Deutschland: AfD legt stark zu
Wahl in Mecklenburg-Vorpommern. Die SPD wird Erste vor den Rechtspopulisten und weiß nun nicht, ob sie mit der CDU weitermachen soll. Der Druck auf die Kanzlerin steigt.
Bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern überholte die AfD die CDU und ist nach der SPD nun zweitstärkste Partei.
Berlin/Schwerin. Vielleicht hat sie es kommen sehen, vielleicht auch nur befürchtet, ganz sicher aber hat Angela Merkel bis zuletzt gehofft, dass das Worst-Case-Szenario nicht eintreten wird.
Doch dieser Wunsch blieb unerfüllt: Ausgerechnet in Mecklenburg-Vorpommern, jenem Bundesland, in dem die deutsche Kanzlerin ihren Wahlkreis hat, ist die Union bei der Landtagswahl am Sonntag hinter die AfD zurückgefallen. Die letzte Hochrechnung sah die CDU bei 19 und die AfD bei 21 Prozent (das Endergebnis stand erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe fest).
Die SPD um Ministerpräsident Erwin Sellering verteidigte den ersten Platz relativ deutlich mit 30,5 Prozent. Das sind zwar um fünf Prozentpunkte weniger als beim letzten Mal (2011), aber deutlich mehr als die Umfragen den Sozialdemokraten prognostiziert haben. Verloren hat auch die Linkspartei, sie kommt nur noch auf 12,5 Prozent – das historisch schlechteste Ergebnis. Die Grünen bleiben dem Landesparlament mit fünf Prozent erhalten, während die NPD (3,5 Prozent) dieses Mal an der Vier-Prozent-Hürde scheiterte. Die FDP (drei Prozent) schaffte es erneut nicht in den Landtag.
Es gab an diesem verregneten Wahlsonntag im Nordosten Deutschlands also nur einen Wahlsieger: die AfD. Die rot-schwarze Landesregierung wäre beinahe abgewählt worden – aus Gründen, die ihr noch immer nicht ganz klar sind. Wie kann es sein, dass in einem Bundesland, in dem es kaum Flüchtlinge gibt, die liberale Asylpolitik der Kanzlerin zum bestimmenden und möglicherweise entscheidenden Thema einer Wahl wird? Bedeutet das, dass Merkel die Verantwortung für diese Wahlschlappe trägt?
Diese Fragen wurden am Sonntagabend in Schwerin und auch in Berlin gestellt, auch wenn man es dort nicht zugeben wollte. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) ist noch vor der Wahl ausgerückt, um die Kanzlerin von jeder Mitschuld freizusprechen. Er sehe keinen Zusammenhang zwischen Merkels Flüchtlingspolitik und dem Aufstieg der AfD, sagte de Maiziere der „Welt am Sonntag“. „Das ist abwegig.“Nicht die Flüchtlingskrise sei die Ursache, sondern das Unbehagen mancher Menschen mit der Globalisierung und der Moderne.
Für den Innenminister ist die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern nur ein weiteres Symptom für einen internationalen Trend: „Wir erleben in ganz Europa den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien. Deutschland bildete lang die Ausnahme.“
Große Koalition: (Fast) alternativlos
Das heißt aber auch, dass der Druck auf Merkel weiter steigen wird – ausgehend von der bayerischen Schwesternpartei, die von der Kanzlerin verlangt, dass sie ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik revidiert. Davon will CSUChef Horst Seehofer abhängig machen, ob er Merkel bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 noch einmal unterstützt oder einen eigenen Kanzlerkandidaten aufstellt.
Allerdings hat auch die Kanzlerin offengelassen, ob sie sich um eine vierte Periode bewerben wird. Möglicherweise pokert sie, um Seehofer unter Druck zu setzen. Die Ent- scheidung dürfte beim CDU-Parteitag Anfang Dezember in Essen fallen.
Und wie geht es in Mecklenburg-Vorpommern weiter? SPD und CDU hätten weiterhin eine Mehrheit, wenn auch eine kleinere. Allerdings ist Ministerpräsident Sellering unentschlossen, ob er mit der Union weitermachen soll. Vorerst wollte er sich nicht festlegen.
Alternativen gibt es kaum. Mit der AfD will er (wie auch alle anderen Parteien) nicht, mit der Linkspartei geht es sich nicht aus. Bliebe nur noch Rot-Rot-Grün, aber in einem Dreierbündnis wird das Regieren für gewöhnlich nicht leichter.
So blieb den Wahlverlierern in Mecklenburg-Vorpommern am Sonntag nur ein schwacher Trost: Das AfD-Ergebnis war nicht ganz so gut wie im März in Sachsen-Anhalt. Dort hat fast jeder Vierte (24,3 Prozent) die Rechtspopulisten gewählt. Und: Die rechtsextreme NPD ist künftig nicht mehr dabei. Allerdings glauben nicht wenige, dass sie in der AfD aufgehen wird. Im Wahlkampf sind die Grenzen zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremen zunehmend verschwommen.