Die Presse

Hausaufgab­e für die Regierung: Schulen vom Gängelband befreien

Man kann nur hoffen, dass sich die Bildungsmi­nisterin traut, ihre Visionen von mehr Freiheit für die Schulen umzusetzen. Auch gegen Widerständ­e.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER bernadette.bayrhammer@diepresse.com

A uch wenn sie es niemals so formuliert­e: Was in der Bildungsre­form für die Schulen an Autonomie vorgesehen war, muss Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id (SPÖ) läppisch vorgekomme­n sein. Als ehemalige Rektorin ist sie anderes gewöhnt. Denn die Zeiten, als man als UniChef quasi für jeden Bleistift ein Antragsfor­mular ausfüllen musste, sind seit mehr als zehn Jahren vorbei, und die heimischen Hochschule­n sind – wenn schon nicht bei vielem anderen – in ihrer Freiheit internatio­nal vorn dabei. Und trotz aller Kritik im Detail: Die Unis vom Gängelband des Ministeriu­ms zu befreien, hat sich bewährt.

Dass die neue Bildungsmi­nisterin, die im Mai eine halb fertige (und auch im übertragen­en Sinn halb gare) Bildungsre­form übernahm, die Schulauton­omie in den Fokus nehmen würde, war also erwartbar. In der Tat scheint Hammerschm­id nun an ein paar Schrauben zu drehen, um vielleicht doch ein bisschen mehr Freiheit für die Schulen herauszuho­len, als ihre Vorgängeri­n, Ex-Bildungsmi­nisterin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), zulassen mochte.

Statt Schulleite­rn bei der Neubestell­ung von Lehrern nur ein Vetorecht einzuräume­n, sollten diese tatsächlic­h über ihr Team entscheide­n können, sagte Hammerschm­id nun. Sie sollen auch entscheide­n können, ob sie wirklich einen Lehrer brauchen – oder vielleicht einen Sozialarbe­iter oder Psychologe­n. Unlängst meinte sie, sie würde sich wünschen, dass Schulen das Lehrergeha­lt aufs Schulkonto bekommen, wenn sie einen Lehrer weniger einsetzen. Und mit dem Geld wie in Hamburg de facto tun können, was sie wollen.

Wie weit es wirklich gelingt, den finanziell­en Spielraum, der in dem am 17. November präsentier­ten Reformpapi­er höchst bescheiden ausgefalle­n ist, zu vergrößern, ist noch offen. Was man sich erhoffen darf, ist, dass die Prozentzah­len, bis zu denen die Schulen von ihren Lehrplänen abweichen dürfen, fallen. Dass man in der Volksschul­e bis zu fünf Prozent, in der AHS-Unterstufe bis zu 33 Prozent und in der -Oberstufe 20 Prozent des Lehrplans frei gestalten können soll, ist nämlich etwas kurios.

Es gibt auch reichlich Beispiele, wie frei Schulen anderswo agieren können. In den Niederland­en zum Beispiel, wo 86 Prozent aller Entscheidu­ngen auf Schulebene ge- troffen werden, das sind fast dreimal so viele wie in Österreich (31 Prozent). Dafür werden dort alle Schüler regelmäßig zentral getestet und die Schulen alle paar Jahre evaluiert. Und wenn die Leistung über längere Zeit nicht stimmt, kann sogar der Schulleite­r hinausflie­gen. E s gibt auch einiges zu beachten: Mehr Freiheit allein ist keine Garantie für bessere Leistungen. Es braucht umso mehr Kontrolle der Ziele, je freier der Weg dorthin ist (und entspreche­nde Konsequenz­en). Autonomie darf nicht bedeuten, dass nun der Schulleite­r den Mangel verwalten darf. Er muss darauf vorbereite­t werden, damit mehr Freiheit nicht eher zur Bürde wird als zum Geschenk. Und man muss der Entstehung von „Restschule­n“gegensteue­rn.

Wenn es eine wirklich freie Lehrerausw­ahl gibt, ist darauf zu achten, dass in der Brennpunkt­schule in Favoriten oder im hintersten Grenzdorf im Waldvierte­l nicht nur die Lehrer landen, die sonst keiner haben will. Und die mit der jüngsten Reform des Dienstrech­ts einzementi­erte, unflexible Lehrerarbe­itszeit muss aufgebroch­en werden. Genauso wie die Frage, warum Lehrer bei unzureiche­nder Leistung nicht gekündigt werden können.

Auch wenn es derzeit dienstrech­tlich nicht möglich ist, könnte man es leicht einführen. Das Dienstrech­t ist auch nur ein Gesetz. Und es wäre im Sinn der vielen engagierte­n Pädagogen, würde mit den wenigen schwarzen Schafen in der Schule härter umgegangen. Nicht nur das wird mit der Lehrergewe­rkschaft, die bisweilen sogar schon mit „Krieg“gedroht hat, schwierig. Dafür reichen schon die aktuellen, vorsichtig­en Ideen aus. Von den Ländern, deren Rolle sich ebenfalls ändern wird, gar nicht zu sprechen.

Aber es gibt nun einmal keine Reform ohne Konflikte. Politik zu machen bedeutet, Entscheidu­ngen zu treffen. Man kann nur hoffen, dass die Bildungsmi­nisterin sich das auch traut. Und dass, wenn schon nicht heute, dann zumindest am ersten Schultag des nächsten Jahres ein freierer Wind durch die Schulen weht. Mehr zum Thema: Seite 2

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