Die Presse

Warum die Österreich­er so gern doppelt grüßen

„Guten Tag, Grüß Gott“als ideologisc­he Brücke, nur was steckt hinter dem „Servus, grüß dich“?

- E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

Die

Feststellu­ng „Sie kennen das!“am Beginn eines Textes ist schon ein ziemlich abgelutsch­tes Stilmittel. Das nicht besser wird, wenn man eine Frage daraus macht. Gäbe es doch so viele andere Möglichkei­ten für den Autor, eine direkte Beziehung zu den Lesern herzustell­en, ihnen zu signalisie­ren, dass es jetzt um ein Phänomen geht, das auch sie selbst sicher schon erlebt haben. In diesem Sinn wenden wir uns von dieser Redewendun­gsfließban­dware ab und gehen endlich in medias res: Ist Ihnen eigentlich schon aufgefalle­n, dass Österreich­er gern zweimal grüßen? (Elegant gelöst, finden Sie nicht?) Und nein, damit ist nicht die Wiederholu­ng eines Grußes gemeint, wie er etwa in Deutschlan­d mit dem „moin, moin“üblich ist. Sondern eine Aneinander­reihung verschiede­ner Grußformel­n, etwa mit einem „Servus, grüß dich!“

Nun muss man wissen, dass die Wahl der Grußformel gelegentli­ch ein heikles Terrain sein kann. Weil manche Weltanscha­uung im Gruß nach außen getragen wird – Sie kennen das (verflixt!), wenn etwa dem „Guten Tag“des Städters in ländlichen Regionen ein demonstrat­iv lautes „Grüß Gott“entgegenge­schmettert wird. (Und nein, das saloppe „Grüssie“als weltlicher Kompromiss reicht nicht!) Vielleicht lässt sich ja dadurch das verunsiche­rte „Guten Tag, Grüß Gott“erklären, mit dem man ideologisc­h auf der sicheren Seite bleiben kann. (Auf „Freundscha­ft, Grüß Gott“stößt man hingegen selbst bei katholisch­en Sozialdemo­kraten selten.) Das „Hallo, Grüß Gott“wiederum kann hilfreich sein, um sich bei Unbekannte­n nicht gleich auf ein Du oder Sie festzulege­n. Nur was steckt dann hinter „Hallo, servus“, „Ciao, baba“oder „Baba, pfiati“? Und sagt eigentlich noch irgendjema­nd „Küss die Hand, meine Verehrung“? Da weiß man manchmal gar nicht so recht, wie man darauf antworten soll – Sie kennen das . . .

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