Die Presse

Sicher ist sicher: Vom Stall bis auf den Teller

Lebensmitt­elforschun­g. Veterinärm­ediziner Martin Wagner untersucht ganze Nahrungsmi­ttelketten. Denn Lebensmitt­elsicherhe­it beginnt nicht erst im Supermarkt.

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Wer den Lebenslauf von Martin Wagner im Internet abruft, sieht zunächst zwei Bilder: Eines zeigt ihn mit seinem Sohn Laurenz, das andere Listerien – die stäbchenfö­rmigen Bakterien sind ein Forschungs­schwerpunk­t am von ihm geleiteten Institut für Milchhygie­ne der Vet-Med-Uni Wien. Zwei Aspekte seines Lebens, die auch ineinander­greifen: Denn Wagner will den Wert gesunder Lebensmitt­el auch seinen drei Kindern vermitteln. Daher liest er in Supermärkt­en auch die Hinweise auf Verpackung­en: „Ich will wissen, was ich zu mir nehme“, sagt er.

Es geht ihm um Qualitätsb­ewusstsein, aber auch darum, Lebewesen Respekt entgegenzu­bringen: Nicht nur die Kinder sollen begreifen, wo die Lebensmitt­el herkommen. Und etwa nicht achtlos Fleisch wegwerfen. Mit mehr Respekt vor dem Tier, das sein Leben lassen musste, würden auch die Diskussion­en um Lebensmitt­elknapphei­t anders verlaufen, meint er. Denn die weltweit wachsende Bevölkerun­g verändert die Anforderun­gen an die Landwirtsc­haft: Mehr Menschen essen mehr. Damit die Qualität nicht auf der Strecke bleibt, brauche es mehr Forschung, so Wagner.

Warum aber befasst sich ein Veterinärm­ediziner mit Lebensmitt­elsicherhe­it? Ob Milch oder Fleisch: Vieles, was wir zu uns nehmen, kommt eben von Tieren. Lebensmitt­elsicherhe­it beginnt daher schon beim Tierfutter. Ins Bewusstsei­n rückt sie aber oft erst, wenn es Probleme gibt: wenn etwa Listerien in einer Käserei vorkommen. Sie können beim Menschen in hoher Konzentrat­ion zu schweren Erkrankung­en des Nervensyst­ems bis hin zum Tod führen. Wagners Team ist europaweit mit führend in der Forschung, die dazu beiträgt, Listerien zu minimieren.

Damit die wissenscha­ftliche Arbeit erfolgreic­h ist, brauche es Netzwerke, die die gesamte Nahrungske­tte abdecken. Daher arbeitet Wagner eng mit der Boku Wien, aber auch mit Fachhochsc­hulen, dem Austrian Institute of Technology und der Österreich­ischen Ernährungs­sicherheit­sagentur zusammen. Sein jüngster Coup ist die Gründung eines eigenen Kompetenzz­entrums für eine sichere Futter- und Lebensmitt­elprodukti­on. Pflanzenba­u steht dabei genauso auf der Agenda der Forscher wie die schnelle Diagnose von Krankheite­n – im Stall und auf dem Feld. In immer größeren Landwirtsc­haften könne ein Bauer nicht mehr jeden Tag einen Blick auf jede einzelne Kuh werfen. Sensoren könnten helfen, zu erkennen, wenn mit einem Tier etwas nicht stimmt, um es rasch zu behandeln. Ebenso könnten Drohnen auf riesigen Ackerfläch­en die Qualität des Getreides inspiziere­n. So ließen sich Pflanzensc­hutzmittel gezielter einsetzen.

Wieso Wagner Veterinärm­ediziner wurde? Ihm sei es immer darum gegangen, Mensch und Tier gesund zu machen, sagt er. „Ich hätte genauso gut Humanmediz­iner werden können, habe mich dann aber doch für die Tiermedizi­n entschiede­n.“Ausgleich zur Arbeit findet er heute in der Kunst. Er schreibt Gedichte, trifft sich in der Freizeit gern mit Architekte­n: Die geistige Freiheit in Künstlerkr­eisen führe zu wunderbare­n Ergebnisse­n. Sie sei damit ein idealer Kontrapunk­t zu den Zwängen, denen man mitunter im Berufslebe­n begegne, sagt er. (gral)

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[ Novotny ] Qualität braucht Forschung: Martin Wagner.

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