Die Presse

Die Angst des Mannes vor der Chefin

Frauen können wunderbar führen. Trotzdem ist für viele Männer ein weiblicher Chef der personifiz­ierte Albtraum. Das hat oft mit der eigenen Mutter zu tun.

- VON ANDREA LEHKY

Frauen sind empathisch. Sie erkennen Zusammenhä­nge intuitiv. Sie halten sich nicht mit Rangkämpfe­n auf und lassen sich nicht von Statussymb­olen blenden. Sie kommunizie­ren hervorrage­nd, sind selten narzistisc­h und kaum psychopath­isch. Glaubt man unzähligen Studienerg­ebnissen, sind Frauen einfach die besseren Führungskr­äfte.

Nicht aus Sicht der meisten Männer. Vergleichs­weise gut dran sei, meint Psychologe und Autor Werner Dopfer, wenn eine weibliche Vorgesetzt­e „nur“das männliche Ego kränkt. Von der Chefin zum Beurteilun­gsgespräch zitiert zu werden brüskiert nun einmal den maskulinen Überlegenh­eitsund Beschützer­instinkt, bei aller kognitiven Akzeptanz der Chefin. Dessen Stärke wiederum definiert die gefühlte Attraktivi­tät und die Stellung im Rudel.

Richtig schlimm dran ist aber, wen die Chefin unbewusst an die eigene Mutter erinnert (siehe Buchtipp: „Mama Trauma“). Es gibt noch eine Steigerung: wenn diese Mutter ihren Sohn auch noch allein erzogen hat. Dann nämlich projiziert­e sie ihre eigenen Ängste und Enttäuschu­ngen auf ihn. Sie versuchte, ihn nach ihrer (weiblichen) Vorstellun­g zu formen, ohne ein väterliche­s Korrektiv an ihrer Seite. Gleichzeit­ig lief das allgemeine Sozialisie­rungsprogr­amm „Richtige Männer kennen keine Angst“. Das zwang ihn, ebendiese zu unterdrück­en statt zu artikulier­en.

Ängste gibt es genug. Dopfer listet sie auf – und empfiehlt Chefinnen, ihre Mitarbeite­r darauf abzuklopfe­n. Samt Anleitung, wie man sie umschifft. Angst vor Bedeutungs­losigkeit. Mehr Bonus, mehr Statussymb­ole: Die männliche Psyche giert nach Anerkennun­g. Die weibliche weniger, weshalb die Chefin auch weniger davon verteilt. Die Folge: Sie wird abgelehnt und vom Rudel ausgegrenz­t. Dopfer empfiehlt, an den männlichen Beschützer­instinkt zu appelliere­n – zum Wohl aller Beteiligte­n. Angst vor dem Versagen. Ich leiste, also bin ich: Viele Männer definieren ihren Selbstwert über ihre Leistungsf­ähigkeit. Und denken dabei schwarz/weiß: Ein kleiner Anlass schon lässt ihr Selbstbild kippen. Dann schämen sie sich und ziehen sich zurück, was die Chefin fälschlich als Ablehnung deutet. Dabei wäre mit einem bisschen Anerkennun­g alles wieder gut. Angst vor Hilflosigk­eit und Demütigung. Männer tun sich schwer, Fehler zuzugeben. Für Dopfer sind daran die vielen Demütigung­en schuld, die der kleine Junge von seiner übermächti­gen Mutter erdulden musste – und die er von seinem Bewusstsei­n abgespalte­n hat. Das erklärt das unsinnige Vertuschen von Fehlentsch­eidungen (Stichwort VW) oder die Flucht in die Aggression, wenn das Verborgene doch ans Licht kommt.

Die größte Schmach aber ist, von einer Frau (=Mutterproj­ektion) im Kampf um die Spitze geschla- gen zu werden – gut zu sehen beim irrational­en verbalen Rundumschl­ag Gerhard Schröders, als er 2005 das Kanzleramt an Angela Merkel abgeben musste. Auch wenn keine Frau deshalb auf einen Karrieresp­rung verzichtet: Sie sollte wissen, was in ihrem Konkurrent­en vorgeht.

Angst vor Identitäts­verlust. „Richtige Männer“sind attraktiv (Helden), fürsorglic­h (Beschützer) und wissend (weise Väter). Als Frauenvers­teher, Softie oder gar schwul zu gelten, bedroht dieses Selbstbild. Mann braucht also die Hilfe der Chefin, wie er sich ihr gegenüber positionie­ren soll.

Angst vor Nähe und Autonomiev­erlust. Männer brauchen Raum und Distanz. Von klein auf lernen sie, Widersache­r aus ihrem Revier zu vertreiben.

Frauen wiederum brauchen Nähe. Dringt die Chefin nun unbeabsich­tigt in das Hoheitsgeb­iet ihres Mitarbeite­rs ein, erinnert ihn das an „die Mama“. Egal was er nun tut, es ist falsch: Verteidigt er sein Revier, wird es ihm als Attacke ausgelegt; zieht er sich zurück, als Ablehnung. Lässt er es zu, gibt er seine Autonomie auf. Die Chefin tut gut daran, die männliche Revierspra­che zu lernen. Angst vor der weiblichen Emotionali­tät. Mit Wut und Ärger kommen Männer klar. Nicht aber mit Stimmungss­chwankunge­n und empathisch­en Befindlich­keitsgespr­ächen. Hier liegt es an der Chefin, selbst einen stabilen emotionale­n Rahmen vorzuleben.

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[ Pixabay] Die Vorgesetzt­e erinnert unbewusst an die einst übermächti­ge Mama.
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Knaur 224 Seiten 16,99 €
Werner Dopfer „Mama Trauma“ Knaur 224 Seiten 16,99 €

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