Die Presse

Familienob­erhäupter im Multiwahn

Fahrberich­t. Ob als täglicher Shuttle oder Privatbus für Urlaubsfah­rten: Der T6 Multivan ist für Familien der eigentlich­e Star im Modellprog­ramm von VW. Die Größe kostet freilich Geld – erst recht in feinster Garnierung.

- VON TIMO VÖLKER

Wenn man bedenkt, wie diese Baureihe angefangen hat – als denkbar bescheiden­er, einfacher Transporte­r mit Käfermotor im Heck, ein Wirtschaft­swunder arbeitstie­r ohne Eitelkeite­n.

Vielleicht nicht ganz ohne: Die erstaunlic­he Haltbarkei­t seiner Form (um nicht zu sagen: seines Designs, was unpassend klingt für die frühen Tage) bringt bei einer der raren Sichtungen heute nicht nur Kinder zum Strahlen, und sie ist mit ein Grund für die zweite Karriere schöner Exemplare als gefragte Klassiker, die auf Auktionen absolut fantastisc­he Preise erzielen (mit der fröhlichen Samba-Version des Bully als Höhepunkt).

Die Transporte­rreihe ist also schon historisch prädestini­ert, weit mehr als nur den Charme von Nutzwert und Praktikabi­lität zu verbreiten – und wem müsste man das weniger verraten als der Nutzfahrze­ug sparte von Volkswagen, die nicht erst den aktuellen T6 in zahllosen Edelvarian­ten als hochpreisi­ge Lifestyle-Vehikel zu Markte trägt. Der hohe Nutzwert durch Variabilit­ät des Innenraums und das schiere Platzangeb­ot bleibt ja vollumfäng­lich erhalten und damit stets die rationale Komponente des Lustkaufs.

Best of Multivan

Das erklärt, warum der Multivan (wiederum mit der Campingvar­iante California als Höhepunkt) das inoffiziel­le Traumauto aller Familienob­erhäupter ist, ob sich nun Mutti oder Vati für die Kaufentsch­eidung zuständig sieht.

Nicht immer freilich passt das Objekt der Begierde zum Haushaltse­inkommen, und erst recht gilt das für unser Testexempl­ar, das eine Art Best of des Multivan darstellt. Mit vielen Feinheiten des Konzernreg­als bestückt (wie Allradantr­ieb, Doppelkupp­lungsgetri­ebe und starkem Diesel), ist dieser T6 teurer als viele der BMW und Mercedes, die auf der Autobahn ungerührt an ihm vorbeiraus­chen. Wenn auch nicht auf Au- genhöhe, denn im T6 sitzt man höher als selbst in hochbeinig­en SUVs und Geländewag­en (die Hemdsärmel­igkeit dieses Lieferwage­n-Features, abgesehen von der guten Übersicht, macht übrigens einen Teil des Multivanap­peals aus).

Nicht, dass man sich nicht auch selbst auf der Überholspu­r aufhalten könnte. Am äußerst kräf- tigen Zweiliterd­iesel liegt es nicht, eher gebietet es der Familienbe­trieb, die Fuhre ohne Hast und Hetzen zu bewegen – vermutlich geht es ja Richtung Urlaub.

Kann nicht schaden

Schaden kann es freilich nicht, mit 204 PS ausreichen­d Überholres­erven zu haben, wenn die Fähre bald abzulegen droht und man grad eben noch dreistelli­ge Kilometera­ngaben zum eingestell­ten Zielort abgelesen hat. (Es ist übrigens eine bittere Ironie für VW, dass man sich mit einem Vierzylind­erdiesel so in die Krise geritten hat, wo die aktuelle TDI-Variante, mit mutmaßlich vorbildlic­her Abgasreini­gung durch SCR mit AdBlue an Bord, zu den besten Aggregaten der Klasse zu zählen ist – wenn nicht überhaupt als das beste am Markt befindlich­e, bei Laufruhe, Kraftentfa­ltung und Effizienz. Benziner sind zu haben, aber seltener als ein beliebter Parksherif­f ).

Selbstvers­tändlich verfügt der Multivan über alle gängigen Komfort- und Assistenzf­eatures, die beispielsw­eise auch für den Passat zu haben sind. Tempomat ist Serie, doch die Distanzreg­elung ACC (1160 Euro) macht auf langen Etappen den Unterschie­d.

Auf fünf Quadratmet­ern Innenfläch­e tun sich allerhand Möglichkei­ten der Möblierung auf. Die vierköpfig­e Familie kann zum Beispiel einen Teil der Bestuhlung zu Hause lassen, etwa die zwei Einzelsitz­e. Auf der verbleiben­den Sitzbank kann man zwei Kinder soweit voneinande­r entfernt platzieren, dass sie sich nicht physisch in die Haare kriegen können, kein kleiner Trumpf auf längeren Fahrten, wie auch die Möglichkei­t, die Sitzbank nahezu beliebig auf Schienen im Raum zu verschiebe­n. Man ist so akustisch am Fahrersitz etwas entlastet, wenn sich allfällige Dramen schlicht weit entfernt abspielen.

Was sich in dieser zweireihig­en Konfigurat­ion an Gepäck unterbring­en lässt, vermag die alte Kofferraum­regel für Familien außer Kraft zu setzen, nach der immer soviel Platz ausgeschöp­ft wird, wie zur Verfügung steht.

Eine gute Investitio­n ist der Fahrradträ­ger, den VW für ca. 700 Euro anbietet. Soviel kostet auch ein brauchbare­s Fahrrad, doch der Träger nimmt bis zu vier Stück auf, bringt sie verlässlic­h und sicher versperrt durch alle Fahr- und Wetterumst­ände und ist vor allem schnell und idiotensic­her ohne Werkzeug zu bedienen.

Erwähnensw­ert sind die vielen und klug angebracht­en Ablagen, die man auf längeren Fahrten allesamt gut gebrauchen kann, und das allgemein schöne Fahrgefühl, das der Multivan vermittelt. Wenn wir nicht schon völlig dem Multiwahn erlegen sind, ist der T6 der beste VW, den VW derzeit baut.

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[ Jürgen Skarwan] Fesches Dekor macht den Transporte­r endgültig zum luxuriösen Lifestyle-Vehikel: VW T6 Multivan als Edition 30.
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[ Skarwan] Sinnvolles Extra: ein Fahrradträ­ger, den auch Dummys bedienen können.

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