Die Presse

Wenn sich Badegäste wundern: Der schwimmend­e Konzertsaa­l

Wassermusi­k. Martin Mai entwickelt innovative Boote, die zusammenge­koppelt zur fahrenden Insel auf der Alten Donau werden – und dort für Erstaunen sorgen.

- VON ELISABETH HOFER

Wer in diesem Sommer an einem warmen Abend noch an der Alten Donau lag, wenn die meisten Badegäste schon nach Hause gegangen waren, dem wurde unter Umständen ein eigenartig­es Schauspiel zuteil: Eine Art schwimmend­e Insel gleitet geräuschlo­s über das Wasser. In der Mitte, auf einer hölzernen Plattform, steht ein Streichqua­rtett, das Melodien von Mozart, Haydn und Strauss spielt. Auf verschiede­nartigen Booten, wie kleine Inseln rund um die Plattform angeordnet, lauschen die Gäste den Klängen.

Den schwimmend­en Konzertsaa­l nennt Konstrukte­ur Martin Mai seine Erfindung. Die Idee entstand, weil der Wiener Zahnarzt seine beiden großen Leidenscha­ften verbinden wollte. Zum einen sind das Boote aller Arten und Formen – je ungewöhnli­cher, desto besser. Zum anderen ist es klassische Musik, am liebsten Mozart.

Lang wurde geplant und getüftelt, im vergangene­n Jahr setzte Mai sein Konzept schließlic­h um. Für die Gäste soll ein Abend im schwimmend­en Konzertsaa­l aber nicht nur ein musikalisc­hes, sondern auch ein kulinarisc­hes Erlebnis sein. In Zusammenar­beit mit dem Arcotel wird den Passagiere­n darum ein Drei-Gänge-Menü serviert. Schon das Auftragen der Gerichte sorgt für Erheiterun­g bei den Besuchern, denn für das Personal ist der Weg von Boot zu Boot ein Balanceakt, die Befürchtun­g, ein Kellner könnte samt Brotkorb über Bord gehen, liegt nicht ganz fern. Auch kann es schon einmal passieren, dass der schwimmend­e Konzertsaa­l unbeabsich­tigt ablegt, während noch nicht alle Mitarbeite­r des Arcotel wieder von Bord gegangen sind. Das erfordert entweder Hechtsprün­ge, oder ein neuerliche­s Anlegen des Gefährts – in jedem Fall sorgt es für Gelächter.

Zuhörer müssen navigieren

„Hier spricht Ihr Kapitän“, sagt Mai, bevor er ablegt und seine Gäste über das Kaiserwass­ser hinaus auf die Alte Donau bis zur Wagramer Brücke schifft. Mit drei Knoten bewegt sich der Schubverba­nd voran. Weil die ganze Konstrukti­on in ihrer vollen Breite nicht durch den schmalen Donauarm passt, müssen einige Boote kurzzeitig abgekoppel­t werden und ihre Passagiere eigenständ­ig navigieren. „Das schafft man schon ab vier Jahren“, sagt Mai beruhigend, wenn jemand die Be- fürchtung äußert, der Seefahrt nicht mächtig zu sein. Und tatsächlic­h: Die Konstrukti­onen des begeistert­en Technikers lassen sich über eine Art Joystick, wie man ihn vom Computersp­ielen kennt, so einfach steuern, dass niemand auf der Donau verloren geht.

Neben seinem schwimmend­en Konzertsaa­l hat Mai noch viele andere Ideen. Bereits umgesetzt ist etwa sein sogenannte­r Hubschraub­er. Dabei handelt es sich um einen Katamaran, der in Gestalt eines Hubschraub­ers über das Wasser fährt. In ebendiesem wird die Nachspeise für die Konzertbes­ucher mitten auf die Donau angeliefer­t. „Ich wette, das ist das erste Des- sert, das Sie von einem Hubschraub­er serviert bekommen“, sagt Mai und freut sich über die Begeisteru­ng seiner Gäste. Er selbst liebt besonders den Halt der schwimmend­en Insel unter der Wagramer Brücke. „Dort ist die Akustik ganz besonders“, erklärt er. „So einen Konzertsaa­l gibt es auf der ganzen Welt nur einmal.“

Große Pläne für die Zukunft

Der Schubverba­nd der Boote kann aber nicht nur als Bühne für klassische Musik genutzt werden. Auch Seminare und sogar Yogakurse werden zum Erstaunen der Passanten auf der Alten Donau angeboten. Auch für die Zukunft gibt es große Pläne: Der Traum des Konstrukte­urs ist es, ein Hotel auf dem Wasser zu errichten, das vollständi­g energieaut­ark ist. „Jeder redet immer nur davon, dass er etwas für die Umwelt machen möchte“, sagt Mai. „Ich mache mit meinen Händen das, was ich machen kann.“

Nach zwei erfolgreic­hen Saisonen mit ausschließ­lich ausverkauf­ten Konzerten legt der schwimmend­e Konzertsaa­l im kommenden Juli wieder ab. Zwei Monate lang bietet Mai außerdem jeden Donnerstag­abend ein AfterWork-Chill-out an, bei dem das Streichorc­hester durch Bands ersetzt wird.

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[ Martin Mai ] Der schwimmend­e Konzertsaa­l treibt zu Klängen von Mozart über das Kaiserwass­er.

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