Rom: Belcanto beherrscht alle Lebenslagen
Das Orchester der heiligen Cäcilie brachte unter Antonio Pappano alle Instrumente zum Singen.
Mit breit gefächertem Programm präsentierte sich das Orchester der Accademia di Santa Cecilia aus Rom im Wiener Musikverein. Nach einem mehrheitlich Tschaikowsky gewidmeten Abend begleitete man Rudolf Buchbinder bei einem Beethoven-Konzert und spielte Französisches. Doch begann jeder der Abende mit einer Rossini-Ouvertüre. Das war klug gewählt. Schon die „Cenerentola“-Sinfonia zu Beginn des ersten Abends ließ hören, zu welchem Rang sich das Orchester unter Pappanos Führung entwickelt hat. Bereits die einleitende Phrase der Bässe war tatsächlich eine Phrase, gesanglich artikuliert, geschmeidig absolviert. Wie das Klarinettenduo aus dem ersten Fortissimo-Schlag herauswuchs, darf als kleines Kabinettstück gewertet werden – dem solistisch wie im kammermusikalischen Zusammenspiel Weiteres folgen sollte. Rossinis Musik: ein aus dem Geist des Gesangs geborenes Pointenfeuerwerk, noch dazu von einem ausreichend groß besetzten Orchester dargeboten.
Das Pianissimo-Paradox
Das scheinbare Paradoxon, dass sich auch ein Pianissimo klangschöner und effektvoller realisieren lässt, wenn es von einer möglichst großen Streicherbesetzung hervorgebracht wird, strafte alle derzeit modischen Versuche, mit lachhaft miniaturisierten Orchesterbesetzungen in großen Sälen reüssieren zu wollen, Lügen.
Dass Pappano nicht nur ein bedeutender Orchestererzieher ist, sondern vor allem auch der geborene, an zahllosen Opernvorstellungen geschulte Begleiter, der nicht nur den Virtuosen in den eigenen Reihen zuzuhören versteht, erwies sich spätestens bei Tschaikowksys Violinkonzert. Gil Shaham benahm sich wie eine Opernprimadonna, konnte aber nicht einmal mit ausufernden Rubati den Maestro aus dem Gleichgewicht bringen: Das Orchester antwortete stets im goldrichtigen Moment und trug die so freizügig absolvierten Violinkantilenen willig und klangschön. Klangschöner als diese selbst über die Rampe kamen, denn Shaham pflegt einen vergleichsweise scharfen, jedenfalls niemals warmen Geigenton. Dafür artikuliert er mit Temperament und höchster Expressivität. Das sorgt für Jubel, der wiederum mit Bach belohnt wurde.