Die Presse

Ein Jihadist als Maulwurf im Nachrichte­ndienst

Deutschlan­d. Der Verfassung­sschutz stellte im April einen Quereinste­iger ein, der die islamistis­che Szene überwachen sollte. Wie sich herausstel­lte, war der Mann selbst Teil dieser Szene. Die Politik fragt sich nun: Wie konnte das passieren?

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Berlin. Vor einigen Wochen trafen sich zwei Islamisten zu einem Gespräch im Internet. Man tauschte sich aus und zog über das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) her, den deutschen Inlandsgeh­eimdienst, der die islamistis­che Szene beobachtet. Die Männer verwendete­n fiktive Chatnamen – in Wirklichke­it waren sie Kollegen: Der eine arbeitete als V-Mann des Verfassung­sschutzes in der Islamisten­szene, der andere als V-Mann der Islamisten­szene beim Verfassung­sschutz.

Irgendwann in diesem Chat begann Letzterer, ein 51-jähriger deutscher Staatsbürg­er, mit seinem Job zu prahlen. Er gab Details zu Einsätzen preis und breitete seine Pläne aus: Er wolle Gleichgesi­nnte in die BfV-Zentrale in Köln einschleus­en, damit sie „eine Gewalttat gegen Ungläubige“verüben könnten. Dies wäre „sicher im Sinn Allahs“. Der Kollege wurde hellhörig und schlug Alarm. Mittlerwei­le sitzt der islamistis­che Maulwurf in Untersuchu­ngshaft. Die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf ermittelt wegen Vorbereitu­ng einer staatsgefä­hrdenden Straftat und der Verletzung von Dienstgehe­imnissen.

Keine konkreten Anschlagsp­läne

Der Mann, ein vierfacher Familienva­ter und ehemaliger Bankangest­ellter, war erst im April vom Verfassung­sschutz eingestell­t worden. Er sollte die islamistis­che Szene in Deutschlan­d observiere­n. Ein Quereinste­iger, der – wie es im BfV heißt – unauffälli­g gewesen sei und im Dienst einen guten Job gemacht habe. Dabei dürfte er allerdings auch akribisch Informatio­nen gesammelt haben. Bei einer Hausdurchs­uchung wurden Datenträge­r sichergest­ellt. Inzwischen hat der gebürtige Spanier auch ein Teilgestän­dnis abgelegt: Er habe den Inlandsgeh­eimdienst infil- trieren wollen, um Glaubensbr­üder warnen zu können. Hinweise auf konkrete Anschlagsp­läne fanden die Ermittler vorerst nicht.

Es war nicht das erste Mal, dass Extremiste­n versuchten, den Inlandsgeh­eimdienst zu unterwande­rn. Erst im Februar war bekannt geworden, dass sich auf eine Stellenaus­schreibung zwei Rechtsradi­kale, ein Linksradik­aler und ein Mitarbeite­r des russischen Geheimdien­stes beworben hatten. Alle flogen auf, weil sie in der nachrichte­ndienstlic­hen Datenbank (Nadis) erfasst waren.

Im aktuellen Fall griffen die Sicherheit­ssysteme nicht. Die Behörde wirkte am Mittwoch ratlos: „Wir werden diesen Vorgang aufarbeite­n, um zu sehen, was wir daraus lernen können“, sagte Präsident Hans-Georg Maaßen. Immer wieder seien Bewerber durchgefal­len, weil man den Eindruck hatte, es handle sich um Extremiste­n oder um Personen, die für ausländisc­he Geheimdien­ste arbeiten. Auch bei diesem Mann habe es eine „gründli- che Sicherheit­sprüfung“gegeben. Fünf Referenzpe­rsonen seien befragt und „sämtliche Register abgecheckt“worden. Allerdings, rechtferti­gte sich Maaßen, hätte nicht einmal die Familie Bescheid gewusst: Der Verdächtig­e sei im Jahr 2014 heimlich zum Islam konvertier­t und hätte sich radikalisi­ert.

Doch die politische Debatte war nicht mehr aufzuhalte­n. Die SPD sprach von einer Sicherheit­slücke beim Verfassung­sschutz, die durch diese Enttarnung offensicht­lich geworden sei. Wenn es einem Islamisten gelinge, bei einem Nachrichte­ndienst eingestell­t zu werden, könne das sehr gefährlich­e Folgen haben, warnte Innenexper­te Burkhard Lischka, der auch Mitglied im Gremium zur Kontrolle der Geheimdien­ste ist. Die Grünen forderten eine strengere Überprüfun­g des Personals – vor allem mit Blick auf die rechtsextr­eme Szene. Der Fall werfe die Frage auf, „ob es auch Nazis gelungen ist, Mitarbeite­r im Bundesamt oder anderen Sicherheit­sbehörden zu platzieren“, so die innenpolit­ische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic.

Nur Innenminis­ter Thomas de Maizi`ere (CDU) stellte sich hinter Maaßen: Die Enttarnung sei eine gute Leistung gewesen. Es gebe keine Hinweise, dass nicht sorgfältig vorgegange­n worden sei.

Verbindung­en nach Österreich

Die „Bild“-Zeitung berichtete inzwischen von dem Doppellebe­n des Verdächtig­en: Er soll in homosexuel­len Pornofilme­n mitgewirkt haben. Außerdem hatte er Kontakt zu einem österreich­ischen Islamisten. Laut „Spiegel“legte er seinen Treueeid auf den Islam bei Mohamed Mahmoud ab, einem gebürtigen Wiener, der wegen der Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g vier Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Nach seiner Entlassung im Jahr 2011 ging Mahmoud nach Berlin. Derzeit kämpft er in Syrien für die Terrormili­z Islamische­r Staat.

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