Die Allergie vom Straßenrand
Ragweed. Die Pflanze kommt aus den USA, hat sich aber in Österreich rasch verbreitet. Ihre Pollen sind aggressive Allergene. Nächstes Jahr gibt es vielleicht eine Tablette dagegen.
Wien. Sie kam nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Hilfslieferungen aus den USA zu uns und plagt jetzt Abertausende Österreicher: die Pflanze Ragweed, konkret deren Pollen. Diese bilden ein besonders aggressives Allergen, das zu tränenden, brennenden Augen führen, allergischen Schnupfen mit rinnender und/oder verstopfter Nase sowie Asthmaanfälle auslösen kann.
Nicht genug damit: Auch gewisse Nahrungsmittel können Ragweed-Pollen, engst verwandt mit den Beifuß-Pollen, Allergikern verleiden. Kreuzreaktionen, etwa zu Mango, Litschi, Sellerie, Honig oder Kamille, können dann zusätzlich Juckreiz und Schwellungen im Mund- und Halsbereich, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Nesselausschlag auf der Haut verursachen. „Man spricht dann vom oralen Allergiesyndrom“, erklärt Reinhart Jarisch, stellvertretender Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums, des größten Allergiezentrums in Europa.
Heuer besonders hohe Belastung
Heuer sind Ragweed-Pollen-Allergiker einer besonders hohen Belastung ausgesetzt. Denn der feuchtwarme Sommer hat die Pflanze, auch Ambrosia oder Traubenkraut genannt, extrem gut gedeihen lassen. Einen ersten Höhepunkt hat die (lokale) Blüte den Allergikern bereits beschert, eine zweite Spitze könnte folgen, ausgelöst auch durch Südostwinde, die massenhaft Pollen aus dem Ausland zu uns bringen. Bis Mitte Oktober jedenfalls ist mit einem Pollenproblem zu rechnen.
„Eine einzelne Pflanze produziert mehr als eine Million Pollenkörner pro Saison“, erwähnt Uwe E. Berger, Leiter der Forschungsgruppe Aerobiologie und Polleninformation der Medizinischen Universität Wien. Man muss nun kein großer Rechenkünstler sein, um sich auszurechnen, wie schnell Abermillionen von Pollen in der Luft Allergikern das Leben und Atmen schwer machen. Umso mehr als der Klimawandel die Ragweed-Plage noch verschärfen soll. In Europa, haben Forscher herausgefunden, könnte sich die Zahl der Ragweed-Pollen-Allergiker verdoppeln und auf 77 Millionen ansteigen.
Das Traubenkraut siedelt sich gern dort an, wo sonst nichts wächst, bevorzugt am Straßen-, aber auch am Feldrand, auf Baustellen, Schuttablageplätzen und anderen Brachflächen. Anspruchsvoll ist Ambrosia nämlich nicht, sie braucht nur Feuchtigkeit und Wärme und liebt CO2 – auch deswegen verbreitet sie sich relativ rasch und üppig.
Mähen und Injektionen
Ein möglicher Ausweg aus der prophezeiten Krise: Mähen und zwar rechtzeitig, bevor die Pflanze Mitte August in Gelb zu blühen beginnt. Mit der niederösterreichischen Landesregierung, berichtet Katharina Bastl vom Österreichischen Pollenwarndienst, gäbe es diesbezüglich eine gute Zusammenarbeit, die Straßenmeisterei sei geschult, das Mähen funktioniere gut. In Wien erklärte sich das Gesundheitsamt für nicht zuständig, die Wiener Stadtgärten sind um Sensibilisierung und Aufklärung bemüht.
Diagnostiziert werden kann eine Ragweed-Pollen-Allergie mittels Blut- und Hauttests – Allergieambulatorien und -ambulanzen bieten solche an. Akut helfen Antihistaminika, mit denen sich aber nur die Symptome bekämpfen lassen. „Das Einzige, das langfristig hilft und das Übel an der Wurzel packt, ist eine Immuntherapie“, betont Allergologe Jarisch. Derzeit erfolgt dies noch in Form von Injektionen, das Allergen wird in steigender Dosis zehnmal gespritzt, dann rund zwei Jahre lang einmal monatlich. „Ab dem nächsten Jahr wird es vermutlich auch gegen die Ragweed-Pollen-Allergie Tabletten geben“, so Jarisch. Schon auf dem Markt sind Tabletten gegen Gräserpollenallergie und seit August gegen Hausstaubmilben.
Freilich könnte man auch eine Flucht nach vorn antreten und in der Blütezeit von Ragweed nach Grönland oder über 700 bis 800 Meter übersiedeln. Aber wer kann sich das schon für Monate leisten? Dann schon besser die Pflanze ausreißen (unbedingt mit Handschuhen) oder noch besser: mähen. Der Pollenwarndienst ist zur Schulung, Unterstützung und Aufklärung mehr als gern bereit. „Nur das Mähen können wir leider nicht übernehmen, das muss schon die Politik organisieren.“