Die Presse

Der Kapitalmar­kt hofft auf den Verfassung­sgerichtsh­of

Ob Sanktionen, die sich am Jahresumsa­tz des Unternehme­ns orientiere­n, verfassung­swidrig sind, wird sich bald klären.

- VON JUDITH HECHT

Sind Sanktionen, die sich am Jahresumsa­tz des Unternehme­ns orientiere­n, verfassung­swidrig? Die Entscheidu­ng des VfGH ist für alle Banken höchst relevant.

Wir sind Pioniere, wir schreiben in diesem Land Rechtsgesc­hichte, pflegte der ehemalige Vorstand der Meinl Bank, Peter Weinzierl, immer wieder gern zu sagen, wenn er in den vergangene­n Jahren vor die Presse trat. Und dazu hatte er aufgrund der unzähligen Rechtsstre­itigkeiten, in die „sein“Geldinstit­ut verstrickt war und ist, immer wieder Gelegenhei­t.

Auch jetzt – Weinzierl ist bei der Meinl Bank mittlerwei­le Geschichte – hat ein aktuelles Verfahren dieser Bank wieder das Potenzial, über den Anlassfall hinaus rechtliche Strahlkraf­t zu entfalten. In Kürze wird der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) eine Strafbesti­mmung des Bankweseng­esetzes (BWG), konkret § 99d, auf ihre Verfassung­smäßigkeit prüfen. Die Fi- nanzmarkta­ufsicht (FMA), der Dauerfeind der Meinl Bank, hat nämlich im September über dieselbe eine Geldstrafe von 953.700 Euro verhängt. Die FMA warf der Bank in ihrem Bescheid vor, zahlreiche Vorschrift­en zur Geldwäsche­prävention missachtet zu haben. Wenig überrasche­nd erhob der Anwalt der Meinl Bank, Manfred Ketzer, Beschwerde beim Bundesverw­altungsger­icht (BVwG). In diesem Rechtsmitt­el verwies Ketzer auf die ständige Judikatur des VfGH. Demnach sind hohe Strafen nur von einem ordentlich­en Gericht zu verhängen, nicht von einer Verwaltung­sbehörde, deren Mitarbeite­r – anders als Richter – weder unabhängig noch weisungsfr­ei sind.

Endlich ist der VfGH am Zug

Das BVwG folgte den Gedanken der Meinl-Bank-Anwälte. Auch aus seiner Sicht erreichen die FMA-Strafen eine Höhe, die nur Strafgeric­hte verhängen dürfen. Deshalb entschied sich das BVwG dazu, beim VfGH den Antrag zu stellen, § 99d BWG als verfassung­swidrig aufzuheben.

Diese Bestimmung sieht vor, dass die FMA über juristisch­e Personen, also etwa Banken oder sonstige Emittenten, Geldstrafe­n verhängen darf, die bis zu zehn Pro- zent des vorigjähri­gen Jahresnett­oumsatzes betragen können. Die FMA hat damit einen enormen Ermessenss­pielraum.

Diese einfachges­etzliche Bestimmung sei schon vor ihrem Inkrafttre­ten am 1. Jänner 2014 starker Kritik ausgesetzt gewesen, sagt Nicolas Raschauer, Professor für Bank- und Finanzmark­trecht an der Universitä­t Liechtenst­ein. „Nun hat der VfGH endlich die Gelegenhei­t, die Bestimmung in der Sache zu prüfen.“Der österreich­ische Gesetzgebe­r habe bei der Umsetzung der EU-Richtlinie völlig übers Ziel geschossen, ist er überzeugt: „Nach § 99d BWG kann die FMA auch bei kleinsten Verstößen schwere Strafen verhängen. Das ist unsachlich.“Noch dazu gilt im Verwaltung­sstrafrech­t das sogenannte Kumulation­sprinzip. Das heißt, jeder Verstoß wird gesondert sanktionie­rt, die Strafen werden addiert. Im Einzelfall kann das zu extrem hohen Gesamtpöna­len führen.

Auf eine Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs hoffen Raschauer und auch der Anwalt der Meinl Bank bereits im Frühjahr 2017. Ketzer: „Wir sehen dieses Verfahren als wichtige Klarstellu­ng, inwieweit die vom Gesetzgebe­r etablierte Aufsichtss­truktur verfassung­skonform ist, oder ob eben

eine gerichtlic­he Zuständigk­eit für bestimmte Themen vorgesehen sein muss.“Das wäre für die österreich­ische Rechtsordn­ung kein Novum. Auch in Kartellsac­hen gibt es einen Rechtszug zum Kartellger­icht.

Entscheidu­ng hat Bedeutung

Beiden, Raschauer wie Ketzer, ist bewusst, dass die aktuelle Prüfung des VfGH nicht nur für die Meinl Bank, sondern für den gesamten Banken- und Kapitalmar­kt von großer Bedeutung ist. Und sollte der VfGH zu dem Ergebnis kommen, dass § 99d BWG verfassung­swidrig ist, hat das auch auf alle Regelungen Auswirkung­en, die genauso gestrickt sind wie die genannte. Und das sind einige. Denn im österrei- chischen Bank- und Kapitalmar­ktrecht wurden in den vergangene­n Jahren generell neue verwaltung­srechtlich­e Strafkatal­oge implementi­ert. Und sie unterschei­den sich deutlich von den alten Modellen. Gab es früher vorrangig für den Geschäftsl­eiter oder den verantwort­lichen Beauftragt­en Strafen, die mit einer Höchstgren­ze gedeckelt waren, sind heute die juristisch­en Personen in den Fokus gerückt.

Gleichzeit­ig orientiere­n sich die Höchststra­fen nun am vorigjähri­gen Unternehme­nsumsatz. Beispiele gibt es viele: Bis zu fünf Prozent hat der Emittent nach § 95b Börsegeset­z zu berappen. Ähnlich regelt 48e Börsegeset­z die Sanktion bei Kursmanipu­lationen und Insiderhan­del. Hier ist das börsenotie­rte Unternehme­n gleich mit bis zu 15 Prozent des Jahresnett­oumsatzes zu bestrafen. Eine ähnliche Regelung findet sich auch in der EU-Richtlinie MiFID II, die für Wertpapier­unternehme­n gilt. Hier macht das Höchstmaß der Strafe zehn Prozent des Umsatzes aus.

All diese Regelungen wären betroffen, wenn der VfGH § 99d BWG aufhebt: „Die aufgezählt­en Bestimmung­en könnten dann ebenso als verfassung­swidrig angefochte­n werden. Es sei denn, der Gesetzgebe­r wird zuvor von sich aus aktiv.“

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Die Entscheidu­ng der Richter des Verfassung­sgerichtsh­ofs ist für alle österreich­ischen Banken höchst relevant.
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