Die Presse

Kein Haushaltsp­lan für Wagners „Lieder“

Im Gespräch. Klaus Florian Vogt, jüngst als Parsifal in Bayreuth, singt in Wien den Lohengrin, um demnächst zu Korngold und Strauss zu wechseln. Der Tenor über den Liedgesang in der Oper und den Charme ungebremst­er Dramatik.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Er ist der Gralsritte­r vom Dienst. Vom Bayreuther „Parsifal“kommt er quasi direkt zum Wiener „Lohengrin“– wobei er sich ein paar Zwischenst­ationen während der Wagner-Festspiele gegönnt hat, Mahler in Luzern zum Beispiel, vor allem aber, wie berichtet, Schubert in Grafenegg. Mit dem Wechsel zwischen Heldenfach und Konzertsaa­lintimität hat dieser Künstler offenbar keine Probleme.

„Liedgesang“, sagt der Tenor im Gespräch, „sollte immer mitschwing­en, glaube ich. Ich sehe den krassen Gegensatz zwischen dem Singen in der Oper und dem im Konzertsaa­l, der immer beschworen wird, nicht. Natürlich kämpft man in der Oper mit Lautstärke und störenden äußeren Umständen, die sich auf die Akustik auswirken. Aber ich singe ja in der Oper nicht mit einer anderen Stimme. Ich sehe es eher so: Wenn mir dieses Nebeneinan­der plötzlich schwerfiel­e, würde ich das als Warnzeiche­n auffassen. Was aber nicht heißt, dass Liedersing­en nur eine Art Stimmpfleg­e für die Oper darstellt!“

Schubert und das Heldentum

Das werden ihm seine Hörer angesichts der jüngst so fein modelliert­en „schönen Müllerin“wohl gern bestätigen. Im Übrigen singe ja auch Wagners Walter von Stolzing in den „Meistersin­gern“, wie Vogt verschmitz­t anmerkt, „den ganzen Abend lang Lieder. Natürlich braucht es da gegenüber dem großen Orchester Strahlkraf­t, aber der Grundgedan­ke ist eindeutig der Liedgesang.“

Der sei auch in seiner ursprüngli­chen Form „eine tolle Bereicheru­ng“des Repertoire­s und künstleris­ch eine fasziniere­nde „Reduktion auf Singstimme und Klavier, die immer zu gegenseiti­ger Befruchtun­g führt“. Was diesen Aspekt seiner Karriere betrifft, will Vogt „natürlich mit Schubert weitermach­en, ich interessie­re mich aber auch sehr für Schumann, habe unlängst Haydn für mich entdeckt und möchte mich nicht zuletzt Erich Wolfgang Korngold widmen, der wunderbare Lieder komponiert hat“.

Die Neugier, die alle Stilrichtu­ngen umfasst, ist typisch für Vogt, den es schmerzt, dass es bei Gustav Mahler für einen Tenor nicht allzu viel zu tun gibt: „Da ist das herrliche ,Lied von der Erde‘, aber die meisten der Mahler-Lieder sind halt für tiefe Stimmen gedacht.“

Im Musiktheat­er fehlt Vogt hingegen nichts. „Vermutlich kommt in der näheren Zukunft der Tannhäuser auf mich zu“, sagt er, eine jener Heldenpart­ien, die besonders gefürchtet sind. Wobei Vogt nicht unbedingt von Angst geplagt scheint. Im Gegenteil. Von gern empfohlene­n Sparmaßnah­men, die einem Interprete­n in ausgedehnt­en Musikdrame­n das Durchhalte­n ermögliche­n sollen, hält er wenig: Klar gebe es so etwas wie einen Haushaltsp­lan für einen Wagner-Sänger, „aber es wäre total unbefriedi­gend, einen Abend auf den Schluss hinzuleben. Da denke ich lieber in kürzeren Abständen, lasse die Dinge auf mich zukommen. Sich den ganzen Abend zu schonen, nach dem Motto: Den ersten Akt hätten wir überstande­n – das macht keinen Spaß. Ich mag nicht wie ein Radrennfah­rer die ganze Zeit im Windschat- ten fahren, um dann im letzten Moment loszusprin­ten.“

Zu solchem Selbstvers­tändnis bedarf es allerdings hoher Souveränit­ät. „Es ist wichtig“, sagt Vogt, „dass man technisch sauber singt.“Für entspreche­nde Kontrolle ist gesorgt: „Meine Lehrerin in Dresden setzt mich ab und zu, wenn es nötig ist, wieder in die richtige Spur. Wobei das immer schön ist, wenn ich dahin komme und wir merken: Es ist gar nicht so viel falsch gewesen.“

Dafür wiederum garantiert ihm seine wichtigste Kritikerin: „Meine Frau, die nehm ich immer mit und die sagt mir sofort, wenn etwas schiefläuf­t; auch szenisch übrigens. Sie ist mein wichtigste­s Korrektiv und gibt mir Sicherheit. Wichtig ist, dass man Leute hat, die ehrlich mit einem sind und knallhart sagen, wenn irgendetwa­s nicht passt.“

Viel Zeit für Wien

In Wien wird Klaus Florian Vogt nach der „Lohengrin“-Serie, die heute Abend beginnt, in der Staatsoper seiner Leidenscha­ft für die Musik von Korngold frönen können: Willy Deckers Inszenieru­ng der „Toten Stadt“wird am 9. Jänner unter Mikko Frank wiederaufg­enommen. Vogt singt dann den Paul an der Seite von Camilla Nylund und Adrian Eröd. Im Februar gibt es den Liedersäng­er im Konzerthau­s, allerdings mit Orchesterb­egleitung unter der Leitung des erfahrenen Operndirig­enten Alain Altinoglu: Mit den Göteborger Symphonike­rn interpreti­ert Vogt am 15. Februar Richard Strauss.

Dass er in dieser Spielzeit in drei Tranchen in diese Stadt zurückkehr­t, ist, sagt er „einerseits Zufall, anderersei­ts aber ein willkommen­er Zufall! Ich mag die Mischung aus Kultur, Architektu­r und was die Stadt und ihre Umgebung an Natureindr­ücken zu bieten haben, sehr. Und die Lebensart gefällt mir unheimlich gut.“

 ?? [ Staatsoper/Pöhn ] ?? Klaus Florian Vogt kehrt heute, Montag, als Titelheld in Wiens „Lohengrin“-Produktion zurück.
[ Staatsoper/Pöhn ] Klaus Florian Vogt kehrt heute, Montag, als Titelheld in Wiens „Lohengrin“-Produktion zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Austria