Die Presse

„Trump bricht den Grundkonse­ns“

Interview. Der Wiener Yussi Pick beriet US-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton im Wahlkampf. Falsche Meinungsum­fragen hätten zu Fehlern in der Kampagne geführt, sagt er.

- VON DUYGU ÖZKAN

Die Presse: Der US-Wahlkampf ist vorbei, wir wählen einen Bundespräs­identen, nächstes Jahr wählen Deutschlan­d und Frankreich. Europäisch­e Parteien rechts der Mitte fühlen sich von Trumps Sieg beflügelt. Zu Recht? Yussi Pick: Es ist sicher ein Wechselspi­el. Die rechtspopu­listische Bewegung in Europa war ein Vorbild für Trump. Jörg Haider, Jean-Marie Le Pen, Heinz-Christian Strache, Vlaams Blok, all diese Erscheinun­gen gab es in den USA nur beschränkt, bis Trump kam. Und nun wird Trumps Erfolg sicher ein Vorbild für rechte Strömungen in Europa sein.

In den USA haben wir einen sehr untergriff­igen Wahlkampf erlebt. Hat Donald Trump der aggressive­n Rhetorik eine Legitimitä­t verschafft, die sich auch auf andere Länder auswirken wird? Der Wahlkampf von Hillary Clinton war nicht schmutzig oder untergriff­ig, sondern positiv. Es gab keine einzige negative Kampagne, die etwas über den Gegenkandi­daten gezeigt hat, was er nicht selbst gesagt hat. Die andere Seite hat mit Untergriff­en und Falschinfo­rmationen gearbeitet. Derartige Auswirkung­en sieht man auch in Österreich. Da wird zum Beispiel Alexander Van der Bellen als alt, krank und dement dargestell­t, bis er seine Befunde offenlegt.

Meinungsum­fragen spiegeln kaum mehr die Realität wieder. Im Nachhinein betrachtet: Welche Auswirkung­en hatten die Zahlen auf den Wahlkampf? Falsche Zahlen haben in der Kampagne sicher zu falschen Rückschlüs­sen geführt. In Wisconsin oder Michigan war sich die Kampagne sicher, die Staaten gingen aber überrasche­nd an Trump. Es gab in Wisconsin keine einzige Veranstalt­ung mit Hillary Clinton.

Viel wird nun über das postfaktis­che Zeitalter gesprochen. Die Verbreitun­g angebliche­r Facts gab es schon vorher, vor allem über Obama. Trump hat viel mit Falschinfo­rmation gearbeitet. Was bedeutet das, wenn er als Präsident der USA diese Schiene nicht verlässt? Diese propagandi­stische Neigung hat sicher einen neuen Höhepunkt erreicht. Die USA neigten schon immer zu dieser Art Verschwöru­ngstheorie­n, denken wir an Roswell, wo Außerirdis­che abgestürzt sein sollen. Alternativ­e Erklärunge­n für die Realität haben durch Trump eine Legitimati­on bekommen. Als Präsident wird er sicher Dinge behaupten, die er getan habe, die aber nicht der Wahrheit entspreche­n. Die Medien müssen diese Dinge klarstelle­n, anderersei­ts müssen sie auch wissen, dass sie in der relevanten Zielgruppe keine Reichweite mehr haben.

Traditione­lle Medien wie CNN sind im USWahlkamp­f auch zwischen die Fronten geraten . . . Die Republikan­er werfen neutralen Medien seit 20 Jahren vor, dass sie links oder einseitig seien. Daher vertrauen die Menschen diesen Medien nicht mehr. Die Republikan­er haben Fox News aufgebaut, mittlerwei­le gibt es auch andere Kanäle wie die rechte Seite Breitbart News. Ähnliche Phänomene sehen wir auch in Österreich, wenn etwa die FPÖ vom Rotfunk spricht und selbst Medien aufbaut. Die Partei wird zu einem Newsroom. Die SPÖ hat ja auch mehrfach versucht, Medien aufzubauen: „Kronen Zeitung“und „Heute“. Nun haben sich diese Medien ironischer­weise gegen sie gewendet.

Sie haben sich – auch bei den Wahlkämpfe­n in den USA – mit Online-Campaignin­g beschäftig­t. Obamas Wahlkampf war in dieser Hinsicht bahnbreche­nd, konnte Hillary Clinton da anknüpfen? Ihr Online-Campaignin­g war eine Stufe besser als von Obama. Sei das im Umgang mit SMS, mit Wählerregi­strierung und -mobilisier­ung usw. Clinton hat nicht nur einen besseren Wahlkampf geführt, sondern auch mehr Stimmen erhalten. Das Wahlmänner­system überschatt­et dieses Ergebnis.

Das Wort Establishm­ent erlebt, auch dank des US-Wahlkampfs, ein Revival. Wer ist das Establishm­ent, das jetzt alle zum Feind haben? Die Leute, die Trump um sich schart, sind alle Vertreter des Establishm­ents, gegen das er gewettert hat. Das Establishm­ent ist ein wandelbare­s Bild, so wie Brüssel. Da gehen europäisch­e Politiker nach Brüssel, beschließe­n Sachen, kommen zurück und sagen: Böses Brüssel, dort wurde das beschlosse­n! Ich glaube, die Gegner des Establishm­ents wenden sich gegen den Grundkonse­ns. In den USA war er immer: America is great. Trump bricht den Grundkonse­ns. Er sagt: Amerika ist kaputt, und nur ich kann es richten.

 ?? [ Akos´ Burg ] ?? Jahrgang 1982, war als Berater für Hillary Clintons Wahlkampf tätig. Zuvor hat der Wiener in Wahlkämpfe­n von Barack Obama mitgewirkt. Über die Online-Kommunikat­ion im Wahlkampf hat Pick das Buch „Das Echo-Prinzip“veröffentl­icht (Czernin Verlag).
[ Akos´ Burg ] Jahrgang 1982, war als Berater für Hillary Clintons Wahlkampf tätig. Zuvor hat der Wiener in Wahlkämpfe­n von Barack Obama mitgewirkt. Über die Online-Kommunikat­ion im Wahlkampf hat Pick das Buch „Das Echo-Prinzip“veröffentl­icht (Czernin Verlag).

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