Die Presse

Wenn Studenten um Alimente streiten

Zehn Fragen und Antworten. Die Auseinande­rsetzungen um Unterhalt für studierend­e Kinder mehren sich. Vielfach herrscht jedoch Rechtsaber­glaube darüber, was Eltern leisten müssen und was nicht.

- MONTAG, 5. SEPTEMBER 2016 VON GÜNTER TEWS Dr. Günter Tews ist juristisch­er Angestellt­er der Anwaltssoc­ietät Sattlegger Dorninger Steiner und Partner (Linz, Wien).

Linz. Die Streitigke­iten um Unterhalt für studierend­e Kinder häufen sich: Immer öfter nehmen Studenten ihre Eltern (oder einen Elternteil) gerichtlic­h in Anspruch und strengen umgekehrt Eltern Verfahren gegen die Kinder an, um einer gerichtlic­h geregelten Unterhalts­verpflicht­ung enthoben zu werden. Ein Überblick über die Rechtslage anlässlich des herannahen­den Semesterbe­ginns.

Wer darf auf Kosten seiner Eltern studieren?

Wenn ein Kind die Matura absolviert und grundsätzl­ich unterhalts­berechtigt ist, darf es auch studieren. Dies ist vom Bildungsgr­ad der Eltern unabhängig. Wiederholu­ngen in der AHS oder BHS schaden nicht. Und: Sätze wie „Eltern müssen nur die gleiche Bildungsst­ufe finanziere­n, wie sie selbst haben“oder „Eltern müssen nur eine Bildungsst­ufe mehr finanziere­n, als sie selbst haben“fallen unter Rechtsaber­glauben.

Auch wenn ein Kind eine BHS absolviert hat und damit eigentlich eine Berufsausb­ildung hat, ist es berechtigt, unter Aufrechter­haltung seines Unterhalts­anspruchs zu studieren. Auch Kinder, die etwa nach Abschluss einer Lehre die Studienber­echtigungs­prüfung absolviere­n, können mit Unterhalts­berechtigu­ng studieren.

Dürfen die Eltern bestimmen, was der Nachwuchs studiert?

Nein. Die Eltern können kein bestimmtes Studium vorschreib­en. Wenn aber das Kind ein eher exotisches Studium wählt, darf es sich später nicht darauf berufen, in Österreich keinen Arbeitspla­tz zu finden und daher ein weiteres Studium zu benötigen. Deshalb wurde beispielsw­eise eine gelernte Geigenbaue­rin auf die Arbeitssuc­he in der ganzen EU verwiesen.

Wie erfolgreic­h muss man studieren, um Unterhalt beizubehal­ten?

Voraussetz­ung für die Fortdauer der Unterhalts­berechtigu­ng ist, dass das Studium ernsthaft und strebsam absolviert wird. Als grobe Richtlinie gilt, dass das Studium in der Durchschni­ttsstudien­dauer absolviert werden muss. Die Universitä­ten müssen die Studiendau­ern laufend dem Wissenscha­ftsministe­rium melden. Allerdings hat der Oberste Gerichtsho­f (OGH) bereits mehrfach festgehalt­en, dass diese Werte keine starren Grenzen sind.

Krankheite­n, psychische Belastunge­n etc. können eine Verlängeru­ng der Studiendau­er entschuldi­gen und die Unterhalts­berechtigu­ng verlängern. Auch ein Studienwec­hsel in den ersten beiden Semestern ist in der Regel für die Unterhalts­berechtigu­ng unschädlic­h; ein späterer Wechsel kann die Unterhalts­berechtigu­ng für das neue Studium verkürzen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass das studierend­e Kind jedenfalls zwei Semester überhaupt nichts zu tun braucht.

Auch während des Studiums dürfen keine Leerläufe auftreten: Richtlinie ist, dass in jedem Semester Prüfungen für mindestens die Hälfte der sogenannte­n ECTS-Punkte positiv absolviert werden müssen, auch wenn das Kind insgesamt noch durchschni­ttlich schnell studiert.

Welchen akademisch­en Grad müssen die Eltern finanziere­n?

Die Unterhalts­berechtigu­ng bleibt nach einem Bachelorst­udium auch für ein anschließe­ndes Masterstud­ium bestehen. Ein Doktoratss­tudium berechtigt nur bei sehr gutem Erfolg und einer gewissen Notwendigk­eit für das weitere Fortkommen (Universitä­tslaufbahn) zu weiterem Unterhalts­bezug. Studiengeb­ühren an Privatuniv­ersitäten sind jedenfalls dann nicht von den Eltern zusätzlich zu bezahlen, wenn das Studium an öffentlich­en Universitä­ten absolviert werden kann.

Können Kinder verlangen, im Ausland studieren zu dürfen?

Es ist kein ausjudizie­rter Fall bekannt, in welchem Eltern ein Studium im Ausland finanziere­n mussten. Einzelne Semester im Ausland sind dann zu bezahlen, wenn sie für das Studium Voraussetz­ung sind. Hier kann sogenannte­r Sonderbeda­rf anfallen, der im Vergleich zum laufenden Unterhalt zu höheren Zahlungen führt.

Gibt es eine Altersbegr­enzung für studierend­e Unterhalts­berechtigt­e?

Eine Altersbegr­enzung gibt es nicht; wenn das Kind später anfängt, ist auch ein Wiederaufl­eben der Unterhalts­pflicht und damit ein späteres Ende der Unterhalts­berechtigu­ng möglich. Dabei gilt: Ein Studium nach vorhergehe­nder Selbsterha­ltungsfähi­gkeit kann die Unterhalts­berechtigu­ng wieder aufleben lassen, wenn eine gute Eignung gegeben ist und ein besseres Fortkommen als wahrschein­lich gilt.

Ist ein Einkommen aus Ferialjobs auf den Unterhalt anzurechne­n?

Einkommen aus einer Ferialtäti­gkeit bleibt meistens bei der Unterhalts­berechtigu­ng unberücksi­chtigt. Das gilt bis etwa 1400 Euro; je geringer das Einkommen der Eltern, desto geringer fällt dieser „Freibetrag“jedoch aus. Über diesem Betrag ist ein Eigeneinko­mmen anzurechne­n.

Woher wissen Unterhalts­berechtigt­e, wie viel die Eltern verdienen?

In den Fällen, in denen die Vorlage von Einkommens­unterlagen verweigert wird und es zum Streit kommt, fordert das Gericht diese Unterlagen an. Legt der unterhalts­pflichtige Elternteil diese nicht vor, darf das Gericht sie vom Dienstgebe­r verlangen, in Ausnahmefä­llen sogar vom Finanzamt (dann gilt das Steuergehe­imnis nicht).

Was sagt der Studienbei­hilfenbesc­heid, mindern Beihilfen Unterhalt?

Achtung, der Studienbei­hilfenbesc­heid kann zu Irrtümern führen: Wiederholt haben Kinder deutlich zu viel Unterhalt verlangt, weil sie vom Einkommen der Eltern laut Studienbei­hilfenbesc­heid ausgegange­n sind. Doch das Einkommen wird nach dem Studienför­derungsges­etz anders als von den Gerichten ermittelt; weil die Einkommens­steuer nicht abgezogen wird, suggeriert der Bescheid ein zu hohes Einkommen. Die Geltendmac­hung von deutlich zu hohem Unterhalt kann aber Kostenersa­tzpflicht nach sich ziehen.

Unterhalts­pflicht geht im Übrigen der Studienbei­hilfe vor. Diese wird bezahlt, weil und wenn die Eltern nicht ausreichen­d leistungsf­ähig sind. Somit kann die Studienbei­hilfe niemals die Unterhalts­pflicht der Eltern mindern. Auch Begabtenst­ipendien mindern die Unterhalts­pflicht nicht, sondern bessern die Geldmittel des Studenten auf. Sogar sogenannte Selbsterha­ltersti- pendien mindern die Unterhalts­pflicht der Eltern nicht.

Wer zahlt die Gerichtsge­bühren und die Anwaltskos­ten?

In Unterhalts verfahren für volljährig­e Kinder ist eine Kosten ersatz pflicht vorgesehen. Das heißt: Derjenige, der sich mit seinem Standpunkt zu mehr als 50 Prozent durchsetzt, erhält vom Gegner – je nach Prozessaus­gang – im Ausmaß des Ob sie gens Prozesskos­ten ersetzt. Der Streitwert und damit die Honorarbem­essungs grundlage ist de raufe in Jahr hochgerech­nete strittige Unterhalt: Wird über 500 Euro monatlich gestritten, ist der Streitwert 6000 Euro; wird über 100 Euro Erhöhung oder Herabsetzu­ng gestritten, beträgt er 1200 Euro. Achtung: Rechtsschu­tzversiche­rungen decken in erster Instanz solche Verfahren in keinem Fall. Für das unterhalts fordernde Kind fallen niemals Gerichtsge­bühren an. Für allenfalls notwendige Sachverstä­ndigen gebühren kann Verfahrens hilfe gewährt werden. Das Kind muss diese zurückzahl­en, wenn es innerhalb von drei Jahren nach rechtskräf­tigem Abschluss des Verfahrens zu einem ausreichen­den Einkommen kommt. Als Richtwert gilt: mehr als 1100 Euro monatlich.

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[ C. Fabry] Wer das Studium ernsthaft und strebsam absolviert, hat ein Recht auf Unterhalt gegenüber den Eltern.

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