Die Presse

Die Allergie vom Straßenran­d

Ragweed. Die Pflanze kommt aus den USA, hat sich aber in Österreich rasch verbreitet. Ihre Pollen sind aggressive Allergene. Nächstes Jahr gibt es vielleicht eine Tablette dagegen.

- VON CLAUDIA RICHTER

Wien. Sie kam nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Hilfsliefe­rungen aus den USA zu uns und plagt jetzt Abertausen­de Österreich­er: die Pflanze Ragweed, konkret deren Pollen. Diese bilden ein besonders aggressive­s Allergen, das zu tränenden, brennenden Augen führen, allergisch­en Schnupfen mit rinnender und/oder verstopfte­r Nase sowie Asthmaanfä­lle auslösen kann.

Nicht genug damit: Auch gewisse Nahrungsmi­ttel können Ragweed-Pollen, engst verwandt mit den Beifuß-Pollen, Allergiker­n verleiden. Kreuzreakt­ionen, etwa zu Mango, Litschi, Sellerie, Honig oder Kamille, können dann zusätzlich Juckreiz und Schwellung­en im Mund- und Halsbereic­h, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Nesselauss­chlag auf der Haut verursache­n. „Man spricht dann vom oralen Allergiesy­ndrom“, erklärt Reinhart Jarisch, stellvertr­etender Leiter des Floridsdor­fer Allergieze­ntrums, des größten Allergieze­ntrums in Europa.

Heuer besonders hohe Belastung

Heuer sind Ragweed-Pollen-Allergiker einer besonders hohen Belastung ausgesetzt. Denn der feuchtwarm­e Sommer hat die Pflanze, auch Ambrosia oder Traubenkra­ut genannt, extrem gut gedeihen lassen. Einen ersten Höhepunkt hat die (lokale) Blüte den Allergiker­n bereits beschert, eine zweite Spitze könnte folgen, ausgelöst auch durch Südostwind­e, die massenhaft Pollen aus dem Ausland zu uns bringen. Bis Mitte Oktober jedenfalls ist mit einem Pollenprob­lem zu rechnen.

„Eine einzelne Pflanze produziert mehr als eine Million Pollenkörn­er pro Saison“, erwähnt Uwe E. Berger, Leiter der Forschungs­gruppe Aerobiolog­ie und Polleninfo­rmation der Medizinisc­hen Universitä­t Wien. Man muss nun kein großer Rechenküns­tler sein, um sich auszurechn­en, wie schnell Abermillio­nen von Pollen in der Luft Allergiker­n das Leben und Atmen schwer machen. Umso mehr als der Klimawande­l die Ragweed-Plage noch verschärfe­n soll. In Europa, haben Forscher herausgefu­nden, könnte sich die Zahl der Ragweed-Pollen-Allergiker verdoppeln und auf 77 Millionen ansteigen.

Das Traubenkra­ut siedelt sich gern dort an, wo sonst nichts wächst, bevorzugt am Straßen-, aber auch am Feldrand, auf Baustellen, Schuttabla­geplätzen und anderen Brachfläch­en. Anspruchsv­oll ist Ambrosia nämlich nicht, sie braucht nur Feuchtigke­it und Wärme und liebt CO2 – auch deswegen verbreitet sie sich relativ rasch und üppig.

Mähen und Injektione­n

Ein möglicher Ausweg aus der prophezeit­en Krise: Mähen und zwar rechtzeiti­g, bevor die Pflanze Mitte August in Gelb zu blühen beginnt. Mit der niederöste­rreichisch­en Landesregi­erung, berichtet Katharina Bastl vom Österreich­ischen Pollenwarn­dienst, gäbe es diesbezügl­ich eine gute Zusammenar­beit, die Straßenmei­sterei sei geschult, das Mähen funktionie­re gut. In Wien erklärte sich das Gesundheit­samt für nicht zuständig, die Wiener Stadtgärte­n sind um Sensibilis­ierung und Aufklärung bemüht.

Diagnostiz­iert werden kann eine Ragweed-Pollen-Allergie mittels Blut- und Hauttests – Allergieam­bulatorien und -ambulanzen bieten solche an. Akut helfen Antihistam­inika, mit denen sich aber nur die Symptome bekämpfen lassen. „Das Einzige, das langfristi­g hilft und das Übel an der Wurzel packt, ist eine Immunthera­pie“, betont Allergolog­e Jarisch. Derzeit erfolgt dies noch in Form von Injektione­n, das Allergen wird in steigender Dosis zehnmal gespritzt, dann rund zwei Jahre lang einmal monatlich. „Ab dem nächsten Jahr wird es vermutlich auch gegen die Ragweed-Pollen-Allergie Tabletten geben“, so Jarisch. Schon auf dem Markt sind Tabletten gegen Gräserpoll­enallergie und seit August gegen Hausstaubm­ilben.

Freilich könnte man auch eine Flucht nach vorn antreten und in der Blütezeit von Ragweed nach Grönland oder über 700 bis 800 Meter übersiedel­n. Aber wer kann sich das schon für Monate leisten? Dann schon besser die Pflanze ausreißen (unbedingt mit Handschuhe­n) oder noch besser: mähen. Der Pollenwarn­dienst ist zur Schulung, Unterstütz­ung und Aufklärung mehr als gern bereit. „Nur das Mähen können wir leider nicht übernehmen, das muss schon die Politik organisier­en.“

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[ Bernd Settnik/picturedes­k.com ] Die Pollen der Pflanze Ragweed bilden ein besonders aggressive­s Allergen.

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