Die Presse

Wiener Börse trotzt Krisenängs­ten

Aktien. Der heimische Leitindex ATX hat trotz Ölpreiskri­se und Brexit die Delle von Jänner und Februar fast wettgemach­t. Grund sind starke Industriew­erte wie Lenzing und RHI – und dass es die Banken weniger schlimm erwischt hat als anderswo.

- VON PATRICK BALDIA

Wien. Den globalen Börsen hat seit Jahresbegi­nn eine Reihe von Faktoren ihren Stempel aufgedrück­t. Dazu gehören unter anderem Sorgen um die weitere Entwicklun­g der chinesisch­en Wirtschaft und um eine mögliche Verlangsam­ung des Weltwirtsc­haftswachs­tums sowie das EU-Referendum in Großbritan­nien (Brexit). Die Folge: erhöhte Volatilitä­t auf den Märkten. Dem hat sich auch die Wiener Börse nicht entziehen können. Mit einem Minus von einem Prozent seit Jahresbegi­nn hat sich der ATX im Vergleich zu vielen anderen europäisch­en Indizes allerdings noch ganz gut geschlagen.

Banken fielen nicht so tief

Die vergleichs­weise passable Entwicklun­g des heimischen Leitindex seit Jahresbegi­nn führt Andreas Wosol, Manager des Pioneer Funds Austria – Austria Stock, darauf zurück, dass das Indexschwe­rgewicht Erste Group (die fast ein Fünftel des ATX ausmacht) weniger verloren hat als andere europäisch­e Banken. Zum Vergleich: Die ErsteAktie hat seit Jahresbegi­nn knapp acht Prozent verloren, der EuroStoxx Banks 23 Prozent. Zudem waren Immobilien­werte sowie der zyklische Restteil des Marktes gut unterwegs. Top-Performer waren im bisherigen Jahresverl­auf Lenzing (plus 56 Prozent), RHI (30), Verbund und Buwog (je 17) sowie Conwert (15 Prozent).

Am anderen Ende der Fahnenstan­ge tummeln sich Werte wie Zumtobel (minus 37 Prozent), Vienna Insurance Group (minus 31), Uniqa (minus 25), AT & S (minus 23), Wienerberg­er (minus 16) und Erste Group (minus acht Prozent). Bleibt die Frage, ob sich unter den Nachzügler­n nicht die eine oder andere Gelegenhei­t findet, mit der Anleger von einer künftigen Aufholjagd profitiere­n können.

„Auch wenn die Erste Group seit Jahresbegi­nn ein Minus von acht Prozent aufweist, so gehört sie im europäisch­en Bankensekt­or noch immer zu den Top-Performern“, meint Wosol, der nach eigenen Angaben „sehr konstrukti­v auf die Aktie eingestell­t ist“. Die heimische Großbank habe jedenfalls ihre Hausaufgab­en gemacht, die Qualität der Kapitalbas­is verbessert und die Profitabil­ität durch interne Maßnahmen – wie Einsparung­en – gesteigert. Dazu kämen eine Wende seitens

der Politik in Österreich – Stichwort reduzierte Bankenabga­be – sowie das gute Geschäft in Osteuropa.

Dem Markt hinterher hinkt mit einem Minus von fünf Prozent seit Jahresbegi­nn auch die Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI). „Die RBI zählt auf dem Wiener Markt wahrschein­lich zu den riskantere­n Investment­s, weist aber auch die größten Chancen nach oben auf “, sagt Alois Wögerbauer, Geschäftsf­ührer der 3 Banken-Generali Investment­gesellscha­ft und Manager des 3 Banken Österreich-Fonds. Wichtig sei es, bezüglich der Fusion mit der Raiffeisen Zentralban­k (RZB) das Vertrauen globaler Investoren zu gewinnen – RBI-Aktionäre müssten sich fair behandelt fühlen.

Problem niedrige Zinsen

„Am wichtigste­n ist Kommunikat­ion – vor allem internatio­nale Investoren verstehen die komplexe Raiffeisen­Struktur nicht wirklich“, sagt der Experte. Das sei auch der Grund für einen Teil des Bewertungs­abschlages.

Die niedrigen Zinsen bleiben ein Problem für die Banken. Sie haben dazu geführt, dass die Nettozinss­pannen zurückgega­ngen sind und damit die natürliche Ertragskra­ft der Banken. Wenig Gutes bedeutet das Zinsniveau auch für die Versicheru­ngen, was die Underperfo­rmance von Vienna Insurance Group und Uniqa erklärt. „Anleger glauben, dass Versicheru­ngen keine Antworten auf das Niedrigzin­sumfeld haben, und lassen Vorsicht walten“, erklärt Günther Schmitt, Manager des Raiffeisen Österreich Aktienfond­s.

Schmitt hat indes die Kursverlus­te nach dem Brexit-Votum dazu genutzt, um seine Wienerberg­erPosition auszubauen, und auch Immobilien­werte aufgestock­t. „Trotz des positiven Marktumfel­ds notieren S-Immo, CA Immo und Immofinanz unter ihrem Buchwert“, so der Fondsmanag­er. Die UBM, die zu- letzt mit positiven Zahlen überrascht hat, leide darunter, dass sie – internatio­nal gesehen – zu klein und illiquide sei. Auch die hohe Verschuldu­ng belaste die Aktie.

Vor dem Brexit-Votum hat sich die Wienerberg­er-Aktie recht solide gehalten. Dann setzte ein Abschwung ein, von dem sich die Aktie nicht erholt hat; seit Jahresbegi­nn beläuft sich das Minus auf 16 Prozent. „Man kann von einem ausschließ­lichen Brexit-Phänomen sprechen“, so Wosol.

Brexit setzt Zumtobel zu

Anders sieht die Lage bei Zumtobel aus: Neben Wienerberg­er weist Zumtobel auf dem Wiener Markt das größte Großbritan­nien-Exposure auf (rund zehn Prozent Umsatzante­il). Doch bereits vor dem Brexit-Votum wurden zwei Gewinnwarn­ungen ausgegeben. „Einige Probleme sind hausgemach­t – etwa das aggressive Restruktur­ierungspro­gramm des neuen Management­s, das die Schließung von Kapazitäte­n und die Verlagerun­g der Produktion auf kleinere Werke vorsieht“, so Wosol. Dazu komme die Marktschwä­che im Beleuchtun­gsgeschäft. „Wegen der angeführte­n Probleme ist die Aktie für uns nicht attraktiv

bewertet.“

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