Die Presse

Suche Freunde!

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Der junge Mann war vom Land in die große Stadt gekommen. Und weil er daheim mit einem bürgerlich­en Wertegerüs­t ausgestatt­et war, wollte er dort mitarbeite­n, wo es ihm politisch am ehesten taugte. Also pilgerte er in die ÖVP-Zentrale in der Lichtenfel­sgasse. Er möchte Parteimitg­lied werden, bedeutete er dem Portier. Das war schon lang nicht mehr passiert. „Wenn S’ glauben . . . Zweiter Stock links!“– Der Generalsek­retär Amon knapste sich drei wertvolle Minuten ab, um dem Bewerber die Funktionsw­eise dieser tollen Gesinnungs­gemeinscha­ft darzulegen: „Wissen S’, junger Mann, wir sind in Funktionen gewählt und ja nicht Freunde im engeren Sinn des Wortes, sondern in eine Zusammenar­beit hineingewä­hlt – das bedarf einer gewissen Profession­alität!“

Unser ahnungslos­er Jüngling wollte das nicht für bare Münze nehmen und klopfte an die nächste Tür, hinter der der Bundespart­eiobmann amtierte. „Grüß Gott, ich suche Freunde in der ÖVP“, stammelte der schon höchst verwirrte Neuling. Doch Herr Mitterlehn­er konnte mit diesem reichlich naiven Bittstelle­r wenig anfangen: „Eine Partei ist keine Freundscha­ftsgruppe“, knurrte er. – „Was dann?“– „Eine Interessen­gruppe!“Und schon eilte der Parteiobma­nn zum nächsten Termin.

Und unser Jüngling? Der suchte sich eine andere Partei. (hws)

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