Keksverkostung in Kermanshah
Iran. Ein Volk mit jahrtausendealter und feinsinniger Kultur hofft nach langer Zeit der Isolation auf Öffnung. Starke Kontraste prägen Land und Leute, während ein herzlicher Umgang im Alltag dominiert. Einblicke in den iranischen Alltag.
Auf den Stufen des Bab¯a-¯Taher-¯Mausoleums in Hamadan steht ein Grüppchen von Teenager-Mädchen in blauer Schuluniform. Schulausflug zum großen persischen Dichter, denk ich mir. Immer mehr Blicke heften sich auf uns zwei weiße Besucher. Es ist eine immer wiederkehrende Erfahrung aus den vergangenen Tagen – die Mädels zögern noch, tuscheln, positionieren die Smartphones. Dann fassen sich zwei ein Herz, nähern sich meinem Mann und wollen ein Foto mit ihm. Er wird umringt wie ein Star – und klick. Noch ein weiteres Handy – klick. Starfeeling im Iran.
Ich drücke mich hinter der Sonnenbrille verborgen am Geschehen vorbei. Kann schon anstrengend sein, der Fotorummel. Nach dem Shooting kommt ein Mädchen auf mich zu. Es hat eine Geldbörse in der Hand, fragt mich etwas, sieht mich fragend an. Ich verstehe nicht, was sie will. Hossein, unser Reiseleiter, übersetzt: Sie fragt, was das Foto mit meinem Mann kostet, wie viel sie mir schuldet. Sie will uns etwas zahlen! Dafür, mit einem Europäer auf dem Foto zu sein. Ich bin er- nüchtert und beschämt. Seit der Ankunft in Teheran vor rund einer Woche bleibt das Verhältnis der Iraner zum Westen ein Rätsel – die Menschen zeigen eine außergewöhnliche Liebenswürdigkeit. Dabei haben mir die heimischen Medien für den Iran „Gefahr“suggeriert. Tatsächlich ist die geografische Lage des Landes seit jeher eine hoch sensible, zumindest aus europäischer Sicht. Vor allem die britische Imperialmacht wollte den Seeweg und die wichtigen Handelsrouten insbesondere nach Indien unter Kontrolle behalten.
Als um 1908 in Persien das Erdöl für kommerzielle Zwecke entdeckt und durch die Briten gefördert wird, entwickelt sich das „lodernde Feuer“zum Fluch und Segen der Iraner. Wichtige Konzessionen wie Fischereirechte und Bankenbetrieb waren an den Westen vergeben worden, weil das Land nicht über das nötige Know-how verfügte und oft zum eigenen Nachteil verhandelte. Schließlich schlug das schwarze Gold aus der Provinz Abadan am Schatt el-Arab im 20. Jahrhundert ein hochkomplexes Kapitel der Weltgeschichte auf.
Von den Mädels aus der Provinz Hamadan, die hier im weitläufigen Gelände des Mausoleums zu Füßen des Dreitausenders Alvand stehen, dessen Schneegipfel wir vom Meidan-e-Imam-Platz aus gesehen haben, werden sich vermutlich einige die Nasen operieren lassen. Und ihre verkleinerten und begradigten Nasen werden wohl bald an den Auslagen der Juweliergeschäfte kleben – wie wir es auf dem Herweg oft beobachten konnten. Keine Hochzeit ohne Goldschmuck, haben wir erfahren. Hochzeiten sind oft arrangiert, immer teuer und nicht nur nach Scheidungen sitzen viele Männer verschuldet im Gefängnis, weil sie den Frauen die vereinbarte Mitgift nicht auszahlen können.
Berühmt und „nackt“
Viele vor allem junge Menschen haben uns auf der Straße gegrüßt, als wir zum Dichterdenkmal herspaziert sind: „Hello! Welcome to Iran!“Bab¯a¯ Tahers¯ Beinamen war Oryan,¯ der Nackte. Der berühmte Nackte? „Nackt“steht für „arm“, erzählt mir beim spontanen Teeplausch in Kermanshah Roja, Persisch für Traum, eine ausgewanderte Iranerin, die zum Familienurlaub in ihre Heimatstadt zurückgekehrt ist. „Bab¯a¯ Taher¯ war ein wandernder Derwisch, manchen sagen Sufi, ein Mystiker