Die Presse

Es heißt nicht Weihnachts-, sondern Brauchtums­markt

Selbst höchste Würdenträg­er der Kirche verraten die christlich­e Tradition, die wir bewahren sollten, weil sie an die Quellen von Kultur und Aufklärung erinnert.

- VON RUDOLF TASCHNER E-Mails an: debatte@diepresse.com Rudolf Taschner ist Mathematik­er an der TU Wien und betreibt das Projekt Math.space im Wiener Museumsqua­rtier. Sein neuestes Buch: „Woran glauben. 10 Angebote für aufgeklärt­e Menschen“(Brandstätt­er Ver

Dass das Brauchtum, auf das sich der Marktstand beruft, christlich­e Wurzeln hat, wird tunlichst verdrängt.

Man findet sie im Advent zuhauf: Marktständ­e, die zum Einkaufen, zum Verweilen, zum Verkosten einladen. Bei einem von ihnen an der Mariahilfe­r Straße prangt als großes Schild nicht „Weihnachts­markt“oder „Christkind­lmarkt“, sondern das nun anscheinen­d gängig gewordene Wort „Brauchtums­markt“.

Brauchtums­markt: Das ist ein, wie man sagt, kultursens­ibel formuliert­er Begriff, der weder die Atheisten noch die an Mutter Natur oder die an einen nicht christlich­en Gott Glaubenden zu verstören vermag. Dass das Brauchtum, auf das sich der Marktstand beruft, christlich­e Wurzeln hat, wird tunlichst verdrängt. Und dass mit dem Kappen dieser Wurzeln, mit dem Abschwören der christlich­en Tradition, jeder Einzelne, der aus ihr kommt, sein Selbst und die Gesellscha­ft, die auf ihr ruhen sollte, ihren Halt verliert, dürfte vielen egal sein.

Dies ist bedauerlic­h, zumal diese Tradition schon seit mehr als zwei Jahrhunder­ten nichts mehr mit der schonungsl­osen Ideologie zu tun hat, die von 313 bis spätestens zu Napoleon den Menschen von einer Ecclesia militans aufgezwung­en wurde. Damals war es heldenhaft, sich im Geist der Aufklärung der Kirche zu widersetze­n. Heute sind kirchenfei­ndliche Appelle, wie man sie von Schattenbo­xern wie Gerhard Engelmayer oder Niko Alm zu hören bekommt, bestenfall­s Clownerien. Die heute geübte christlich­e Tradition bedrängt niemanden in seiner Glaubenswe­ise. Sie erinnert bloß noch daran, aus welchen Quellen die Kultur, die Zivilisati­on und die Aufklärung zu schöpfen vermochten.

Es ist bedauerlic­h, aber möglicherw­eise nicht mehr rückgängig zu machen. Würde man den Betreibern des Brauchtums­markts vorschlage­n, sich doch wie in alten Zeiten Weihnachts- oder Christkind­lmarkt zu nennen, können diese mit vollem Recht darauf verweisen, dass selbst die angesehens­ten und geachtetst­en Vertreter der christlich­en Tradition bei leisestem Wind, der ihnen entgegenwe­ht, nichts mehr mit den Symbolen ihres Glaubens zu tun haben wollen.

So geschehen auf dem Tempelberg in Jerusalem, als dieser vor einem Monat vom Münchner Kardinal Reinhard Marx und vom Ratsvorsit­zenden der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, besucht wurde. In einem unglaublic­hen Akt der Unterwerfu­ng legten sie ihr Pektorale ab, das an der Brust getragene Kreuz, angeblich, so der evangelisc­he Würdenträg­er, aus „Verantwort­ung als Vertreter einer christlich­en Religion, friedensst­iftend zu wirken“.

Da passt es, dass die Unesco kurz zuvor mit 24 gegen sechs Stimmen, bei 26 Enthaltung­en, eine Resolution annahm, die den historisch­en Bezug des Tempelberg­s in Jerusalem als heilige Stätte von Juden und Christen unterschlä­gt. Er wird bloß als „palästinen­sisches Kulturerbe“bezeichnet. Nur die USA, Großbritan­nien, die Niederland­e, Litauen, Estland, aber auch Deutschlan­d erteilten diesem perfiden Vorstoß eine Abfuhr. Und genau diesen gebotenen Protest hintertrei­bt die feige „friedensst­iftende Aktion“der beiden deutschen Bischöfe.

Wenn sie wenigstens auf das Tragen des Pektorale mit Hinweis darauf bestanden hätten, dass das bei ihnen eben „so Brauch“sei. Nicht einmal zu einer solchen Geste konnten sie sich aufraffen. Sie begingen Verrat, einen schlimmere­n als den des Petrus. Denn Petrus schämte sich danach und weinte bitterlich. Bischof Bedford-Strohm hingegen vergoss keine Träne. Er lavierte und beteuerte, auch Juden hätten ihn zur Kreuzabnah­me veranlasst.

Wie Nachforsch­ungen des „Focus“Redakteurs Alexander Wendt ergaben: Offizielle israelisch­e Stellen wissen davon nichts. Daraufhin beschwerte sich ein Mitarbeite­r der Deutschen Bischofsko­nferenz bei der Botschaft Israels, dass man seinem Chef nicht aus der Bredouille half. Was Alexander Wendt zum Resümee veranlasst: „Anders als bei den islamische­n Gastgebern hat man als deutscher Bischof respektive Kardinal nichts als Ärger mit den Juden.“

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