Limousine am Rand der Rennstrecke
Neuvorstellung. Was bei Mercedes richtig stark und schnell ist, kommt aus dem Hause AMG. Wie die neue E-Klasse mit gefühltem Raketenantrieb und erstmals Allrad. Der schnelle Gleiter hat aber nicht Ferrari, sondern eher Bentley im Visier.
Portimao.˜ Rennstrecken sind nicht das natürliche Habitat der klassischen Limousine, und doch ist dieser 4,7 Kilometer lange Kurs an der Algarve ein Schauplatz dieser Testfahrten. Vielleicht ist das vorgestellte Auto, Typ Mercedes E-Klasse, auch nicht so ganz die klassische Limousine, die sie auf den ersten Blick scheint. Immerhin war die Truppe von AMG am Werk, und das hat in aller Regel ein ganz anderes Fahrzeug zur Folge, auch wenn es äußerlich bei den vier Türen, dem gediegenen Radstand und prominentem Stern vorn und hinten bleibt. Aber das ist eigentlich schon alles, was gleich bleibt.
Ein Eindruck, der sich nach wenigen Kurven, hier von rot-weißen Curbs und beruhigenden Auslaufzonen gesäumt, dramatisch verfestigt. Vorneweg fährt ein ehemaliger DTM-Champion, der mit einer Hand lenkt und mit der anderen das Funkgerät hält, in das er ebenso unablässig wie unaufgeregt plaudert – Grundsätzliches übers Schnellfahren halt, und warum dies, der E63 AMG, ein sehr taugliches Gerät dafür ist.
Haltung: Gespannt
Scharf anbremsen, zackig einlenken, auf dem Scheitelpunkt behutsam wieder Gas beimengen, gefolgt von Flat-out, sobald das Lenkrad wieder einigermaßen gerade steht – der Hinterkopf müsste jetzt eigentlich sehr tief ins weiche Leder der Nackenstützen drängen, aber wer nicht routinemäßig auf Rennstrecken unterwegs ist, nimmt üblicherweise eine etwas gespannte Haltung ein, außerdem ist noch ein Helm dazwischen.
Den lockersten Eindruck in dieser Konstellation macht das Auto selbst, dem die Tortur der Fliehkräfte nicht anzumerken ist – im Gegenteil, die luftgefederte Karosserie wankt, knickt und schaukelt kein bisschen, der V8 dreht unter Wohlklang nach Herzenslust, die Bremsanlage gibt sich unerbittlich, und die entfesselte Motorengewalt findet an beiden Ach- sen eine zuverlässige Erdung, direkt hinein in den feinen, teuren Rennasphalt. Eben nicht ganz die klassische Limousine. Es ist viel Zeit vergangen, als Mercedes eine schnelle Limousine noch bei Porsche in Auftrag gab. Das war der 500 E, der in mehreren Arbeitsschritten zwischen Sindelfingen und Zuffenhausen hin und her wanderte, um leistungsmäßig aufgeschlossenen Mercedes-Fahrern die Überholspur zu reservieren. Da gehörte AMG noch nicht zum Daimler-Konzern so wie heute, erst recht war man weit davon entfernt, als eigener Hersteller betrachtet zu werden. Tuner oder Veredler – das ist auch so ziemlich das Schlimmste, was man die im schwäbischen Affalterbach beheimatete Gesinnungsgemeinschaft heißen kann. Vertreter der Tuningzunft pflegen ja fertigen Modellen Beine zu machen, während AMG heute bereits eingebunden ist, wenn bei Mercedes eine neue Modellreihe in Planung geht. Einsteigen in der Architekturphase nennt man das, da geht es beispielsweise um die Einleitungssteifigkeit in Dämpferenden, die gleich so bemessen sein soll, dass sie der Großserie ebenso wie einer späteren High-Performance-Variante gut ansteht.
Oder der Allradantrieb, mit dem der neue E63 seine Gewaltleistung von 571 respektive 612 PS auf die Straße bringt – den gab es in der gewünschten Form nicht bei Mercedes, so wurde er eigens in Affalterbach entwickelt – voll variabel zwischen vorn und hinten, links und rechts. Auch die serienmäßige Vorderachse der E-Klasse war unzureichend, um die von AMG gebaute unterzubringen, wurde das Auto vorn ein gutes Stück breiter.
Deswegen lenkt die Limousine präzise ein wie ein Sportwagen und lässt in der Kurve kein Untersteuern aufkommen, weil den Vor-
derrädern nur genau so viel Drehmoment zugewiesen wird, wie sich mit der benötigten Seitenführung der Räder verträgt. Den Vergleich mit dem Vorgänger lässt man am besten aus, so AMG: Da lägen Welten dazwischen.
Oder das Herzstück, der Motor: ein Vierliter-V8, der mit zwei Twinscroll-Turboladern Luft holt und bis zu 850 Newtonmeter herausstampft. Das etwas ruppige Losrollen der Neungangautomatik mit Anfahrkupplung, wie es im kleineren C63 etwas den Umgang erschwert, wurde kuriert, geschmeidig setzt sich die Fünfmeterlimousine in Bewegung, gern auch mit Nachdruck am Gaspedal. Abseits der Rennstrecke kommt man nur selten dazu, den Motor in hohe Drehzahlregionen zu führen, meist reicht dafür die Straße nicht. Dennoch fühlt man gleich den Druck, viel Gas braucht es nicht, sogar mit vier abgeschalteten Zylindern ist man sehr flott unterwegs – es soll sich ja immer wie ein AMG anfühlen, sagen die Ingenieure. Nicht nur auf der Rennstrecke.