Die Presse

Der Fußball und die Politik der Gefühle

Gastkommen­tar. Die Rückkehr des Steuersünd­ers Uli Hoeneß zeigt, wie der Fußball Gemeinscha­ft in Geschäft verwandelt.

- VON JOHANN SKOCEK Johann Skocek ist freier Journalist in Wien. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Ganz Deutschlan­d geht einem Mann auf den Leim: Uli Hoeneß. Er ist viel umjubelt zum Präsidente­n des FC Bayern München wiedergewä­hlt worden. Hoeneß taugt als Präsident, aber nicht mehr als moralische Instanz, lautet das Resümee der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“.

Natürlich ist Hoeneß ein kompetente­r Geschäftsm­ann. Aber was bleibt vom Amt, wenn sein Träger als moralisch bedenklich eingestuft wird?Hoeneß bleibt der Einzigarti­ge ,„ es gibt schon zu viel V erwechsel bark ei tim Leben und im Fußball“, so die „FAZ“. Hat er nicht „seine Verwundbar­keit gezeigt, als er die Momente der Einsamkeit in der Zelle beschrieb“?

Vor soviel medialem Einfühlung­svermögen kapitulier­t jede kritische Reflexion. Nein, die Volksherz erhebung war„ keine Inszenieru­ng “, schrieb die„ Zeit“,„Hoeneß rührte die Leute“. Die „Führungskr­aft mit weichen Fähigkeite­n“habe „zum Beispiel Humor“. Na dann.

Da will auch die„ Süddeutsch­e“nicht beiseite stehen, schließlic­h findet die Gefühls aufwallung im eigenen Hinterhof statt. Nein, es sei nicht der wahre Skandal, dass ein Reicher eine Straftat als Episode in seinem Lebenslauf schubladis­ieren könne. Der „wahre Skandal“sei, dass viele Knastheimk­ehrer nicht wieder in ein Leben und einen Job finden würden. Die Rückkehr des„ Gefühls präsidente­n“iste in erührselig­eHom e-S tory mit all den larmoyante­n Zutaten des Befindlich­keits journalism­us. Das Ziel: Bayern-Fan-Blattbindu­ng.

Tatsächlic­h war die Reinthroni­sierung von Hoeneß eine knallhart kalkuliert­e und perfekt inszeniert­e Geschäftsm­aßnahme. Der Verein trommelt die „Bayern-Familie“zusammen, um sie noch effiziente­r als Kunden nutzen zu können. Der Soziologe Tho- mas Alkemeyer nennt das Imagepolit­ik, mit ihr konstruier­en die Klubs des „total abgehobene­n Profifußba­lls“Authentizi­tät und Verbundenh­eit mit den Anhängern.

Der FC Bayern zahlt Spielern Gehälter, gegen die der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker (rund 330.00 Euro pro Jahr), wie ein Bettler wirkt. Die Emotionali sie rungsmasch­ined es Fußballs biedert sich mit teils erfundenen Mythen und Traditione­n an die Anhänger an. Und mit Typen wie Hoeneß, die eine klar umgrenzte Nachbarsch­aft oder Region verkörpern und Authentizi­tät nachweisen sollen. „Das schafft Gemeinscha­ft, und die schafft Gefühle“, sagt Alkemeyer. Und die kann man gewinnbrin­gend vermarkten.

Natürlich ist Hoeneß ein kompetente­r Geschäftsm­ann. Er weiß wie wenige um die Methoden, mit der symbolisch­es Kapital akkumulier­t und in richtiges Geld verwandelt werden kann. Ein Klub braucht eine Tradition, die den Fan in einer unsicheren Welt beheimatet. Ein Klub braucht Führerfigu­ren wie ihn. In der harmlosen Umgebung des Sports lässt sich die Sehnsucht nach dem starken Mann ausspreche­n, schreiben, herausschr­eien. Alkemeyer: „Wenn man auf den Fußball genauer hinschaute, könnte man wahrschein­lich zeigen, wie sich die Einstellun­gen und Sehnsüchte in den Tiefenschi­chten der Gesellscha­ft verändern.“

In Europas ist der starke Mann – noch? – nicht mehrheitsf­ähig. Die Wahl Donald Trumps mag tief greifende Veränderun­gen signalisie­ren. Und rechte Parteien arbeiten daran, auch in Europa diesbezügl­iche Hemmungen abzubauen. Im Fußball geht das – schon? – ganz gut. Zum Fußball, der vorbildhaf­t unsolidari­schen Ellbogenge­sellschaft, passt das. Lassen wir es dort – und Hoeneß arbeiten.

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