Herrengasse: Flanieren statt parken
Stilkritik. Heute wird die neu gestaltete Herrengasse in der Innenstadt offiziell eröffnet. Sie wirkt aufgeräumt und ein wenig eleganter.
Wien. Es ist Ruhe eingekehrt. Zwar nicht auf den ersten Blick, denn belebt ist die Herrengasse nach wie vor, trotz oder gerade wegen der neuen Begegnungszone, die heute, Donnerstag, eröffnet wird. Denn so wie vorher auch verkehren hier Autos, Busse, Fiaker, Radfahrer und Fußgänger. Letztere haben nun wesentlich mehr Platz und sind nicht mehr zwischen Parkstreifen an den Rand – also auf schmale Gehsteige – gedrängt.
Die Ruhe der neuen Herrengasse wird vielmehr auf den zweiten Blick deutlich. Es wirkt aufgeräumter, ordentlicher und irgendwie auch eleganter. Erstaunlich, was so ein paar Granitplatten, ein – mit Ausnahme der Bushaltestelle – einheitliches Straßenniveau und ein paar Steh- und Wandkandelaber ausmachen. Die Herrengasse hat ein wenig von ihrem historischen Glanz zurückbekommen. Immerhin war die nur 450 Meter lange Straße einst Sitz vieler Adelsfamilien, was noch heute an den vielen Palais spürbar ist. Und sie ist jene Straße, in der 1932 das erste Hochhaus der Stadt (mit 50 Metern Höhe) eröffnet wurde.
Hauseigentümer finanzierten Umbau
Auch heuer sorgt die Herrengasse für eine Premiere. Von Mai bis November wurde die Straße zwischen Michaelerplatz und Freyung nämlich zu einer Begegnungszone umgebaut. Das allein ist kein Novum in der Stadt, die Finanzierung hingegen sehr wohl. Die wurde nämlich von einer Privatinitiative übernommen, konkret von den Eigentümern der Lie- genschaften in der Herrengasse: dem Hochhaus Herrengasse, der Raiffeisen Holding Wien-NÖ, der List Beteiligungs-GmbH sowie der Amisola Immobilien AG und der Estrella Immobilieninvest AG (die beiden Letzteren gehören zur Wlaschek-Stiftung). Den Großteil der rund sechs Millionen Euro teuren Umge- staltung haben sich die Hauseigentümer aufgeteilt. Lediglich rund 480.000 Euro musste die Stadt Wien für die ohnehin anstehende Sanierung der Wasserrohre zahlen. Heute also will die Initiative „Herrengasse+“das Projekt der Stadt übergeben, die dann für die Erhaltung der Straße zuständig ist.
Die Wiener und ihre Besucher haben die neu gestaltete Herrengasse schon längst eingenommen. Schon während der Bauphase marschierten Fußgänger selbstverständlich auf der Mitte der Straße. Und das liegt nicht nur an dem hellen, leider etwas fleckenanfälligen Schremser Granit, der hier auf den Gehsteigen und auch Teilen der Fahrbahn verwendet wurde. Nur dort, wo Fiaker verkehren (zwischen Michaelerplatz und Strauchgasse), musste asphaltiert werden. Die Hufe der Tiere hätten den Naturstein allzu schnell zerstört. Mit Ausnahme der Bushaltestelle kurz vor dem Michaelerplatz gibt es keinen Höhenunterschied zwischen der Fahrbahn und dem Gehsteig, was die Straße breiter erscheinen lässt. Und auch wenn derzeit die Weihnachtsbeleuchtung hängt, hat sich die Beleuchtung massiv geändert. Statt der Hängeleuchten wurden historisch anmutende Stehund Wandkandelaber montiert.
Spannend bleibt noch, wie die geplanten Sitzgelegenheiten in der Fahnengasse vor dem U-Bahn-Aufgang aussehen werden. Die sind sich bis mit dem Eröffnungstermin nämlich leider nicht ausgegangen.