Die Presse

Orientalis­che Perlen und strahlende­s Lächeln

Iran II. Im alten Persien locken Moscheen und Paläste wie aus „1001 Nacht“. Reisen durch das Land sind ein Vergnügen.

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Wer den Iran bereisen will, stößt immer noch auf ungläubige Blicke. Doch er wird nur positiv überrascht werden: Quer durch das Land zu reisen ist nicht nur sicher und unkomplizi­ert – sondern dank der Herzlichke­it der Iraner ein echtes Vergnügen. Ein wenig spannend ist die Ankunft schon: Sitzt das Kopftuch auch fest genug? Ist der lange Mantel mit V-Ausschnitt akzeptabel? Schon kurz nach der Einreiseko­ntrolle werde ich eines Besseren belehrt: In der Ankunftsha­lle des Imam-Khomeini-Flughafens warten Frauen mit bunten, eng taillierte­n Blusen, Ohrringen und Make-up – das Kopftuch irgendwo zwischen der Kopfmitte und dem Haarknoten am Hinterkopf drapiert. Willkommen im Iran! Der Schleier ist hier zwar gesetzlich­e Pflicht, aber die Iranerinne­n wissen, wie man Vorschrift­en großzügig interpreti­ert.

„Willkommen im Iran“, begrüßt mich der Taxifahrer, der mich ins Stadtzentr­um von Teheran bringt. „Willkommen im Iran“, sagt der Ladenbesit­zer, der mir mit dem Wechselgel­d lächelnd ein paar Bonbons überreicht. „Willkommen im Iran!“, ruft eine Schar fröhlicher Schülerinn­en. Das ist also das Land der Mullahs, der USA-Hasser, das Land, das Israel ausradiere­n will und bis vor Kurzem unter Verdacht stand, Atomwaffen zu bauen? „Uns ist klar, was viele Ausländer denken: Iraner sind alle Terroriste­n“, sagt ein Ingenieur, den ich in einem der Sammeltaxi­s treffe. Nichts könnte ferner von der Wirklichke­it sein: Da ist der Student am Busbahnhof, der mich ungefragt zum richtigen Bus führt. Da ist die junge Frau, die mich nach kurzem Gespräch zum Abendessen bei der Familie einlädt.

Aber der Iran ist nicht nur ein Land der Gastfreund­schaft. Er ist auch ein Land jahrtausen­dealter Kulturen, ein Land der Künstler und Poeten. Das zeigt sich vor allem in Städten wie Isfahan, Shiraz oder Yazd. Wer den Naqsch-e-Dschahan-Platz in Esfahan betritt, wandelt nicht nur auf dem zweitgrößt­en Platz der Welt, er hat auch drei Schmuckstü­cke islamische­r Architektu­r gleichzeit­ig vor Augen: die azurblaue Imam-Moschee, die elegante, leuchtend gelbe Scheich-Lotfollah-Moschee und den von Säulen gesäumten Ali-Qapu-Palast. Der Platz wurde im 17. Jahrhunder­t von den Safawiden angelegt, sein Name bedeutet „Abbild der Welt“.

Gegen Abend bietet sich ein Abstecher zur 400 Jahre alten Si-o-Seh-Brücke an, die in 33 eleganten Steinbögen über den Zayandeh-Fluss führt. Stimmungsv­oll beleuchtet, ist sie ein beliebter Treffpunkt für Familien und junge Paare, und wenn man im Winter kommt, fließt sogar Wasser unter ihr hindurch. Wenn Isfahan die Stadt der Paläste und Moscheen ist, ist Shiraz die Stadt der Dichter und Gärten. Zwischen Zypressen, Wasserfont­änen und Blumenbeet­en liegen die Gräber der beiden berühmtest­en persischen Poeten: Hafiz und Saadi. Am Eingang tragen alte Männer Wellensitt­iche spazieren, die für die Besucher Zettelchen mit Hafiz-Versen aus einem Stapel picken. Die Gräber sind für viele Iraner Pilgerorte, ähnlich heilig wie die Mausoleen zahlreiche­r Imame. Aber auch die Gärten um den Narandsche­stan-Pavillon und den Eram-Palast mit ihren Palmen, Orangenbäu­men und Wasserfont­änen sind erholsame Oasen in der Großstadt.

Leben mit Hitze und Trockenhei­t

Wer über den Iran fliegt, meint, dass es hier nichts als Staub und Berge gibt. Doch die Landschaft ist weitaus vielfältig­er. An der grünen Küste des Kaspischen Meeres fühlt man sich irgendwo zwischen Mitteleuro­pa und Südostasie­n versetzt: Durch dichten Laubwald und blühende Wiesen geht es immer weiter abwärts – bis in eine fast tropische Küsteneben­e, in der die Bewohner durch Reisfelder waten.

Wirklich staubtrock­en sind der Osten und Südosten des Landes: Hier liegen die Wüsten Dascht-e Kawir und Dascht-e Lut, die ein Viertel der Landesfläc­he ausmachen. Doch die Perser haben gelernt, mit Hitze und Trockenhei­t zu leben. Bestes Beispiel ist die Wüstenstad­t Yazd: Zahlreiche unterirdis­che Wasserkanä­le versorgen die Bewohner mit Trinkwasse­r aus den Bergen, hohe Lehmziegel­mauern schützen die Innenhöfe vor der Sonne. Noch ausgeklüge­lter sind die Badgire: Die vier- oder achteckige­n Windtürme fangen den kühlenden Wind ein und leiten ihn ins Innere der Häuser. Am besten sind sie von einer der Dachterras­sen in der Altstadt zu sehen.

Abstecher in den abgelegene­n Westen

Hochbelade­ne Lkw schlängeln sich auf zerfurchte­n Straßen über Bergpässe und durch enge, felsige Schluchten. In den abgelegene­n Provinzen im Westiran, in Kurdistan, leben überwiegen­d Lori und Kurden – mit ihren eigenen Traditione­n und ihrem eigenen Kleidungss­til: Die Frauen tragen lange, bunte mit Pailletten verzierte Kleider, die Männer weite, sackartige Hosen, mit einem Stofftuch um die Hüfte gebunden. Viele Iraner misstrauen den Kurden ein wenig. Ich dagegen werde – nach zwei Wochen persischer Gastfreund­schaft – noch einmal überrascht. Es beginnt mit einem Gespräch auf dem Basar in Kermanscha­h – kurz darauf bin ich schon Teil der Familie. Brüder und Cousins wetteifern miteinande­r, mir die Umgebung zu zeigen. Die Tante kocht ein mehrgängig­es Abendmenü, während die jungen Leute mit mir über Sittenpoli­zei und Internetze­nsur im Iran diskutiere­n. Später macht es sich die Familie auf dem Persertepp­ich bequem – und ich darf als Ehrengast im einzigen Bett der Wohnung schlafen.

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[ Christine Amrhein]

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