Ein Jihadist als Maulwurf im Nachrichtendienst
Deutschland. Der Verfassungsschutz stellte im April einen Quereinsteiger ein, der die islamistische Szene überwachen sollte. Wie sich herausstellte, war der Mann selbst Teil dieser Szene. Die Politik fragt sich nun: Wie konnte das passieren?
Berlin. Vor einigen Wochen trafen sich zwei Islamisten zu einem Gespräch im Internet. Man tauschte sich aus und zog über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) her, den deutschen Inlandsgeheimdienst, der die islamistische Szene beobachtet. Die Männer verwendeten fiktive Chatnamen – in Wirklichkeit waren sie Kollegen: Der eine arbeitete als V-Mann des Verfassungsschutzes in der Islamistenszene, der andere als V-Mann der Islamistenszene beim Verfassungsschutz.
Irgendwann in diesem Chat begann Letzterer, ein 51-jähriger deutscher Staatsbürger, mit seinem Job zu prahlen. Er gab Details zu Einsätzen preis und breitete seine Pläne aus: Er wolle Gleichgesinnte in die BfV-Zentrale in Köln einschleusen, damit sie „eine Gewalttat gegen Ungläubige“verüben könnten. Dies wäre „sicher im Sinn Allahs“. Der Kollege wurde hellhörig und schlug Alarm. Mittlerweile sitzt der islamistische Maulwurf in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt wegen Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat und der Verletzung von Dienstgeheimnissen.
Keine konkreten Anschlagspläne
Der Mann, ein vierfacher Familienvater und ehemaliger Bankangestellter, war erst im April vom Verfassungsschutz eingestellt worden. Er sollte die islamistische Szene in Deutschland observieren. Ein Quereinsteiger, der – wie es im BfV heißt – unauffällig gewesen sei und im Dienst einen guten Job gemacht habe. Dabei dürfte er allerdings auch akribisch Informationen gesammelt haben. Bei einer Hausdurchsuchung wurden Datenträger sichergestellt. Inzwischen hat der gebürtige Spanier auch ein Teilgeständnis abgelegt: Er habe den Inlandsgeheimdienst infil- trieren wollen, um Glaubensbrüder warnen zu können. Hinweise auf konkrete Anschlagspläne fanden die Ermittler vorerst nicht.
Es war nicht das erste Mal, dass Extremisten versuchten, den Inlandsgeheimdienst zu unterwandern. Erst im Februar war bekannt geworden, dass sich auf eine Stellenausschreibung zwei Rechtsradikale, ein Linksradikaler und ein Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes beworben hatten. Alle flogen auf, weil sie in der nachrichtendienstlichen Datenbank (Nadis) erfasst waren.
Im aktuellen Fall griffen die Sicherheitssysteme nicht. Die Behörde wirkte am Mittwoch ratlos: „Wir werden diesen Vorgang aufarbeiten, um zu sehen, was wir daraus lernen können“, sagte Präsident Hans-Georg Maaßen. Immer wieder seien Bewerber durchgefallen, weil man den Eindruck hatte, es handle sich um Extremisten oder um Personen, die für ausländische Geheimdienste arbeiten. Auch bei diesem Mann habe es eine „gründli- che Sicherheitsprüfung“gegeben. Fünf Referenzpersonen seien befragt und „sämtliche Register abgecheckt“worden. Allerdings, rechtfertigte sich Maaßen, hätte nicht einmal die Familie Bescheid gewusst: Der Verdächtige sei im Jahr 2014 heimlich zum Islam konvertiert und hätte sich radikalisiert.
Doch die politische Debatte war nicht mehr aufzuhalten. Die SPD sprach von einer Sicherheitslücke beim Verfassungsschutz, die durch diese Enttarnung offensichtlich geworden sei. Wenn es einem Islamisten gelinge, bei einem Nachrichtendienst eingestellt zu werden, könne das sehr gefährliche Folgen haben, warnte Innenexperte Burkhard Lischka, der auch Mitglied im Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste ist. Die Grünen forderten eine strengere Überprüfung des Personals – vor allem mit Blick auf die rechtsextreme Szene. Der Fall werfe die Frage auf, „ob es auch Nazis gelungen ist, Mitarbeiter im Bundesamt oder anderen Sicherheitsbehörden zu platzieren“, so die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic.
Nur Innenminister Thomas de Maizi`ere (CDU) stellte sich hinter Maaßen: Die Enttarnung sei eine gute Leistung gewesen. Es gebe keine Hinweise, dass nicht sorgfältig vorgegangen worden sei.
Verbindungen nach Österreich
Die „Bild“-Zeitung berichtete inzwischen von dem Doppelleben des Verdächtigen: Er soll in homosexuellen Pornofilmen mitgewirkt haben. Außerdem hatte er Kontakt zu einem österreichischen Islamisten. Laut „Spiegel“legte er seinen Treueeid auf den Islam bei Mohamed Mahmoud ab, einem gebürtigen Wiener, der wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vier Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Nach seiner Entlassung im Jahr 2011 ging Mahmoud nach Berlin. Derzeit kämpft er in Syrien für die Terrormiliz Islamischer Staat.