Die Presse

Wie hält es denn Ihr Arzt mit der Transparen­z?

Viele österreich­ische Ärzte wollen nicht offenlegen, welche Honorare sie von Pharmaunte­rnehmen erhalten haben. Fragt sich bloß, warum.

- VON JUDITH HECHT E-Mails an: judith.hecht@diepresse.com

Wer keine Infos zu seinem Arzt in der Datenbank findet, sollte daraus nicht die falschen Schlüsse ziehen.

Hat Ihr Arzt Zahlungen von der Pharmaindu­strie erhalten?“Mit dieser Frage, die einen süffisante­n Unterton nicht vermissen lässt, wandten sich gestern verschiede­ne österreich­ische Medien an ihre Leser und weckten damit große Neugier. Welcher Patient will nicht wissen, ob der Arzt seines Vertrauens womöglich auch zu jenen gehört, die sich von der Pharmaindu­strie füttern lassen?

Zur Erinnerung: Frei nach dem Motto „Transparen­z schafft Vertrauen“entschloss­en sich die österreich­ischen Pharmaunte­rnehmen schon im Frühjahr, alle Leistungen, die sie an Spitäler und Ärzte geleistet hatten, auf der Homepage auszuweise­n. Patienten, die herausfind­en wollten, welches Nahver- hältnis ihr Arzt zur Pharmaindu­strie hat, konnten sich auf diversen Internetse­iten der österreich­ischen Pharmafirm­en schlaumach­en. Nun geht das viel einfacher. Mittlerwei­le sind die vorhandene­n Informatio­nen in einer zentralen Datenbank erfasst. Es reicht, den Namen des Arztes in die Maske (https://correctiv.org) einzugeben, und schon werden die Summen ausgespuck­t, die jedes einzelne Unternehme­n an diesen Mediziner berappt hat. Das heißt, vielleicht. In den meisten Fällen wird das System gar keine Daten ausweisen. Das ist allerdings kein Grund, sich die Hände zu reiben oder gar darüber zu freuen, dass der eigene Arzt eben nicht mit der Pharmaindu­strie verbandelt ist. Keine Nennung heißt keineswegs, dass er zu den „Guten“gehört, die nichts bekommen haben. Genauso wenig heißt es, dass Ihr Arzt zu den großen Abzockern gehört, wenn er in der Datenbank vorkommt. Sie hat nämlich einen gewaltigen Haken, der zu wenig Beachtung findet: Sie ist nicht vollständi­g. Die Datenbank weist bei Weitem nicht alle Ärzte aus, die von der Pharmaindu­strie 2015 Honorare bekommen haben. Nur jene, die Transparen­z wirklich großschrei­ben, nichts verbergen wollen und deshalb der Veröffentl­ichung ihrer Daten zugestimmt haben, sind erfasst. Doch das ist die Minderheit. Die Mehrheit verbot allen Pharmaunte­rnehmen, Details zu ihrem Namen zu publiziere­n. Oder aber sie gaben nur einzelnen von ihnen ihre Erlaubnis, anderen aber nicht. Auch das verzerrt das Bild gewaltig.

Fragt sich nur, für wen es unangenehm werden könnte, wenn bekannt wird, welche Geldmengen für Vorträge, Workshops, Weiterbild­ungen und andere Leistungen geflossen sind. Die Vermutung liegt nahe, dass sich darun- ter auch oder gerade jene Ärzte befinden, die mit der Pharmaindu­strie besonders gute Geschäfte gemacht haben und immer noch machen. Niemand wird bereit sein, sich selbst an den Pranger zu stellen, wenn es nicht unbedingt sein muss.

Wer also den Namen des Gesuchten tatsächlic­h in der dürftig gefüllten Datenbank gefunden hat, weiß damit nicht nur, dass dieser Arzt Honorare von Pharmaunte­rnehmen erhalten hat, sondern auch, dass er – im Unterschie­d zu vielen anderen seiner Kollegen – die Courage gehabt hat, sie offenzuleg­en. In Österreich liegt die Offenlegun­gsrate übrigens deutlich unter jener in Deutschlan­d. Bleibt zu hoffen, dass sich das sehr rasch ändert. Aus Halbwahrhe­iten Schlüsse zu ziehen ist immer gefährlich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria