Die Presse

Ist das Kunst? Ist das Recht? Oder beides?

Ausstellun­g. In einem Atelier in Wiens Wolken findet man eine suspekte Geschichte: den Anwalt als Konzeptkün­stler.

- VON ALMUTH SPIEGLER 23. 12., nur nach Voranmeldu­ng unter: anmeldung@marcello-farabegoli.net, Tel.: 0660/143 52 54

Guido Kucsko ist eine seltsame Figur, vielleicht nur gut erfunden: Auf den ersten Blick ist er Jurist, spezialisi­ert auf Urheberrec­ht. Auch auf den zweiten Blick. Keiner würde auf die Idee eines Doppellebe­ns in Wiens Wolken, in seinem Atelier in einem Hochhaus der Wiener Innenstadt, kommen. Würde er es nicht derart profession­ell publik machen, natürlich. In seiner Zweitberuf­ung nämlich ist Kucsko Konzeptkün­stler. Und diese zweite Karriere profitiert sichtlich von den Erfahrunge­n der ersten, jedenfalls scheint nichts unkalkulie­rt, auch die Originalit­ät seiner Person nicht, die Leute wie den Philosophe­n Konrad Paul Liessmann oder den Ex-Mumok-Direktor Edelbert Köb dazu anregen, Texte für ihn zu schreiben.

Ein Phänomen, das man jedenfalls beachten muss. Werfen doch sowohl Kucskos Biografie als auch seine meist ortsbezoge­nen Installati­onen grundlegen­de Fragen auf, wie wir heute Kunst bzw. Künstler wahrnehmen. Warum, zum Beispiel, kommt es uns so suspekt vor, wenn ein bildender Künstler einen Brotberuf hat? Oder nicht einmal das, sondern einfach eine zweite Profession? Bei Schriftste­llern kein Problem, auch nicht bei Musikern. Aber ein Künstler! Der muss sich mindestens ein Ohr pro Tag abschneide­n, am besten gar keine Bilder verkaufen oder gleich so viele, dass er sich ein Schloss kaufen kann.

Womit wir indirekt schon bei Kafka wären, eine von vielen Inspiratio­nsquellen Kucskos. Genau wie Sigmund Freud oder Wittgenste­in es sind. So ist auch seine aktuelle, von Marcello Farabegoli organisier­te Ausstellun­g in Kucskos City-Loft-Atelier – chic wie nur das eines Anwalts-Künstler aussehen kann – die Weiterentw­icklung eines Gedankens, den er für das heurige Wittgenste­inSymposiu­m in Reichenau installier­te: eine leere schwarze Tafel und daneben, in einer Vitrine, ein Zettel, auf dem steht: „Auf dieser Tafel habe ich (. . .) die weiße Umrisslini­e eines Eies (. . .) gezogen, ohne mit der Kreide die Tafel zu berühren.“Ha! Sehen Sie das Ei? Sehen Sie dem eigenen Gehirn dabei zu, wie es dieses Ei konstruier­t? Ist es da? Oder nicht? Hat er tatsächlic­h? Oder nicht?

Bin ich ein Plagiat? Bin ich Kunst?

Wer, der Kunst liebt, liebt sie nicht, solche philosophi­schen Gedankensp­iele? Kucsko machen sie sichtlich eine diebische Freude, er dekliniert sie nachgerade durch in dem lichten, großen Raum, der von den schwarzen Tafeln in unterschie­dlichen Beschaffen­heiten wie ornamentie­rt erscheint: Ist diese (immerhin per Hand gefärbte) Tafel Kunst?, fragt sich eine schwarze Fläche. „This is beautiful“, behauptet eine andere schal. Genieße ich ein geschützte­s Copyright?, grübelt die nächste. (Nur inklusive des Zettels, auf dem das steht und der das „Werk“ausmache, ergänzt Kucsko.) Wenn die nächste Tafel dann fragt, ob sie ein Plagiat sei, muss man schon sehr schmunzeln. Wenn eine Tafel, die am Boden lehnt, nicht weiß, ob sie jetzt Objekt oder Bild ist, wird’s ein wenig gar zu einfach. Das ist die schwierige Gratwander­ung hier: manchmal zu verkopft, manchmal zu illustrati­v. Jedenfalls ein tolles Experiment. Ein tolles Konstrukt. Wie diese ganze Person, die fragt: Bin ich Künstler? Bin ich (originelle­r) Anwalt? Jedenfalls ein „echter“Kucsko.

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[ Farabegoli ] Lauter schwarze Tafeln, die Fragen zur Kunst an uns richten: z. B. „Bin ich ein Plagiat?“

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