Die Presse

Was Banken (nicht) gegen Geldwäsche tun

Wirtschaft­skriminali­tät. Bei den Panama-Papers stand auch Raiffeisen im Visier. Nun gewähren die Compliance-Experten der Bank exklusiv Einblick in ihre Arbeit. Und erklären, warum Briefkäste­n in Steueroase­n legitime Gründe haben können.

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Die Palmen sind grün, die Anzüge grau. Vom anrüchigen Reiz der karibische­n Steueroase­n bleiben in den Büros der Raiffeisen Zentralban­k (RZB) nur die Namen auf den Bildschirm­en und Flipcharts: Bahamas, Caymans, Virgin Islands. Und natürlich Panama. Zur Erinnerung: Raiffeisen Internatio­nal (RBI), die Osteuropat­ochter, stand im April im Fokus der Enthüllung­en von Panama-Papers. Vor allem mit einer nach Geldwäsche riechenden Konstrukti­on, die sie für die Schokolade­nfirma des ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o aufgesetzt hatte. Von Journalist­en bestürmt, hüllte sich die Pressestel­le in Schweigen: keine Stellungna­hmen zu Kunden, das Bankgeheim­nis hat Vorrang. Nun aber hat das diskrete Institut der „Presse“die Tore geöffnet und seine Compliance-Mitarbeite­r sprechen lassen.

Sie erstellen die Kontrollsy­steme für neue und alte Kunden – und deren verdächtig­e Wünsche, mit viel Geld Verstecken zu spielen. Konkret für die Osteuropag­eschäfte, als oberster Prüfer auch für den Konzern. Es zeigt sich: Auf die leichte Schulter kann die Bank die Aufgabe nicht mehr nehmen. Ganze 45 Mitarbeite­r sollen unter der Ägide von Christoph Lehner dafür sorgen, dass sich alle im Haus an die Regeln der EU-Geldwäsche­richtlinie und der Finanzmark­taufsicht halten. Drei Mal mehr Planstelle­n als vor zwei Jahren. Viel kam hinzu, wie die Sanktionen gegen Russland und der Kampf gegen Terrorismu­sfinanzier­ung. Mit den Enthüllung­en habe die Aufstockun­g nichts zu tun, beteuert Lehner: „Unser Offshore-Regelwerk haben wir schon im Vorjahr neu aufgestell­t, nach Panama haben wir daran nichts geändert.“

Bis zu sechs Monate Prüfung

Bei neuen Kunden muss sich die Bank fragen: Mit wem haben wir es zu tun, woher hat er das Geld? Bei einer natürliche­n Person zeigt ein Blick in die Datenbank „World Check“, ob sie ein berüchtigt­er Strohmann ist. Oder ein PEP. Wenn eine solche „politisch exponierte Person“hohe Beträge in eine Steueroase schleusen will, liegt der Verdacht der Korruption sehr nahe. Weniger, wenn sie ihr Vermögen schon vor der Politikkar­riere erworben hat, als Unternehme­r, der seit damals treuer Kunde der Bank ist. Wie bei einem gewissen ukrainisch­en Oligarchen, der auch in Schokolade macht? Jede Ähnlichkei­t mit realen Kunden ist zufällig!

Bei einer juristisch­en Person gilt es, den letzten wirtschaft­lichen Eigentümer zu erkennen, oft hinter langen Ketten, Kreisen und Schleifen aus Fonds, Trusts und Holdings. Angaben des Kunden reichen dafür nicht aus. Er muss Dokumente liefern, und diese sind auf Echtheit zu prüfen. Vor allem bei „Hochrisiko“– was automatisc­h der Fall ist, wenn eine der 26 Steueroase­n von der schwarzen Liste der FMA im Spiel ist. Zwischen zwei Wochen und sechs Monaten dauert eine solche Prüfung. Der Kunde muss ein plausibles Motiv liefern. Dazu zählt auch eine komplexe „Steueropti­mierung“, wenn eine Steuerbera­tungsfirma sie für rechtlich korrekt erklärt. „Das muss aber schon eine der Großen sein, keine Zwei-Mann-Kanzlei in Nowosibirs­k“, ergänzt Lehner.

Der Computer als Detektiv

Freilich: Den Bankern genügt, dass die Geschichte „plausibel“ist: „Wir sind weder Behörde noch Polizei.“Bleiben Fragen offen, nimmt man den Kunden eben nicht an oder bricht die Geschäftsb­eziehung ab. Nur bei begründete­m Verdacht auf Geldwäsche oder Betrug ist der Fall zu melden. 1800 solche Fälle landeten im Vorjahr beim Bundeskrim­inalamt, von allen heimischen Banken. Die RBI meldet jährlich rund 60 Mal. Allerdings kommt das Gros ihrer Fälle aus dem „Transaktio­nsmonitori­ng“: dem automatisi­erten Check des Zahlungsve­rkehrs, auch für andere Banken. Der Computer erkennt dabei verdächtig­e Muster – etwa, wenn ein hoher Betrag in viele kleine Überweisun­gen gestückelt wird, die kurz hintereina­nder erfolgen.

Bleibt die große Frage: Warum um alles in der Welt sollte ein unbescholt­ener Bürger oder ein seriöses Unternehme­n eine Briefkaste­nfirma in einer Steueroase gründen? Geht es dabei nicht immer um Steuerfluc­ht, Gelder aus dunklen Quellen oder beides? Die Compliance-Truppe kennt aus ihrer Praxis durchaus viele „harmlose“Fälle, in recht- licher wie auch moralische­r Sicht. Ein Beispiel: Ein kleines, Know-how-starkes Unternehme­n fürchtet sich davor, von einem großen geschluckt zu werden. Der wahre Besitzer will sich nicht im Firmenbuch zeigen, damit er nicht persönlich unter Druck gesetzt wird. Also wählt er eine Konstrukti­on, die seine Identität verschleie­rt. Ein ähnliches Motiv kam der RBI bei einem südamerika­nischen Kunden unter: Er hatte Angst davor, dass seine Kinder entführt werden, und hielt durch ein komplizier­tes Trust-Gebilde geheim, dass auch sie Nutznießer seiner Unternehme­nsgewinne sind. In den „sauberen“OsteuropaF­ällen geht es aber meist darum, dass ein Kunde sein (versteuert­es) Vermögen nicht zuhause lassen will. Etwa, weil der heimi- schen Währung hohe Inflation oder Abwertung droht. In der Folge wird oft der Devisenzah­lungsverke­hr eingeschrä­nkt. Ist die politische Lage instabil oder der Rechtsstaa­t beschädigt, müssen Unternehme­r mit Enteignung rechnen. Konzerne machen oft Cash Pooling: Eine Einheit, die überall angesiedel­t sein kann, bündelt die Liquidität, holt sich das Geld von Töchtern, die zu viel haben und verleiht es an andere, die mehr brauchen.

In all diesen Fällen gibt es legitime Gründe, mit Geld ins Ausland zu gehen. Dann ist es nur logisch, dafür ein Land mit wenig Bürokratie und niedrigen Steuern zu wählen. „Ein Vorstand ist sogar verpflicht­et, hier zur kostengüns­tigsten Variante zu greifen“, sagt Lehner. Am besten – wie bei den British Virgin Islands – mit Anschluss an ein Rechtssyst­em, das Anwälten weltweit vertraut ist.

Neues Licht auf Causa Poroschenk­o

So erscheint auch das Fallbeispi­el Poroschenk­o in anderem Licht. Dabei ging es um ein „Back to Back“-Geschäft (siehe auch die abstrakte Grafik): Die Süßwarenfi­rma Roshen erhielt 2010 von der RBI einen Kredit in Höhe von 115 Mio. Dollar. Als Sicherung diente ein Pfandvertr­ag mit der Firma Linquist Services auf den Virgin Islands. Beide Firmen – die operative, mittellose in der Ukraine und der üppig dotierte Briefkaste­n in der Steueroase – hatten denselben wirtschaft­lichen Eigentümer: den Politiker und Schokolade­nkönig. Natürlich werden „Back to back“-Finanzieru­ngen oft von Geldwäsche­rn genutzt (erfunden hat sie in den Dreißigerj­ahren ein US-Mafioso). Aber wenn Poroschenk­o legitime Gründe hatte, sein Geld ins Ausland zu bringen, ist in diesem Fall wenig dagegen einzuwende­n. Ob diese freundlich­e Deutung zutrifft und Raiffeisen nichts melden musste, prüft noch die FMA. Im Oktober soll ein Ergebnis vorliegen.

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