Familienoberhäupter im Multiwahn
Fahrbericht. Ob als täglicher Shuttle oder Privatbus für Urlaubsfahrten: Der T6 Multivan ist für Familien der eigentliche Star im Modellprogramm von VW. Die Größe kostet freilich Geld – erst recht in feinster Garnierung.
Wenn man bedenkt, wie diese Baureihe angefangen hat – als denkbar bescheidener, einfacher Transporter mit Käfermotor im Heck, ein Wirtschaftswunder arbeitstier ohne Eitelkeiten.
Vielleicht nicht ganz ohne: Die erstaunliche Haltbarkeit seiner Form (um nicht zu sagen: seines Designs, was unpassend klingt für die frühen Tage) bringt bei einer der raren Sichtungen heute nicht nur Kinder zum Strahlen, und sie ist mit ein Grund für die zweite Karriere schöner Exemplare als gefragte Klassiker, die auf Auktionen absolut fantastische Preise erzielen (mit der fröhlichen Samba-Version des Bully als Höhepunkt).
Die Transporterreihe ist also schon historisch prädestiniert, weit mehr als nur den Charme von Nutzwert und Praktikabilität zu verbreiten – und wem müsste man das weniger verraten als der Nutzfahrzeug sparte von Volkswagen, die nicht erst den aktuellen T6 in zahllosen Edelvarianten als hochpreisige Lifestyle-Vehikel zu Markte trägt. Der hohe Nutzwert durch Variabilität des Innenraums und das schiere Platzangebot bleibt ja vollumfänglich erhalten und damit stets die rationale Komponente des Lustkaufs.
Best of Multivan
Das erklärt, warum der Multivan (wiederum mit der Campingvariante California als Höhepunkt) das inoffizielle Traumauto aller Familienoberhäupter ist, ob sich nun Mutti oder Vati für die Kaufentscheidung zuständig sieht.
Nicht immer freilich passt das Objekt der Begierde zum Haushaltseinkommen, und erst recht gilt das für unser Testexemplar, das eine Art Best of des Multivan darstellt. Mit vielen Feinheiten des Konzernregals bestückt (wie Allradantrieb, Doppelkupplungsgetriebe und starkem Diesel), ist dieser T6 teurer als viele der BMW und Mercedes, die auf der Autobahn ungerührt an ihm vorbeirauschen. Wenn auch nicht auf Au- genhöhe, denn im T6 sitzt man höher als selbst in hochbeinigen SUVs und Geländewagen (die Hemdsärmeligkeit dieses Lieferwagen-Features, abgesehen von der guten Übersicht, macht übrigens einen Teil des Multivanappeals aus).
Nicht, dass man sich nicht auch selbst auf der Überholspur aufhalten könnte. Am äußerst kräf- tigen Zweiliterdiesel liegt es nicht, eher gebietet es der Familienbetrieb, die Fuhre ohne Hast und Hetzen zu bewegen – vermutlich geht es ja Richtung Urlaub.
Kann nicht schaden
Schaden kann es freilich nicht, mit 204 PS ausreichend Überholreserven zu haben, wenn die Fähre bald abzulegen droht und man grad eben noch dreistellige Kilometerangaben zum eingestellten Zielort abgelesen hat. (Es ist übrigens eine bittere Ironie für VW, dass man sich mit einem Vierzylinderdiesel so in die Krise geritten hat, wo die aktuelle TDI-Variante, mit mutmaßlich vorbildlicher Abgasreinigung durch SCR mit AdBlue an Bord, zu den besten Aggregaten der Klasse zu zählen ist – wenn nicht überhaupt als das beste am Markt befindliche, bei Laufruhe, Kraftentfaltung und Effizienz. Benziner sind zu haben, aber seltener als ein beliebter Parksheriff ).
Selbstverständlich verfügt der Multivan über alle gängigen Komfort- und Assistenzfeatures, die beispielsweise auch für den Passat zu haben sind. Tempomat ist Serie, doch die Distanzregelung ACC (1160 Euro) macht auf langen Etappen den Unterschied.
Auf fünf Quadratmetern Innenfläche tun sich allerhand Möglichkeiten der Möblierung auf. Die vierköpfige Familie kann zum Beispiel einen Teil der Bestuhlung zu Hause lassen, etwa die zwei Einzelsitze. Auf der verbleibenden Sitzbank kann man zwei Kinder soweit voneinander entfernt platzieren, dass sie sich nicht physisch in die Haare kriegen können, kein kleiner Trumpf auf längeren Fahrten, wie auch die Möglichkeit, die Sitzbank nahezu beliebig auf Schienen im Raum zu verschieben. Man ist so akustisch am Fahrersitz etwas entlastet, wenn sich allfällige Dramen schlicht weit entfernt abspielen.
Was sich in dieser zweireihigen Konfiguration an Gepäck unterbringen lässt, vermag die alte Kofferraumregel für Familien außer Kraft zu setzen, nach der immer soviel Platz ausgeschöpft wird, wie zur Verfügung steht.
Eine gute Investition ist der Fahrradträger, den VW für ca. 700 Euro anbietet. Soviel kostet auch ein brauchbares Fahrrad, doch der Träger nimmt bis zu vier Stück auf, bringt sie verlässlich und sicher versperrt durch alle Fahr- und Wetterumstände und ist vor allem schnell und idiotensicher ohne Werkzeug zu bedienen.
Erwähnenswert sind die vielen und klug angebrachten Ablagen, die man auf längeren Fahrten allesamt gut gebrauchen kann, und das allgemein schöne Fahrgefühl, das der Multivan vermittelt. Wenn wir nicht schon völlig dem Multiwahn erlegen sind, ist der T6 der beste VW, den VW derzeit baut.