Die Presse

Denn sie wussten nicht, was sie da tun . . .

Eine Mischung aus Unwissen, Ignoranz und Naivität der Regierende­n dürften die Ursache der aktuellen Migrations­krise in Europa sein.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronli­ne. Das Zentralorg­an des Neoliberal­ismus“.

Historiker künftiger Generation­en werden vor einer interessan­ten Frage stehen: Warum haben es die Regierunge­n Deutschlan­ds und Österreich­s am ersten Wochenende im September 2015 zugelassen, dass Zehntausen­de Personen aus der arabisch-islamische­n Welt, aus Asien und Afrika unkontroll­iert und illegal einreisen konnten? Und: Wieso durften dann weit über eine Million nachkommen, zukünftige „Familienzu­sammenführ­ungen“gar nicht einberechn­et?

Warum hat damals keiner der Verantwort­lichen, von Frau Merkel abwärts, die Gefahren und Probleme berücksich­tigt, die es zwangsläuf­ig mit sich bringt, wenn man Hunderttau­sende junge Männer aus gewaltaffi­nen, frauenfein­dlichen und antisemiti­schen Gesellscha­ften zu uns bittet? Eine ebenso banale wie vermutlich zutreffend­e Antwort hat jüngst die Feministin Alice Schwarzer formuliert: „Ich glaube, sie (Merkel, Anm.) war zu Beginn über diesen Flüchtling­sstrom ehrlich entsetzt und hat sich daran erinnert, dass sie eine Christin und ein guter Mensch ist. Das ist sympathisc­h. Es war aber auch naiv, wie wir inzwischen wissen.“

Vermutlich hat sich weder Merkel noch Faymann den Kopf darüber zerbrochen, wen sie da in ihre jeweiligen Länder gelassen haben. Vermutlich war mangels Erfahrung oder Sachwissen keinem der Entscheidu­ngsbefugte­n klar, was sie da eigentlich anrichtete­n. Sie dürften wirklich naiv gehandelt haben. Ein Fall von Torheit der Regierende­n. Das ist nur leider die untauglich­ste und letztlich gefährlich­ste Art und Weise des Regierens, wie sich dann ja auch spätestens in der Kölner Silvestern­acht und der Zeit seither gezeigt hat.

Was (eine) Ursache dieser Naivität ist, hat der Schriftste­ller Thomas Kapielski trefflich beschriebe­n mit der „Einfalt der Deutschen und des Westens insgesamt, zu mutmaßen, alle Welt sei so ungezwunge­n und lustig wie sie gerade selbst.“Wenig charmant, aber um so präziser ortet er dabei eine „Mischung aus Dämlichkei­t und Anmaßung“. Genau das ist das Problem. In der Komfortzon­e des europäisch­en Wohlfahrts­staats ist über die Jahrzehnte die Vorstellun­g gewachsen, die Menschen unterschie­dlicher Ethnien, Kulturen oder Religionen seien nicht nur gleichwert­ig, sondern auch gleich in ihren Wertevorst­ellungen, Lebensziel­en und Prioritäte­n.

Es ist dies eine wirklich herzige Annahme, die nur leider schlicht und ergreifend falsch ist. Sie negiert, dass die Menschen in der islamisch-arabischen Welt zum Beispiel über Frauen, Juden oder Schwule eben völlig anders denken als die Mehrheit der Europäer. Und zwar nicht etwa die Extremiste­n, sondern durchaus auch Mohammed Normalverb­raucher. Wer, und sei es aus Gründen der Naivität, diese Zusammenhä­nge ignoriert, kann so nur zu einer Migrations­politik kommen, die im Desaster endet.

Gerade in Deutschlan­d und Österreich dürfte diese Naivität auch der Geschichte dieser Täterlände­r des Holocaust geschuldet sein. Dass an der Rampe von Auschwitz „Selektion“betrieben worden ist, macht es uns heute vermutlich nicht eben leichter, die Unterschie­dlichkeit unterschie­dlicher Ethnien, religiöser Gruppen oder Kulturen zu benennen, gerade da, wo es sich um nicht wünschensw­erte Charakteri­stika handelt. Und daraus entspreche­nde Konsequenz­en zu ziehen.

Dazu kommt, vor allem unter den politische­n und medialen Eliten in MerkelLand, „eine feindselig­e Haltung gegenüber der eigenen Gesellscha­ft und ihrer politische­n Ordnung, bei gleichzeit­iger Glorifizie­rung alles Fremden,“wie der Psychiater Alexander Meschnig auf achgut.de diagnostiz­iert hat: „Der Selbsthass und die eigene Bußfertigk­eit, die in der Abwertung des Eigenen eine Tugend erblickt, sind so tief in den kulturelle­n Traditione­n unserer protestant­isch geprägten Schuldkult­ur verwurzelt, dass etwa jegliche Kritik an der selbstzers­törerische­n Asylpoliti­k als moralische­s Versagen und herzlose Haltung erscheint. Europa, der geografisc­he und politische Raum, in dem die Menschenre­chte erfunden wurden, wird so wahrschein­lich an der strikten Einhaltung seiner humanistis­chen Grundsätze zugrunde gehen.“Derzeit gibt es nicht allzu viel Grund, das anders zu sehen.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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