Drogen, Waffen und Wahlkarten
Kriminaltechnik. Die Spezialisten des Bundeskriminalamts untersuchen alles. Ein Besuch in einem Labor, in dem zwischen Cannabis und Projektilen Wahlen mitentschieden werden.
Wien. Mitten im Raum steht ein Maschinengewehr aus britischer Fertigung. Wie ein Magnet zieht die knapp 40 Kilogramm schwere Waffe das Interesse der seltenen Besucher auf sich. Die Angestellten hingegen, die hier täglich durch die Büros huschen, drehen sich nach dem wassergekühlten Monstrum schon lang nicht mehr um. Hier, das ist die Kriminaltechnik des Bundeskriminalamts.
Und hier ist ein Maschinengewehr nur eines von vielen spektakulären Beweisstücken kniffliger und/oder prominenter Fälle. Wobei, zuletzt hatten es die Männer und Frauen in ihren weißen Mänteln nicht nur mit Straftaten zu tun. Unter den Augen der Öffentlichkeit untersuchte das Referat für Chemie auch jene sich selbst auflösenden Briefwahlkuverts, die letztendlich für die Verschiebung der Stichwahl für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten verantwortlich waren. Als „Verdächtiger“wurde zuletzt der Kleber geführt, noch dazu einer aus Deutschland. Geklärt ist die Angelegenheit aber noch nicht. Auch in dieser Untersuchung gilt – wie immer – die Unschuldsvermutung.
Warum sich ausgerechnet die höchste Instanz der heimischen Kriminalpolizei über eine Angelegenheit hermachte, die bisher keinen Bezug zu einem Verbrechen erkennen ließ, ist einfach zu erklären: Weil sie es kann. Die 56 Mitarbeiter, die hier täglich an einem Maschinengewehr vorbeigehen als wäre es ein Kleiderständer, sind keine Polizisten. Die Kolleginnen und Kollegen von Abteilungsleiterin Andrea Raninger haben Ausbildungen als Naturwissenschaftler, sind Ingenieure, Techniker. Sie selbst ist Chemikerin. Ihr Beruf ist es, alles Mögliche zu analysieren und zu vergleichen.
Für das Innenministerium war es nach dem Auftreten der ersten Fälle von schadhaf- ten Wahlkarten also naheliegend, auf die genau auf solche Aufgaben spezialisierten Experten zurückzugreifen. Ob Lack, Faserspuren, Fingerabdrücke oder nun eben auch Klebstoff: Im Hochsicherheitstrakt der Kriminaltechnik kommt alles unter die Lupe.
Im ohnehin schon gut abgeschirmten Gebäude darf ohne Sondererlaubnis nur ins Labor, wer auch wirklich zum Team gehört. Für die anderen Spitzenkräfte, seien es die Experten für organisierte Kriminalität oder die verschworene Gemeinde der verdeckten Ermittler, öffnet der Aufzug im dritten Stock nicht einmal die Tür. Der Grund, warum ihre elektronischen Zutrittskarten hier nicht sperren, hat stark vereinfacht gesagt damit zu tun, dass dadurch das Risiko, dass wichtige Beweismittel mit Spuren Dritter verunreinigt werden, minimiert werden soll.
Im Reinraum riecht es nach Cannabis
Das klingt für Laien zunächst übertrieben. Nach dem Fünf-Minuten-Crashkurs eines Mitarbeiters zum Thema wird jedoch schnell klar, dass schon ein kräftiges Husten ausreichend sein kann, damit Profis eine verwertbare DNA-Spur aus einem Raum nehmen können.
Aus diesem Grund sind die Personalakten der Mitarbeiter hier auch etwas umfangreicher als anderswo. Sie alle haben ihre Fingerabdrücke und DNA-Profile bei der Chefin hinterlegt, um im Fall des Falles Verunreinigungen von Spuren bei der Auswertung erkennen zu können. Damit die methodischen Standards hoch, die Aussagekraft von Analysen vor Gericht glaubwürdig bleibt, kommen einmal jährlich die strengen Prüfer der Zertifizierungsstelle des Wirtschaftsministeriums vorbei.
Über vielem hier liegt der Grusel echter Straftaten. Unter dem Mikroskop schimmern Körperspuren von Opfern, die Experten für Dokumentenuntersuchungen zerlegen die gefälschten Reisepässe von Schwerverbrechern. Wer Glück hat, erwischt die freundliche Analystin aus dem Drogenlabor. Hier kann man an beschlagnahmter Ware unmittelbar lernen, wie Cannabis aus Marokko riecht und woran man qualitativ hochwertiges Kokain unter dem Mikroskop erkennt.
Ein buchstäblich mörderisches Archiv führen die Mitarbeiter der Waffentechnik. In einem Schrank gleich gegenüber vom Maschinengewehr sammeln sie jene Projektile, die aus den Körpern von Mordopfern geholt wurden. Die Projektile tragen nur Nummern. Die Schicksale der Opfer werden in getrennten Ordnern verwahrt.
Die Untersuchung von Wahlkarten ist hier wahrlich nur ein Nebengeschäft.