Neuer Anlauf für ÖFB
WM-Qualifikation. ÖFB-Teamchef Marcel Koller versprach vor dem Auftaktspiel gegen Georgien eine neue Ära. Genügsamkeit und Gejammer sollen Geschichte sein, „jetzt zählt nur noch Leistung“.
Die Qualifikation für die Fußballweltmeisterschaft beginnt für Österreich heute mit dem Spiel gegen Georgien.
Tiflis/Wien. Die Zeit der Erklärungen, gespickt mit Plattitüden und eher schwachen Versuchen, die Negativerlebnisse bei der EM 2016 in Frankreich zu analysieren und vergessen zu lassen, ist vorbei. Mit dem Anpfiff zur WM-Qualifikation für Russland 2018 beginnt eine neue Zeitrechnung, zumindest hat es Teamchef Marcel Koller so versprochen. Und in Tiflis erfolgt heute, 18 Uhr (live ORF eins) der erste Anstoß zum erneuten Anlauf, sich für eine WM zu qualifizieren.
In diesem Punkt hat Österreich jedenfalls gehörigen Aufholbedarf. Zuletzt war Rot-Weiß-Rot bei der WM 1998 in Frankreich dabei – 20 Jahre später die Rückkehr zu erhoffen, ist keineswegs vermessen, obliegt aber der Spielstärke und der letztlich nötigen Siegen. Der Modus sieht nur Gruppensieger als fix qualifiziert vor, auf die acht besten Gruppenzweiten wartet die letzte Hürde in den Play-offs. Österreich trifft in Gruppe D auf Georgien, Wales (6. Oktober in Wien), Serbien, Irland und Moldau.
Land der Ringer, Gewichtheber
Mit dem 750. Länderspiel in der ÖFB-Historie (307 Siege, 162 Remis, 280 Niederlagen; Torverhältnis: 1339:1196) soll der endgültige Befreiungsschlag gelingen, das Übel der EM mitsamt allen Gerüchten, etwa der Schulung der gezielten Tellerwurfkunst, ausgelöscht werden.
Wer Erfolg hat, braucht keine unliebsamen Fragen erwarten, kann frei über seine Erlebnisse referieren und davon sprechen, dass der Traum vom Großereignis nä- her rückt. Der Auswärtssieg gegen Georgien wäre immens wichtig, beteuerte also Marcel Koller bei der Pressekonferenz in Tiflis. Doch der Schweizer überraschte mit seiner Erwartungshaltung: Er glaubt, dass die Nummer 118 der Welt keineswegs abwarten werde, sondern auf Sieg spielen werde.
Koller erinnerte dabei an das 1:0 im Juni gegen Spanien und er kennt die Spielphilosophie des Slowaken Vladimir Weiss, der den Georgiern Selbstvertrauen und offensichtlich auch die nötige taktische Disziplin aufgeprägt haben dürfte. Wer diesen Worten lauschte, erinnerte sich an die alte, längst abgelegt geglaubte österreichische Fußballmentalität. Der Schweizer erteilte diesem mentalen Rückschritt jedoch eine klare Absage: „Es spielt für mich keine Rolle, ob die Georgier glauben, dass sie Favorit ist. Wenn sie diese Rolle übernehmen wollen, können sie das gern tun.“ Auch zeigten die Sommerspiele in Rio jüngst recht deutlich, wo die Stärken des georgischen Sports liegen. Sieben Medaillen gewann die ehemalige Sowjetrepublik – seit 1992 Mitglied der Fifa und Uefa – mit rund 3,7 Millionen Einwohnern, darunter zwei goldene im Gewichtheben und Ringen.
Weiss: „Sie hatten auch Pech“
Das Team rund um David Alaba und Neo-Kapitän Julian Baumgartlinger sei in den vergangenen Monaten „näher zusammengerückt“, sagt Koller, 55. Keiner habe das Fußballspielen verlernt, er wolle diese Freude, die Euphorie am Spiel nun auch wieder auf dem Rasen sehen. „Die gewisse Genügsamkeit“, die sich bei manchen eingeschlichen habe, fügte Koller mit besonnen klingender Stimme hinzu, sei vorbei. Es ist wieder „mehr Zug dahinter, es ist eine neue Ära“. Jetzt zähle nur noch Leistung.
Vladimir Weiss, 51, verstand die ganze Aufregung in Österreich wegen der verpatzten EM sowieso nicht. Der Trainer, der die Slowakei 2010 sensationell zur WM nach Südafrika geleitet hatte, hat von den ÖFB-Spielern sogar eine sehr hohe Meinung. „Sie hatten in Frankreich auch Pech. Wenn Alabas Schuss nach wenigen Sekunden gegen Ungarn nicht an die Stange, sondern ins Tor gegangen wäre, wäre das Turnier ganz anders verlaufen“, vermutete Weiss, der auch Arnautovic,´ Harnik und Dragovic´ namentlich kannte.
Er sprach von Respekt, der Begriff der Angst sei ihm fremd. Zudem wolle er bei seinem Pflichtspieldebüt nicht tiefstapeln. Georgien werden angreifen, schnell spielen, kompromisslos sein in der Paichadze-Dinamo-Arena. Das würden 40.000 Fans erwarten. Gleiches gilt freilich für 200 angereiste ÖFB-Anhänger. (fin)