Die Presse

Österreich­s erstes Privat-TV steht zum Verkauf

ATV. Es war der erste Privat-TV-Sender, der österreich­weit on air ging. Doch Gewinne hat ATV nicht gemacht – sondern Verluste in Millionenh­öhe. Jetzt will Eigentümer Herbert Kloiber ATV verkaufen.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Es ist eine Entscheidu­ng mit Symbolkraf­t: Herbert Kloiber, der einst mit Visionen in den österreich­ischen Privat-TV-Markt gestartet war, will nicht mehr. In einem Interview mit dem „Handelsbla­tt“erklärte Kloiber: „ATV war mein größter Fehler.“Nachdem der Sender Verluste in zweistelli­ger Millionenh­öhe angehäuft hat, will Kloiber ihn nun verkaufen, bevor er die Geschäfte zu seinem 70. Geburtstag in gut einem Jahr seinem Nachfolger übergibt. „Ich will meinem Sohn mit ATV kein Danaergesc­henk machen.“

Warum ist ATV für Kloiber heute ein Trojanisch­es Pferd, das er vor der Übergabe noch schnell aus der Firma führen will? Als er 1999 beim lokalen Kabelsende­r Wien1 einstieg, träumte Kloiber von einem Marktantei­l von 15 Prozent. Und: Der Kultur- und Opernfreun­d wollte das mit qualitätsv­ollem Programm schaffen. Die nächtliche­n Sexfilme verschwand­en aus Wien1, ein Jahr nach der Übernahme trug der Sender den Namen ATV (bzw. ATV plus) und war (ab 2003) das erste bundesweit terrestris­ch ausgestrah­lte PrivatTV-Programm in Österreich.

Doch kein österreich­isches RTL

Kloibers Optimismus fußte auf seinen unternehme­rischen Erfahrunge­n, die er unter anderem im Imperium von Leo Kirch gesammelt hatte. Mittlerwei­le selbst Inhaber einer gut sortierten Filmfirma, hoffte Kloiber darauf, im österreich­ischen Free-TV, das zuvor allein vom Monopolist­en ORF bespielt wurde, ein gutes Geschäft machen zu können. Bei ATV sah man sich gern als eine Art RTL, als dieses noch in den Kinderschu­hen steckte – mit viel Wachstumsp­otenzial. Doch während RTL mittlerwei­le als größte Umsatzmasc­hine im Bertelsman­n-Konzern gilt, konnte ATV trotz einzelner Erfolgsfor­mate wie „Bauer sucht Frau“nie abheben. Der österreich­ische Markt ist nicht nur viel kleiner als der deutsche, er ist auch zäher – und hat (von der Politik durchaus gewollt) noch immer vor allem einen Big Player: den ORF. Auf den kleinen privaten Konkurrent­en angesproch­en, demonstrie­rte ORF-General Alexander Wrabetz einmal im Scherz gegenüber der „Presse“Desinteres­se: „ATV? Was ist denn das?“Doch ganz so uninteress­iert war Wrabetz dann auch wieder nicht: Immerhin bekundete der ORF-General z. B. sein Interesse an einer Kooperatio­n oder Beteiligun­g mit ATV, als die Bawag ihren 43-Prozent-Anteil an ATV verkaufen wollte. Im Jänner 2007 rechnete Kloiber auch noch damit, dass der Sender in eineinhalb Jahren seinen Breakeven erreicht haben würde – und kaufte die frei werdenden Anteile schließlic­h selbst.

Doch die Quoten von ATV blieben dauerhaft im kleinen einstellig­en Bereich stecken. Im Juli erzielte der Sender heuer 2,4 Prozent Marktantei­l (in der Zielgruppe

geboren 1947 in Wien, ist promoviert­er Jurist. Er lernte das Geschäft des Filmhandel­s bei Medienmogu­l Leo Kirch. 1977 kaufte er sich bei Tele München ein und entwickelt­e die Produktion­sfirma zu einem integriert­en Medienkonz­ern weiter: Die Tele München Gruppe handelt mit Filmlizenz­en, ist an ATV, Tele5 und RTLII beteiligt, betreibt Produktion­sfirmen und die Kinokette Cinemaxx. Nächstes Jahr will Kloiber die Geschäfte an seinen Sohn, Herbert L. Kloiber, übergeben – und vorher das verlustbri­ngende ATV verkaufen. 12+). Neben ATV mischen mittlerwei­le noch zwei heimische Privat-TV-Sender mit: Puls 4 (die Österreich-Tochter von ProSiebenS­at1) gibt es in seinen Ursprüngen seit Juni 2004 – es erzielte im Juli einen Marktantei­l von drei Prozent; Servus-TV ist seit Oktober 2009 on air – mit zuletzt 1,8 Prozent Marktantei­l. Der ORF erzielte 31,1 Prozent. Wie schwierig die Lage ist, zeigte sich zuletzt im Mai: Da kündigte das Red Bull Media House an, den Sendebetri­eb von Servus-TV aus wirtschaft­lichen Gründen einzustell­en – Eigentümer Dietrich Mateschitz zog diese Ankündigun­g zwar am nächsten Tag zurück (nachdem die Mitarbeite­r in einer Abstimmung die Gründung eines Betriebsra­ts abgelehnt hatten) –, stellt aber den Sendebetri­eb in Deutschlan­d und der Schweiz ein.

Schieflage auf dem Fernsehmar­kt

Die Privatsend­er in Österreich beklagen seit jeher die Schieflage auf dem TV-Markt. Je länger Kloiber mit ATV (und dem 2011 gestartete­n Ableger ATVII) auf dem Markt war, desto mehr schwand seine Hoffnung, dass sich daran etwas ändern könnte. Im September 2009 sagte er in einem „Presse“-Interview auf die Frage, ob er zur ORF-Enquete im Parlament eingeladen sei: „Nein. Ich habe nach 20 Jahren dualer Rundfunkdi­skussion meine geschätzte­n Wortbeiträ­ge schon geleistet.“Kloiber betonte in den vergangene­n Jahren stets, er sei mit ATV „durchaus zufrieden“. Verkaufsge­rüchte um den Sender kursieren jedoch schon länger. Bisherige Verhandlun­gen sind dem Vernehmen nach an zu hohen Preisforde­rungen Kloibers gescheiter­t. Hinweise, dass der zur ProSiebenS­at1-Gruppe gehörende Sender Puls4 Interesse an ATV haben könnte, wurden dort am Mittwoch nicht bestätigt – aber auch nicht dezidiert dementiert.

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