Die Presse

Muss ich denn sterben, um zu leben?

Falco-Nostalgie. Am 19. Februar würde der österreich­ische Weltstar seinen 60. Geburtstag feiern. Jetzt schon läuft ein neues Musical an, und bei einer „Woche für Falco“würdigen ihn Jung und Alt. Können sich alle auf ihn einigen? Und wieso?

- VON THOMAS KRAMAR

Am 19. Februar würde Falco seinen 60. Geburtstag feiern. Zahllose Huldigunge­n sind geplant. Können sich alle auf ihn einigen? Und wieso?

Für mich ist es irgendwie komisch, bei der ,Woche für Falco‘ dabei zu sein, weil ich hab den Falco damals eigentlich nicht mögen“, erzählt Wolfgang Kopper: „Ich hab in der Blue Box sogar einmal gekündigt, weil meine Chefin trotz meines Protests noch einmal ,Junge Roemer‘ aufgelegt hat. Am nächsten Tag hab ich die Kündigung natürlich zurückgeno­mmen . . .“

Das muss 1984 gewesen sein: Hans Hölzel vulgo Falco brachte sein zweites, sehr feines Album, „Junge Roemer“(nicht mit ö, internatio­nal!), heraus, war längst ein Star. Wolfgang Kopper war indessen Kellner im Szenelokal Blue Box, sang u. a. bei der Band Karl Gott, einem größeren Publikum durch das Titellied des Niki-List-Films „Malaria“bekannt, in dem Kopper eine charmante Nebenrolle spielte. Seit einem Vierteljah­rhundert ist er beim Musikkreis MS20, der ausschließ­lich auf MS20-Korg-Synthesize­rn spielt, wie man sie einst in der Neue-WelleZeit fürchtete und liebte. Klar, dass dieses wunderbare Originalkl­angensembl­e trotz einstiger Aversionen auch dabei ist, wenn es gilt, Falco zu huldigen. Am Freitag, den 27. Jänner, tritt der Musikkreis bei der „FalcoGeden­knacht“im Cabaret Fledermaus auf. „Wir machen es uns leicht“, sagt Kopper, „wir spielen einfach seine größten Hits: „Kommissar“, „Ganz Wien“, „Amadeus“und „Helden von heute“, das kann man dann ja nahtlos in David Bowies „,Heroes‘“überleiten.“

„Im U4 geigen die Goldfisch’“

Auch das „in memory of the new wave icon and Austrian rap pioneer“: Mit diesen Worten kündigt die vom österreich­ischen Getränkehe­rsteller finanziert­e, aber internatio­nal agierende Red Bull Music Academy ihr Festival Junge Roemer an. Zuerst, von 23. bis 26. Jänner, werden vor allem junge Musiker im niederöste­rreichisch­en Schloss Pellendorf mit akustische­n und visuellen Stücken aus Falcos Erbe basteln – die Firma Sony stellt u. a. die originalen Mehrspurbä­nder der Falco-Platten zur Verfügung –, dann, von 26. bis 29. 1., wird das Programm öffentlich, mit Sessions und Lesungen (u. a. von Mavie Hörbiger und Philipp Hauß) im Vienna Ballhaus und nächtliche­n Konzerten.

Ein solches findet gleich am Donnerstag im U4 statt, wo Falco einst anschreibe­n durfte und, wie man aus seinem allererste­n Song, „Ganz Wien“, weiß, die Goldfisch’ geigen hörte. Minisex spielten damals oft live im U4, es gibt sie seit ein paar Jahren wieder, sie sind auch diesmal live dabei. Sie werden aber keine Falco-Songs covern, sie kommen sozusagen als Zeitzeugen. „Wir waren ge- meinsam in der Hitparade, wir waren auch mit Falco auf Tournee“, erzählt Bandleader Rudi Nemeczek. Woran kann er sich erinnern? „Dass der Falco den ganzen Tag im Trainingsa­nzug herumgelau­fen ist, das war damals noch nicht Hausmeiste­r-Fashion, sondern cool. Es gibt noch andere Geschichte­n, aber die kann ich nicht erzählen . . .“

Er habe Falco jedenfalls als Künstler immer sehr geschätzt: „Mein Lieblingss­ong ist ,Nachtflug‘. Ich würde ihn als König der Nacht bezeichnen, mit seinem Oszilliere­n zwischen Nightlife, Verbotenem und gro- ßem Abflug. Und er war halt nicht nur weltberühm­t in Österreich, sondern weltberühm­t around the world.“

Geht Nemeczek dieses dauernde Erinnern an die Popvergang­enheit nicht auch auf die Nerven? „Sicher, eine gewisse Wiener Larmoyanz ist schon dabei, aber das ist okay. Wir haben halt eine Liebe für Dinge, die einmal waren. Das Motto ,Heite grob ma Tote aus‘ klingt ja derzeit wieder ganz neu.“

Nemeczek spielt damit auf einen Song von Voodoo Jürgens an, den jungen Mann aus Tulln, dessen bis ins Detail vergangen- heitsselig­e Austropopb­eschwörung manche großartig und andere gruslig finden. Er tritt nicht beim Falco-Festival auf, dafür Ernst Molden und Der Nino aus Wien: Die beiden haben mit ihrem Album „Unser Österreich“das Genre Austropop wieder einmal fast vollinhalt­lich rehabiliti­ert – „endgültig“würde man sagen, wenn das Wort nicht so verboten wäre –, und in ihrer Sammlung finden sich nicht nur graue Juwelen von Ambros, Danzer, Sigi Maron und Co., sondern auch „Nachtflug“und „Ganz Wien“von Falco.

„Muss ich denn sterben, um zu leben?“

Was Falco wohl dazu gesagt hätte, wenn man ihn mit Austropop-Oldies zusammenge­packt hätte? Wäre ihm sympathisc­her, dass nun der aktuelle Donaustädt­er Rapper Yung Hurn und die junge Depression­ssängerin Anna von Hausswolff sein Werk würdigen? Man weiß es nicht, er ist am 6. Februar 1998 in der Dominikani­schen Republik, auf der Ausfahrt einer „Turist Disco“, nach einem Autounfall gestorben. Er hatte gerade erst sein letztes Album, „Out of the Dark“, eingespiel­t, mit den Zeilen (im Titelsong): „Muss ich denn sterben, um zu leben?“

Natürlich wurde sein Leben bald nach seinem Tod zum Show-, Musical- und Filmstoff, schon 2000 kamen „F@lco – A Cyber Show“und „Falco Meets Amadeus“heraus, 2008 die Filmbiogra­fie „Falco – Verdammt, wir leben noch!“. Nun wollen der Passauer Produzent Oliver Forster (u. a. verantwort­lich für das Beatles-Musical „All You Need Is Love“) und der Donauwörth­er Regisseur Peter Rein mit einem neuen Musical, man glaubt es kaum, „die andere Seite“Falcos zeigen und ihm ein „würdiges Denkmal“setzen.

Premiere ist, auch das klingt wie eine Pointe, am Freitag in Kempten im Allgäu. Es folgt eine dichte Tour durch ganz Deutschlan­d, in Österreich läuft das Musical ab 28. März. Auf die Musik kann man sich immerhin verlassen: Der geschmacks­sichere Thomas Rabitsch, Falcos langjährig­er Bandleader, besorgt die musikalisc­he Leitung. Und die Songs passen sowieso.

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 ?? [ Fryderyk Gabowicz/DPA/Picturedes­k.com ] ?? Mindestens so cool wie Bryan Ferry, fast so cool wie David Bowie: Falco, 1984.
[ Fryderyk Gabowicz/DPA/Picturedes­k.com ] Mindestens so cool wie Bryan Ferry, fast so cool wie David Bowie: Falco, 1984.

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