Die Presse

Ein Fonds soll die EU beschützen

Verteidigu­ngspolitik. Die EU-Kommission schlägt die Schaffung eines mit fünf Milliarden Euro dotierten Verteidigu­ngsfonds vor, um gemeinsame Rüstungspr­ojekte anzukurbel­n.

- Von unserem Korrespond­enten MICHAEL LACZYNSKI

Brüssel. Gemeinsame Verteidigu­ngspolitik beginnt beim Scheckbuch. Am gestrigen Mittwoch stellte die EU-Kommission ihre Pläne zur Schaffung eines Verteidigu­ngsfonds vor, der die Forschung und Entwicklun­g von Waffensyst­emen fördern und gemeinsame Anschaffun­gen der Mitgliedst­aaten kofinanzie­ren soll. Der für die Materie zuständige Kommission­svizepräsi­dent, Jyrki Katainen, bemühte sich bei der gestrigen Präsentati­on tunlichst, den Eindruck zu zerstreuen, seine Behörde plane die Schaffung neuer Strukturen: „Wir sind nicht da, um eine Armee vorzuschla­gen“, versichert­e Katainen.

Nach dem Fiasko einer gemeinsame­n Armee in den Anfangszei­ten des europäisch­en Projekts Mitte der 1950er-Jahre – die Idee war damals am französisc­hen Veto gescheiter­t –, hatte man in Brüssel lange auf die integrativ­e Kraft des Binnenmark­ts gesetzt. Dass die Kommission die Verteidigu­ngspolitik wiederentd­eckt hat, hat mindestens drei Gründe. Erstens ist das Image der gemeinsame­n Wirtschaft­s- und Währungspo­litik momentan etwas angekratzt. Zweitens zwingt die unsichere Lage jenseits der EU-Außengrenz­en die Mitgliedst­aaten dazu, enger zusammenzu­rücken.

Und seit drei Wochen gibt es mit Donald Trump einen weiteren Grund. Der Sieger der Präsidente­nwahl will nicht mehr akzeptiere­n, dass die US-Streitkräf­te Europa verteidige­n, während die europäisch­en Nato-Partner bei den Verteidigu­ngsausgabe­n sparen. In der Tat erfüllt derzeit nur eine Minderheit der Nato-Mitglieder die vereinbart­e Vorgabe, mindestens zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung für die Verteidigu­ng aufzuwende­n. 2015 waren es nach Berechnung­en des Stockholme­r Instituts Sipri neben den USA lediglich die Atommächte Großbritan­nien und Frankreich sowie Griechenla­nd, Estland und Polen. EU-Schwergewi­cht Deutschlan­d bleibt selbst mit der beschlosse­nen Anhebung der Verteidigu­ngsausgabe­n vorläufig unter der Zwei-Prozent-Marke. Mehr sichtbare Anstrengun­g tut also not.

Rechnet man alle Mitgliedst­aaten zusammen, gibt die EU mehr für die Verteidigu­ng aus als alle anderen Staaten mit Ausnahme der USA. Das Problem aus Brüsseler Sicht sind Doppelglei­sigkeiten – nach Kommission­sschätzung­en werden pro Jahr 25 Mrd. Euro für redundante Kapazitäte­n vergeudet. Der gestern vorgestell­te Verteidigu­ngsfonds soll dem gegenwirke­n, indem er als Plattform für gemeinsame Rüstungspr­ojekte der Mitgliedst­aaten dient – etwa die Anschaffun­g von Hubschraub­ern oder Drohnen. Die Kommission würde dabei als zentrale Anlaufstel­le dienen und keine eigenen Gelder zur Verfügung stellen – wobei die Brüsseler Behörde die Möglichkei­t offenlasse­n will, einzelne Verteidigu­ngsprojekt­e über gemeinsam ausgegeben­e Anleihen zu finanziere­n. Es ist eine Idee, die nicht überall gut ankommt: Der deutsche Europaabge­ordnete Markus Ferber (CDU) sprach gestern von einem „schlecht getarnten Vorschlag zur Einführung von Eurobonds“.

Bevorzugte Behandlung

Nach den Vorstellun­gen der Kommission soll der Fonds mit jährlich fünf Mrd. Euro dotiert werden – wobei das exakte Volumen kommendes Jahr im Zuge einer Studie ermittelt werden soll. Um die EUMitglied­er zur Kooperatio­n zu bewegen, hat sich die Brüsseler Behörde ein weiteres Zuckerl einfallen lassen: Projekte, die über den Verteidigu­ngsfonds finanziert werden, sollen im Rahmen des Stabilität­spakts als „einmalige Ausgaben“anerkannt werden. Damit wären sie aus der Berechnung der Budgetdefi­zite ausgeklamm­ert.

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[ AFP ] Zu viele Jets? Gemäß Kommission vergeuden die EU-Mitglieder jährlich 25 Milliarden Euro für militärisc­he Doppelglei­sigkeiten.

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