Die Presse

Hofer: Das Projekt EU ist „noch nicht verloren“

Gespräch. Der Bundespräs­identschaf­tskandidat der FPÖ rechnet nicht damit, dass die Idee seines Parteichef­s Strache, die Ämter von Staatsober­haupt und Bundeskanz­ler zusammenzu­legen, in den nächsten Jahren verwirklic­ht wird.

- VON RAINER NOWAK UND THOMAS GÖTZ

Die Presse: Wir haben einen ziemlich grausigen Wahlkampf hinter uns. Tut Ihnen etwas leid? Norbert Hofer: Es gab einen schwerwieg­enden Fehler: den Satz „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“. Ich habe das nicht negativ gemeint, aber es ist sehr negativ angekommen. Ich würde heute sagen, „Sie werden sich freuen, wenn ich mich einsetze“.

Die Aussage hat Ihnen geschadet. Gab es Verletzend­es anderen gegenüber? Die Aussage in Bezug auf Van der Bellen, er sei ein „faschistis­cher Diktator“, war leicht überzogen. Ich hätte sagen müssen, es hat „autoritäre Züge“, wenn man sagt, man gelobt eine Person nicht an. Aber man kann in zehn Monaten nicht alles fehlerfrei machen.

Sie haben immer wieder versucht, den Gegenkandi­daten als alt und vergesslic­h darzustell­en. Schwer zu glauben, dass Sie das nicht absichtlic­h gemacht haben. Ich habe meinen Mitbewerbe­r immer wieder auf eine Aussage hingewiese­n, und er hat behauptet, das gar nicht gesagt zu haben. Ich glaube gar nicht, dass es Vergesslic­hkeit ist, sondern eine gewisse Flexibilit­ät im Rahmen des Wahlkampfe­s.

Bei vielen Themen sagen Sie nicht die ganze Wahrheit, wie uns scheint. Sie haben uns gegenüber als Grund für Ihren Austritt aus der katholisch­en Kirche genannt, dass Frauen nicht Priester werden dürfen. 2009 hatten Sie einen anderen Grund genannt, da war von einer „Hexenjagd gegen die FPÖ“die Rede, von „impotenten Inquisitor­en“, die Hunderttau­sende als Hexen verbrannte­n. Ein wesentlich­er Faktor war, dass in der evangelisc­hen Kirche einige Dinge anders sind. Wir haben Frauen, die auch Priester sein können, wir haben bei der Frage der Beichte nicht das Vieraugeng­espräch, sondern es gibt in der Messe die Mög- lichkeit, sich für die Dinge zu entschuldi­gen, die vielleicht nicht in Ordnung waren. Das schätze ich sehr.

Ihre Schilderun­g des Attentats auf dem Tempelberg war – sagen wir so – sehr plastisch. Es war genau so, wie ich es erzählt habe.

Sie haben suggeriert, es hätte sich um einen muslimisch­en Anschlag gehandelt. Das war es aber nicht. Uns ist gesagt worden, es ist ein muslimisch­es Attentat.

In Ihrer Haltung zur EU stellen wir einen Schlingerk­urs fest. Im Jänner beantragte die FPÖ eine Volksbefra­gung zum Austritt, im Juni haben Sie Frau Le Pen und eine Gruppe europäisch­er Parteien eingeladen, die auf die Zerstörung der EU hinarbeite­n, dann begrüßten Sie den Brexit, und erst als sich gezeigt hat, dass das nicht sehr populär ist, haben Sie es zurückgeno­mmen. Jetzt wollen Sie die EU verbessern. Wie lange bleibt das jetzt so? Ich habe den Brexit nie begrüßt. Ich habe gesagt, ich gehe davon aus, dass es innerhalb der EU aufgrund des Brexit neue Verträge geben wird. Bisher sind keine Bestrebung­en da, neue Verträge zu schließen.

Der Brexit ist auch noch nicht da. Er ist noch nicht da, aber ich glaube, es wäre notwendig zu überlegen, wie können wir die Union besser organisier­en. Ich bin überzeugt, dass das Projekt EU noch nicht verloren ist: Mit einer subsidiäre­n Union können wir durchaus in eine positive Zukunft gehen.

2007, als Umweltspre­cher der FPÖ, haben Sie geschriebe­n, um Freiheit zu gewinnen, müssten wir „die Ketten der Welthandel­sorganisat­ion WTO abschüttel­n“, und um aus der WTO austreten zu können, „müssen wir aus der EU austreten“. Wir müssen auch manchmal Entwicklun­gen aufzeigen, die uns nicht gefallen, und dann muss man die Rote Karte zeigen. Es gilt trotzdem das Parteiprog­ramm der FPÖ, und da steht drinnen, wir sind für europäisch­e Integratio­n, aber gegen einen Zentralsta­at EU.

Die Idee einer Europäisch­en Armee haben Sie zunächst begrüßt, am nächsten Tag dann abgelehnt. Wie sehen Sie es heute? Eine Europäisch­e Armee muss eine Verzahnung der Armeen der Mitgliedst­aaten sein, kein amorphes Heer unter einem Zentralkom­mando.

Sie haben eine Parallele zwischen Donald Trump und sich gezogen: Sie beide seien „authentisc­h“. Wären Sie so „authentisc­h“wie Trump, würden Sie nicht sagen, ich trage die Kornblume, weil Blau schön ist, sondern weil ich Deutschnat­ionaler bin, und eigentlich bin ich für den Austritt aus der EU, weil mir der Nationalst­aat wichtiger ist. Das ist ja unwahr.

Sie tragen die Kornblume, weil Blau eine schöne Farbe ist? Die Blume hat es schon gegeben, bevor es die illegalen Nazis gegeben hat, aber ich bin es wirklich satt, dass wir das bei jeder Wahl erklären müssen. Ich wäre eigentlich dafür, dass man es bleiben lässt und habe das meiner Partei vorgeschla­gen.

Sie plakatiere­n „Macht braucht Kontrolle“. Wenn Umfragen nicht trügen, wird Herr Strache Bundeskanz­ler, dann spricht Ihr Plakat gegen Sie als Präsidente­n. Wer weiß schon, wie die nächste Wahl ausgeht? Es ist sehr wahrschein­lich und möglich, dass es eine Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen geben wird.

Sie waren als Dritter Nationalra­tspräsiden­t einer von drei interimist­ischen Bundespräs­identen. Mancher sagt, das genüge. Auf Dauer nicht. Doris Bures sagt, man kann sich nicht gleichzeit­ig ums Parlament und andere Angelegenh­eiten kümmern. Was halten Sie von der Idee Heinz-Christian Straches, die Ämter des Präsidente­n und des Bundeskanz­lers zu fusioniere­n, vor allem jetzt, da er hofft, Kanzler zu werden? Die Frage ist, wer ist zuerst da (lacht)? Nein, im Ernst. So etwas kann man nur im Rahmen einer großen Bundesstaa­tsreform angehen und nicht ohne Volksabsti­mmung. Ich glaube nicht, dass es in den nächsten Jahren dazu kommt.

Sie haben gesagt, Sie werden die Bundeshymn­e nicht in der vom Parlament erneuerten Fassung singen. Warum nicht? Es ist nicht verboten, die Bundeshymn­e zu singen, wie man sie immer gesungen hat. Es war ein Fehler zu glauben, man könne damit in der Frauenpoli­tik etwas erreichen.

Was erwarten Sie von US-Präsident Donald Trump? Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Bei Trump gibt es viele Befürchtun­gen, bei Obama gab es viele Hoffnungen, die nicht umgesetzt werden konnten. Ich wünsche mir, dass die Beziehunge­n zwischen den USA und Russland besser werden.

Haben Sie vor, im Fall Ihrer Wahl auch Ihre Familie stärker in Ihre Amtsführun­g einzubezie­hen? Meine Frau ja, meine Tochter nicht.

Ihre Frau hat über Van der Bellen gesagt: „Mir ist er sympathisc­h.“Ihnen auch? Als Person ist mir Van der Bellen sympathisc­h, obwohl ich andere politische Ansichten habe.

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