Luxuriöse Kammermusik mit Abgründen
Das Belcea-Quartett im Konzerthaus mit Schostakowitsch und zwei höchst unterschiedlichen Werken Schuberts.
Die Auftritte des Belcea-Quartetts gehören zu den luxuriösesten Angeboten, die Freunden der Kammermusik in unserer Zeit gemacht werden. Die Harmonie zwischen den vier Musikern scheint perfekt, technische Vollkommenheit erreicht; man spielt auf dem höchsten Niveau – und reizt bei einem Werk wie Schostakowitschs Drittem Streichquartett die Möglichkeiten voll aus. Das Publikum verfolgt gespannt ein Drama in fünf Sätzen, hält nach dem abschließenden, tröstlich verschwebenden D-Dur-Akkord den Atem an, bevor es zur Ovation ansetzt.
Das Lachen angesichts manch spitzer Pointe, die Schostakowitsch im ersten Satz seinem geradezu kindlich-unschuldigen Hauptthema entlockt, blieb einem schnell im Halse stecken. Schon im Kopfsatz wird aus dem klassizistisch-distanziert anhebenden Spiel bald Ernst, die Motive und Themen geraten in Aufruhr, verknäueln sich geradezu ineinander. Zwei Scherzosätze folgen, ehe sich die scheinbare Klassik-Retrospektive im Adagio endgültig in expressionistische Klagelaute verwandelt; das Finale löst zwar die Spannung, doch dass man auf einem Vulkan getanzt hat, dass hinter dem Lächeln, mit dem das Werk beginnt, haltlose Verzweiflung steckt, bleibt dem Hörer verborgen.
Schuberts zwei Welten
Auf Schostakowitschs hintergründige stilistische Camouflage versteht sich das Belcea-Quartett glänzend. Beim einleitenden Es-Dur-Quartett des 16-jährigen Franz Schubert nehmen die vier es vielleicht ein wenig zu ernst mit der interpretatorischen Akkuratesse; Virtuosität, vollkommene Beherrschtheit – und das alles wäre vielleicht nicht ganz so wichtig, nicht ganz so genau zu nehmen, wenn mit ein bisschen Schlamperei sich charmantere, ein wenig freizügigere über die Taktstriche hin fließende Zugänge zur wienerischen Melodik eines solchen Werks fänden.
Da tut sich beim d-Moll-Quartett mit den Variationen über „Der Tod und das Mädchen“schon eine andere Welt auf, Schubert ist da verbindlicher, in dem, was er von seinen Instrumentalisten verlangt, sorgt für dramatische Entwicklungen – wie später Schostakowitsch. Und damit sind die Belceas wieder in ihrem Element, wiewohl für manche solistische Passage (im Variationensatz zumal) mehr Mut zum natürlichen Rubato nicht schädlich wäre. Stupend jedenfalls der Effekt, den das makellose Spiel des Quartetts macht. Wäre der Primaria (am ersten der beiden Abende) nicht im Finale eine Saite gerissen, die Spannung hätte jedenfalls auch bei Schubert nie nachgelassen.