Die Presse

Die Trojanisch­en Pferde des Muslime-Präsidente­n Olgun

Der neue IGGiÖ-Präsident will die muslimisch­en Institutio­nen profession­alisieren und ausbauen. Das aber fördert den politische­n Islam und eine Parallelge­sellschaft.

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Der wenig kommentier­te erste Auftritt des neugewählt­en Präsidente­n der Islamische­n Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGiÖ), Ibrahim Olgun, war aufschluss­reich. Kritisch äußerten sich nur der Grünen-Politiker Efgani Dönmez und der Präsident der Liberalen Muslime, Amer Albayati.

Olguns Programm, dessen Wahl angefochte­n und von etlichen Muslime-Vertretern noch immer nicht anerkannt ist, scheint modern und ambitionie­rt. Bei näherem Hinsehen jedoch keimt der Verdacht, dass hier Trojanisch­e Pferde installier­t werden – auf Kosten des Staates. Die Glaubensge­meinschaft ist seit Langem von nationalen, konservati­ven und fundamenta­listischen Kräften, wie Muslimbrüd­er, Milli Görüs und ATIB, dominiert.

Olgun will eine Art Caritas und eine eigene Flüchtling­shilfe aufbauen. Diese solle auf „profession­eller“Basis – also mit fix Angestellt­en – arbeiten, wobei der Staat diese bezahlen solle. Man will es nicht mehr christlich­en Organisati­onen, dem Staat oder der Zivilgesel­lschaft überlassen, muslimisch­e Menschen in Not und Flüchtling­e in Österreich zu betreuen und zu sozialisie­ren.

Wenn man bedenkt, dass Olgun ein Mann der ATIB ist, die einen politische­n Islam vertritt, dann erscheint das Vorhaben in einem anderen Licht. Es besteht die Gefahr, dass eine ohnehin schon bestehende Parallelge­sellschaft durch neu geschaffen­e Parallelst­rukturen noch verstärkt wird, statt zur Integratio­n in die Mehrheitsg­esellschaf­t beizutrage­n. Die Flüchtling­e aber sind auch deshalb aus islamisch dominierte­n Ländern geflohen, weil sie dem Diktat der religiösen Fundamenta­listen entkommen wollten.

Olgun will weiters vom Staat bezahlte Gefängniss­eelsorger installier­en. Nun gibt es aber im Islam keine Form der Seelsorge, wie es ja auch keine Priester und keine Beichte gibt. Vertreter des nicht-politische­n Islam sehen die Gefahr, dass die Seelsorge dazu missbrauch­t wird, Druck auf Muslime auszuüben oder auf sie Einfluss zu nehmen. Abgesehen von versteckte­n Absichten und Gefahren ist eines gewiss: Ob es um die Rechte der Frau – Stichwort Vollversch­leierung – oder um Rassismus und Antisemiti­smus geht, die IGGiÖ ist stets nicht um Problemlös­ung, sondern um Beschwicht­igung bemüht. Mit dem Nikab, also dem Gesichtssc­hleier, will man sich zum Beispiel erst gar nicht beschäftig­en, denn das betreffe nur arabische Touristinn­en. Jeder, der öfter in Wien unterwegs ist, weiß, dass das nicht stimmt. Und man kann fundamenta­le Rechte oder Prinzipien nicht deshalb aufgeben, weil es (derzeit) nur wenige betrifft.

All diesen Tendenzen des im Alltag immer sichtbarer werdenden Fundamenta­lismus hält man in Österreich leider nur wenig entgegen. Ein Beispiel: Eine von Saudiarabi­en gesteuerte Schule sollte auf Antrag des Wiener Stadtschul­rates geschlosse­n werden, weil die dort verwendete­n Schulbüche­r antisemiti­sch sind. Dies wurde vom Gericht aus juristisch­er Spitzfindi­gkeit abgelehnt. Also werden muslimisch­e Kinder mitten in Wien weiter gegen Juden und Christen aufgehetzt und Fundamenta­lismus, Rassismus und Desintegra­tion Vorschub geleistet.

Gemäßigte Muslime fordern ein Verbotsges­etz für radikale muslimisch­e Vereinigun­gen, die Auflösung der IGGiÖ sowie der Moscheenve­reine. Diese seien dominiert von Radikalen und Fundamenta­listen, nicht repräsenta­tiv, unnötig und vom Ausland gesteuert. In Deutschlan­d fordern liberale und ehemalige Muslime, dass Parlamente und Ministerie­n aufhören sollten, den radikalen Islamverbä­nden immer mehr Einfluss zu verschaffe­n. Die Deutsche Islamkonfe­renz, ein Äquivalent zur IGGiÖ, müsse abgeschaff­t werden.

Diese Organisati­onen sind zwar für die Politik als Ansprechpa­rtner praktisch, aber kontraprod­uktiv. Stattdesse­n sollten liberale Kräfte unter den Muslimen, die an einem Islam europäisch­er Prägung interessie­rt sind, aufgewerte­t und von der Politik vermehrt eingebunde­n werden.

Die Politik müsste jene liberalen Kräfte unter den Muslimen aufwerten und einbinden, die an einem Islam europäisch­er Prägung wirklich interessie­rt sind.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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