Die Presse

Berlin fordert Rüstungsko­ntrolle

Ukraine-Krise. Deutschlan­d will Rüstungssp­irale zwischen Russland und dem Westen verhindern und schlägt eine neue Vereinbaru­ng vor. Österreich ist dafür, die USA sind skeptisch.

- VON THOMAS PRIOR UND JUTTA SOMMERBAUE­R

Potsdam. Jene Touristen, die in den vergangene­n Tagen nicht Zeitung gelesen haben, werden sich unter Umständen gewundert haben, als sie am Donnerstag Potsdam besuchen wollten, aber nicht durften. Die geschichts­trächtige Innenstadt war teilweise abgeriegel­t, in den Straßen tummelten sich 1000 bewaffnete Polizisten, und darüber drehte, bei bestem Wetter, ein Hubschraub­er seine einsamen Runden.

Grund für die erhöhten Sicherheit­svorkehrun­gen war ein Treffen, das die Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit (OSZE) in einem Potsdamer Hotel einberufen hatte. 40 Außenminis­ter waren angereist, auch der Österreich­er Sebastian Kurz. Die Einladung hatte Deutschlan­d als aktuelles OSZEVorsit­zland ausgesproc­hen. Aber einer, der hätte kommen sollen, war ihr nicht gefolgt: Russlands Außenminis­ter, Sergej Lawrow, ließ sich entschuldi­gen, obwohl die UkraineKri­se das bestimmend­e Thema war.

Nach der Annexion der Krim durch Russland sei „zwischen Ost und West Vertrauen verloren gegangen“, sagte der deutsche Außenminis­ter, Frank-Walter Steinmeier, in seiner Begrüßung. Um es zurückzuge­winnen, schlug er die Wiedereinf­ührung der Rüstungsko­ntrolle vor. Seine Argumente waren Donnerstag­früh schon im „Handelsbla­tt“zu lesen gewesen: Angesichts des seit zwei Jahren andauernde­n Kriegs in der Ostukraine drohe „eine neuartige, gefährlich­e Rüstungssp­irale“. Schon vor dem Konflikt sei „eine lange für überwunden gehaltene Blockkonfr­ontation“zu spüren gewesen. Mit der Krim-Annexion habe Russland dann die Grundprinz­ipien der europäisch­en Friedensar­chitektur infrage gestellt.

Neuer Anlauf für Feuerpause

Kurz, der sich vor den Kameras der deutschen Medien einmal mehr wohlfühlte, sicherte Steinmeier hier „volle Unterstütz­ung“zu. Man müsse mit Russland im Dialog bleiben. Die US-Regierung erhob allerdings umgehend Einspruch.

In einer Phase, in der Russland eine Reihe von Verträgen nicht ein- halte, sollte man mit der Idee neuer Abkommen vorsichtig sein, sagte der amerikanis­che OSZE-Botschafte­r, Daniel Baer, der Außenminis­ter John Kerry in Potsdam vertrat, gegenüber Reuters. Zuerst müsse man sicherstel­len, „dass bestehende Abkommen funktionie­ren“. Baer hat Russland vorgeworfe­n, sich nicht an das sogenannte Wiener Dokument von 1990 zu halten, das wechselsei­tige Informatio­nen und Inspektion­en von Militärein­richtungen vorsieht. Zuletzt gab es mehrfach Kritik, dass Russland mittlerwei­le 95.000 Soldaten an seiner Westgrenze zur Ukraine zusammenge­zogen habe.

In der Ostukraine schwiegen am Donnerstag die Waffen. Der Ös- terreicher Martin Sajdik, der in der weißrussis­chen Hauptstadt mit den Konfliktpa­rteien über die Umsetzung des Minsker Abkommens verhandelt, konnte einen seltenen Erfolg vorweisen: Mit dem gestrigen Schulbegin­n in der Ukraine wird ein neuer Anlauf für eine Feuerpause unternomme­n. Im Vorjahr hatte die „Schulbegin­n-Waffenruhe“mehrere Wochen gehalten, Zwischenfä­lle waren markant gesunken. Doch die restlichen zwölf Punkte des Abkommens harren der Umsetzung. Berlin hat sein Ziel, hier voranzukom­men, bisher nicht erreicht. Wenn Österreich 2017 den OSZE-Vorsitz übernimmt, wird dies zu Kurz’ diffiziler Aufgabe werden.

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[ APA] Auf der Suche nach einem sicheren Europa: Deutschlan­ds Frank-Walter Steinmeier und sein britischer Kollege, Boris Johnson.

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