Aufstieg und Fall der Landesmütter
Vorreiterinnen. Mikl-Leitner wird die dritte Frau an der Spitze eines Landes. Klasnic und Burgstaller mussten sich noch mit der Frage, ob man „Landeshauptfrau“sein kann, herumschlagen. Sie wurden im Volk rasch populär, stürzten aber tief.
Wien. „Ich bin weiblich, ja, ich bin Frau“, antworte Johanna Mikl-Leitner am Mittwoch auf die Frage, ob sie sich als Landeshauptmann oder -frau bezeichnen werde. Bei ihr würde sich auch niemand mehr daran stoßen, wenn sie die weibliche Form erwählte. Bei den ersten Frauen an der Spitze eines Landes war das noch anders gewesen.
Dieser Bescheid aus Salzburg könne nicht gültig sein, denn er sei von einer „Landeshauptfrau“erlassen worden. Und so etwas gebe es laut Verfassung nicht. Mit diesem Argument zog ein Beschwerdeführer 2004 vor den Verwaltungsgerichtshof. Die Höchstrichter ließen ihn abblitzen: Die Verfassung erlaube es sehr wohl, Amtsbezeichnungen in einer Form zu verwenden, die das Geschlecht des Amtsinhabers zum Ausdruck bringt. Daher dürfe sich Gabi Burgstaller Landeshauptfrau nennen.
Waltraud Klasnic war die Sache schon Jahre zuvor in der Steiermark ganz pragmatisch angegangen. Sie hatte erklärt, man solle sie doch als „Frau Landeshauptmann“oder „Frau Klasnic“ansprechen. Als sie im Amtskalender des Landes doch als Landeshauptfrau und ihr roter Vize als LandeshauptfrauStellvertreter bezeichnet wurde, protestierte die SPÖ. Und verlangte, dass ihr Spitzenmann in der Regierung weiterhin Landeshauptmann-Stellvertreter heißen darf.
Die Episoden zeigen, wie ungewohnt es zu Beginn war, dass eine Frau in die Männerdomäne als Landeschef eindringt. Dass Frauen an der Landespitze bald populär werden können, lebten Klasnic und Burgstaller aber vor. Doch beiden sollte schließlich auch ein bitterer Abgang beschert sein.
Erfolg und Abgang mit großer Emotion
Graz, 1996: Nach schweren Stimmenverlusten tritt Josef Krainer junior als Landeshauptmann ab, er übergibt das Szepter der Macht überraschend an Waltraud Klasnic. Der eigentliche Kronprinz, Gerhard Hirschmann, hatte zuvor abgewinkt. Die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Klasnic ist volksnah und wird schnell populär. Beim Grubenunglück von Lassing 1998 zeigt sie große Emotionen („Der Herrgott hat entschieden, es fehlen die Worte. Ein Land weint“). Bald wird Klasnic allenorts liebevoll als „Landesmutti“tituliert. Bei der Landtagswahl 2000 gewinnt sie elf Prozentpunkte, schafft 47 Prozent. Klasnic gilt nun als Politstar, als Landeshauptfrau zum Angreifen, wird umjubelt.
Fünf Jahre später muss sie unter Tränen und gestützt nach den TV-Interviews am Wahlabend in Richtung Ausgang schleichen. Zu sehr hatte sie sich auf ihre einstige Popularität verlassen, zu lang Probleme unter den Teppich gekehrt. Die dubiosen Vorgänge rund um den Landesenergieversorger Estag oder die Förderungen des Landes für den skandalumwitterten Tierpark Herberstein hatten der ÖVP zugesetzt. Mit Franz Voves wird 2005 ein Sozialdemokrat Landeshauptmann, die ÖVP verliert erstmals Platz eins. Eine Schmach, von der sich die Partei bis heute nicht ganz erholt hat, auch wenn sie von Voves’ Gnaden inzwischen als Zweitplatzierte wieder den Landeshauptmann stellen darf.
Szenenwechsel: Ein Jahr zuvor war auch in Salzburg eine politische Kehrtwende eingeläutet worden. Gabi Burgstaller gelingt es, die ÖVP und Franz Schausberger vom ange- stammten Thron zu stürzen. Und wie: 13 Prozentpunkte plus macht Burgstaller, die die Partei in dem schwarzen Kernland auf 45 Prozent führt. Die Bauerntochter hatte sich als Juristin in der Arbeiterkammer (AK) einen Namen gemacht, einen Skandal um eine Wohnbaufirma aufgedeckt und rasch in der Politik Karriere gemacht. Mit der „Gabi“ist man in Salzburg als Bürger rasch per Du, sie steht in dem konservativ geprägten Land für eine modernere Politik und scheut auch nicht den Konflikt mit den Genossen in Wien. Bei der Wahl 2009 verliert Burgstaller zwar Stimmen, bleibt aber vor der ÖVP.
Dann kommen der Salzburger Finanzskandal und vorgezogene Landtagswahlen im Jahr 2013. Wie einst Klasnic erlebt auch Burgstaller infolge eines Skandals ihr Debakel: Fast minus 16 Prozent, Platz eins an die ÖVP verloren. Burgstaller verlässt die Politik und kehrt als Referentin in die AK zurück.
„Mann wäre gedemütigt“
„Viele andere Politiker, vor allem Männer, würden sich gedemütigt fühlen“, erklärte Burgstaller nach ihrer Rückkehr in die AK. Sie aber habe nie verstanden, warum man als Politiker nur nach oben fallen dürfe.
Mikl-Leitner wird die erst dritte Frau an der Spitze eines Landes werden – unter bisher insgesamt 70 Landeshauptleuten seit 1945. Auch sie hätte das Potenzial zur volksnahen Landesmutter. Ihre erste Bewährungsprobe muss sie aber schon sehr bald abliefern – bei der Landtagswahl 2018.