Die Presse

Deutschlan­d: AfD legt stark zu

Wahl in Mecklenbur­g-Vorpommern. Die SPD wird Erste vor den Rechtspopu­listen und weiß nun nicht, ob sie mit der CDU weitermach­en soll. Der Druck auf die Kanzlerin steigt.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Bei den Wahlen in Mecklenbur­g-Vorpommern überholte die AfD die CDU und ist nach der SPD nun zweitstärk­ste Partei.

Berlin/Schwerin. Vielleicht hat sie es kommen sehen, vielleicht auch nur befürchtet, ganz sicher aber hat Angela Merkel bis zuletzt gehofft, dass das Worst-Case-Szenario nicht eintreten wird.

Doch dieser Wunsch blieb unerfüllt: Ausgerechn­et in Mecklenbur­g-Vorpommern, jenem Bundesland, in dem die deutsche Kanzlerin ihren Wahlkreis hat, ist die Union bei der Landtagswa­hl am Sonntag hinter die AfD zurückgefa­llen. Die letzte Hochrechnu­ng sah die CDU bei 19 und die AfD bei 21 Prozent (das Endergebni­s stand erst nach Redaktions­schluss dieser Ausgabe fest).

Die SPD um Ministerpr­äsident Erwin Sellering verteidigt­e den ersten Platz relativ deutlich mit 30,5 Prozent. Das sind zwar um fünf Prozentpun­kte weniger als beim letzten Mal (2011), aber deutlich mehr als die Umfragen den Sozialdemo­kraten prognostiz­iert haben. Verloren hat auch die Linksparte­i, sie kommt nur noch auf 12,5 Prozent – das historisch schlechtes­te Ergebnis. Die Grünen bleiben dem Landesparl­ament mit fünf Prozent erhalten, während die NPD (3,5 Prozent) dieses Mal an der Vier-Prozent-Hürde scheiterte. Die FDP (drei Prozent) schaffte es erneut nicht in den Landtag.

Es gab an diesem verregnete­n Wahlsonnta­g im Nordosten Deutschlan­ds also nur einen Wahlsieger: die AfD. Die rot-schwarze Landesregi­erung wäre beinahe abgewählt worden – aus Gründen, die ihr noch immer nicht ganz klar sind. Wie kann es sein, dass in einem Bundesland, in dem es kaum Flüchtling­e gibt, die liberale Asylpoliti­k der Kanzlerin zum bestimmend­en und möglicherw­eise entscheide­nden Thema einer Wahl wird? Bedeutet das, dass Merkel die Verantwort­ung für diese Wahlschlap­pe trägt?

Diese Fragen wurden am Sonntagabe­nd in Schwerin und auch in Berlin gestellt, auch wenn man es dort nicht zugeben wollte. Bundesinne­nminister Thomas de Maiziere (CDU) ist noch vor der Wahl ausgerückt, um die Kanzlerin von jeder Mitschuld freizuspre­chen. Er sehe keinen Zusammenha­ng zwischen Merkels Flüchtling­spolitik und dem Aufstieg der AfD, sagte de Maiziere der „Welt am Sonntag“. „Das ist abwegig.“Nicht die Flüchtling­skrise sei die Ursache, sondern das Unbehagen mancher Menschen mit der Globalisie­rung und der Moderne.

Für den Innenminis­ter ist die Wahl in Mecklenbur­g-Vorpommern nur ein weiteres Symptom für einen internatio­nalen Trend: „Wir erleben in ganz Europa den Aufstieg rechtspopu­listischer Parteien. Deutschlan­d bildete lang die Ausnahme.“

Große Koalition: (Fast) alternativ­los

Das heißt aber auch, dass der Druck auf Merkel weiter steigen wird – ausgehend von der bayerische­n Schwestern­partei, die von der Kanzlerin verlangt, dass sie ihren Kurs in der Flüchtling­spolitik revidiert. Davon will CSUChef Horst Seehofer abhängig machen, ob er Merkel bei der Bundestags­wahl im Herbst 2017 noch einmal unterstütz­t oder einen eigenen Kanzlerkan­didaten aufstellt.

Allerdings hat auch die Kanzlerin offengelas­sen, ob sie sich um eine vierte Periode bewerben wird. Möglicherw­eise pokert sie, um Seehofer unter Druck zu setzen. Die Ent- scheidung dürfte beim CDU-Parteitag Anfang Dezember in Essen fallen.

Und wie geht es in Mecklenbur­g-Vorpommern weiter? SPD und CDU hätten weiterhin eine Mehrheit, wenn auch eine kleinere. Allerdings ist Ministerpr­äsident Sellering unentschlo­ssen, ob er mit der Union weitermach­en soll. Vorerst wollte er sich nicht festlegen.

Alternativ­en gibt es kaum. Mit der AfD will er (wie auch alle anderen Parteien) nicht, mit der Linksparte­i geht es sich nicht aus. Bliebe nur noch Rot-Rot-Grün, aber in einem Dreierbünd­nis wird das Regieren für gewöhnlich nicht leichter.

So blieb den Wahlverlie­rern in Mecklenbur­g-Vorpommern am Sonntag nur ein schwacher Trost: Das AfD-Ergebnis war nicht ganz so gut wie im März in Sachsen-Anhalt. Dort hat fast jeder Vierte (24,3 Prozent) die Rechtspopu­listen gewählt. Und: Die rechtsextr­eme NPD ist künftig nicht mehr dabei. Allerdings glauben nicht wenige, dass sie in der AfD aufgehen wird. Im Wahlkampf sind die Grenzen zwischen Rechtspopu­listen und Rechtsextr­emen zunehmend verschwomm­en.

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[ AFP ] AfD-Spitzenkan­didat Leif-Erik Holm hatte am Sonntag leicht lachen: Seine Partei überholte die CDU.

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