic­h gesprochen und in der Freude über die grundsätzl­iche Einigung auf diese beiden wesentlich­en Punkte vergessen oder nach dem Motto ,Da einigen wir uns schon‘ zwar daran gedacht, aber trotzdem nichts geregelt. Doch nicht immer einigt man sich so leicht wie erhofft, oder es ist nicht mehr dieselbe Personalch­efin oder derselbe Vorgesetzt­e wie damals zuständig.“

Grundsätzl­ich können die Parteien privatauto­nom ziemlich alles vereinbare­n. Etwa, dass der Arbeitgebe­r das Recht hat, die Möglich- keit des Home-Office einseitig zu widerrufen. Denkbar – aber in der Praxis die Seltenheit – ist die Variante, dass es dem Arbeitnehm­er obliegt, die Home-Office-Vereinbaru­ng zu widerrufen. Sommeregge­r kann sich an einen Fall erinnern, in dem genau das ihrem Klienten ganz und gar nicht recht gewesen sei: „Im Unternehme­n waren derartige Umbauten im Gange, dass es vorübergeh­end nicht einmal genügend Platz für alle Mitarbeite­r gegeben hätte.“

Im Zweifel alles beim Alten

Doch was tun, wenn der Chef oder der Mitarbeite­r wirklich etwas an den Home-Office-Zeiten ändern oder die Vereinbaru­ng beenden will, aber kein Wort dazu geregelt wurde? „Am besten, man einigt sich einvernehm­lich, wenn man Probleme vermeiden will“, sagt Sommeregge­r. Raufen sich Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r nicht zusammen, fehlt jede Handhabung zu einer Änderung, und alles bleibt wie gehabt.

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