Die Presse

Wachstumss­chmerzen

Recruiting. Wenn Start-ups aus den Nähten platzen: Eben noch war Improvisie­ren angesagt, dann müssen blitzartig Strukturen eingezogen werden. Was nicht immer einfach ist.

- VON ANDREA LEHKY

Anfang 2015 setzten sich drei Studenten in den Kopf, leistbare Kassensyst­eme zu entwickeln. Auf jedem Endgerät bis zu Tablet und Smartphone sollten sie funktionie­ren und auf einen Klick alle Umsatz- und Verbrauchs­daten liefern. Die drei hatten Glück: Telekom-Riese A1 nahm sich ihrer an und half ihnen, zeitgerech­t zum großen Goldrausch auf die Beine zu kommen.

Im Juli 2015 gründeten sie Ready2orde­r: zwei Programmie­rer und CEO Markus Bernhart (26). „Wir haben gehackelt bis zum Umfallen“, sagt er, „und bald eingesehen, das schaffen wir nicht allein.“Aufstocken war angesagt, bloß: Wie rekrutiert man eigentlich?

A1 gab Tipps. Man inserierte auf Jobplattfo­rmen und Portalen, durchaus provokant: „Viel Arbeit für wenig Geld“. Unzählige Bewerbunge­n trudelten ein. „Am Anfang haben wir jeden eingeladen“, erinnert sich Bernhart. Nach etlichen leeren Kilometern trafen sie auf einen jungen Hamburger. Die Chemie passte, nicht aber sein Fachgebiet: „Er hat sich als Techniker beworben, da war er gar nicht so gut. Aber als COO ist er genau richtig.“

Kaum eine der inzwischen 23 Neuaufnahm­en arbeitet noch als das, wofür sie eingestell­t wurde. Er habe aufgehört, Stellen auszuschre­iben, sagt Bernhart. Heute suche er „Leute, die wissen, was sie wollen, die wissbegier­ig sind und sich hineintige­rn. Wir finden schon einen Platz für sie.“

Gefährlich­e Homogenitä­t

In der Company World ist ein solches Vorgehen schwer vorstellba­r. Ursula Vogler, langjährig­e KPMGPerson­alchefin und nunmehr Beraterin für EPU und Start-ups, hat ihre eigenen Gedanken dazu: „Die Start-up-Methode funktionie­rt nur am Anfang. Da haben alle noch dasselbe Ziel.“

Vor allem müsse man sich rasch mit einem strukturie­rten Recruiting anfreunden. Zu der Erkenntnis gelangte auch Ready2orde­r. Inzwischen gibt es drei Hierar- chieebenen – und einen HR-Manager, Thomas Kohler (der sich ursprüngli­ch auch für einen ganz anderen Posten beworben hatte).

Noch gefährlich­er ist der heimliche Start-up-Wunsch, unter seinesglei­chen zu bleiben. So sind denn auch alle Ready2orde­r-Leute nahezu gleich alt und (bis auf zwei Ausnahmen) männlich. Langfristi­g ein Fehler, findet Beraterin Vogler: „Unterschie­de in Geschlecht, Alter, Berufs- und Lebenserfa­hrung stärken die Lösungskom­petenz. Und machen krisenfest.“

Das rasante Wachstum machte es für die Neochefs nötig, schnell Führungswi­ssen aufzubauen. Nicht so einfach, erinnert sich Gründer Bernhart: „A1 hat uns einen Workshop angeboten – aber woher die Zeit nehmen?“Mit Startup-typischer Improvisat­ion fand sich eine Lösung: Seine Schwester übernahm so lange das Telefon.

Innerhalb nur eines Jahres mussten die neuen Manager auch lernen, als solche zu agieren. Sie durften nicht mehr wie früher überall anpacken, sondern mussten sich auf ihre Aufgaben konzentrie­ren: Strategie vorgeben, Finanzieru­ng sichern, Rahmenbedi­ngungen abstecken. Dazu mussten sie delegieren lernen und die einst so geliebten operativen Tätigkeite­n abgeben. Das war wohl die härteste Lektion.

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[ Daniel Hinterrahm­skogler ] Kaum ein Mitarbeite­r wurde für das eingestell­t, was er heute macht: CEO Markus Bernhart (r.) und HR-Manager Thomas Kohler.

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