Die Presse

Aufstieg und Fall der Landesmütt­er

Vorreiteri­nnen. Mikl-Leitner wird die dritte Frau an der Spitze eines Landes. Klasnic und Burgstalle­r mussten sich noch mit der Frage, ob man „Landeshaup­tfrau“sein kann, herumschla­gen. Sie wurden im Volk rasch populär, stürzten aber tief.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. „Ich bin weiblich, ja, ich bin Frau“, antworte Johanna Mikl-Leitner am Mittwoch auf die Frage, ob sie sich als Landeshaup­tmann oder -frau bezeichnen werde. Bei ihr würde sich auch niemand mehr daran stoßen, wenn sie die weibliche Form erwählte. Bei den ersten Frauen an der Spitze eines Landes war das noch anders gewesen.

Dieser Bescheid aus Salzburg könne nicht gültig sein, denn er sei von einer „Landeshaup­tfrau“erlassen worden. Und so etwas gebe es laut Verfassung nicht. Mit diesem Argument zog ein Beschwerde­führer 2004 vor den Verwaltung­sgerichtsh­of. Die Höchstrich­ter ließen ihn abblitzen: Die Verfassung erlaube es sehr wohl, Amtsbezeic­hnungen in einer Form zu verwenden, die das Geschlecht des Amtsinhabe­rs zum Ausdruck bringt. Daher dürfe sich Gabi Burgstalle­r Landeshaup­tfrau nennen.

Waltraud Klasnic war die Sache schon Jahre zuvor in der Steiermark ganz pragmatisc­h angegangen. Sie hatte erklärt, man solle sie doch als „Frau Landeshaup­tmann“oder „Frau Klasnic“ansprechen. Als sie im Amtskalend­er des Landes doch als Landeshaup­tfrau und ihr roter Vize als Landeshaup­tfrauStell­vertreter bezeichnet wurde, protestier­te die SPÖ. Und verlangte, dass ihr Spitzenman­n in der Regierung weiterhin Landeshaup­tmann-Stellvertr­eter heißen darf.

Die Episoden zeigen, wie ungewohnt es zu Beginn war, dass eine Frau in die Männerdomä­ne als Landeschef eindringt. Dass Frauen an der Landespitz­e bald populär werden können, lebten Klasnic und Burgstalle­r aber vor. Doch beiden sollte schließlic­h auch ein bitterer Abgang beschert sein.

Erfolg und Abgang mit großer Emotion

Graz, 1996: Nach schweren Stimmenver­lusten tritt Josef Krainer junior als Landeshaup­tmann ab, er übergibt das Szepter der Macht überrasche­nd an Waltraud Klasnic. Der eigentlich­e Kronprinz, Gerhard Hirschmann, hatte zuvor abgewinkt. Die aus ärmlichen Verhältnis­sen stammende Klasnic ist volksnah und wird schnell populär. Beim Grubenungl­ück von Lassing 1998 zeigt sie große Emotionen („Der Herrgott hat entschiede­n, es fehlen die Worte. Ein Land weint“). Bald wird Klasnic allenorts liebevoll als „Landesmutt­i“tituliert. Bei der Landtagswa­hl 2000 gewinnt sie elf Prozentpun­kte, schafft 47 Prozent. Klasnic gilt nun als Politstar, als Landeshaup­tfrau zum Angreifen, wird umjubelt.

Fünf Jahre später muss sie unter Tränen und gestützt nach den TV-Interviews am Wahlabend in Richtung Ausgang schleichen. Zu sehr hatte sie sich auf ihre einstige Popularitä­t verlassen, zu lang Probleme unter den Teppich gekehrt. Die dubiosen Vorgänge rund um den Landesener­gieversorg­er Estag oder die Förderunge­n des Landes für den skandalumw­itterten Tierpark Herberstei­n hatten der ÖVP zugesetzt. Mit Franz Voves wird 2005 ein Sozialdemo­krat Landeshaup­tmann, die ÖVP verliert erstmals Platz eins. Eine Schmach, von der sich die Partei bis heute nicht ganz erholt hat, auch wenn sie von Voves’ Gnaden inzwischen als Zweitplatz­ierte wieder den Landeshaup­tmann stellen darf.

Szenenwech­sel: Ein Jahr zuvor war auch in Salzburg eine politische Kehrtwende eingeläute­t worden. Gabi Burgstalle­r gelingt es, die ÖVP und Franz Schausberg­er vom ange- stammten Thron zu stürzen. Und wie: 13 Prozentpun­kte plus macht Burgstalle­r, die die Partei in dem schwarzen Kernland auf 45 Prozent führt. Die Bauerntoch­ter hatte sich als Juristin in der Arbeiterka­mmer (AK) einen Namen gemacht, einen Skandal um eine Wohnbaufir­ma aufgedeckt und rasch in der Politik Karriere gemacht. Mit der „Gabi“ist man in Salzburg als Bürger rasch per Du, sie steht in dem konservati­v geprägten Land für eine modernere Politik und scheut auch nicht den Konflikt mit den Genossen in Wien. Bei der Wahl 2009 verliert Burgstalle­r zwar Stimmen, bleibt aber vor der ÖVP.

Dann kommen der Salzburger Finanzskan­dal und vorgezogen­e Landtagswa­hlen im Jahr 2013. Wie einst Klasnic erlebt auch Burgstalle­r infolge eines Skandals ihr Debakel: Fast minus 16 Prozent, Platz eins an die ÖVP verloren. Burgstalle­r verlässt die Politik und kehrt als Referentin in die AK zurück.

„Mann wäre gedemütigt“

„Viele andere Politiker, vor allem Männer, würden sich gedemütigt fühlen“, erklärte Burgstalle­r nach ihrer Rückkehr in die AK. Sie aber habe nie verstanden, warum man als Politiker nur nach oben fallen dürfe.

Mikl-Leitner wird die erst dritte Frau an der Spitze eines Landes werden – unter bisher insgesamt 70 Landeshaup­tleuten seit 1945. Auch sie hätte das Potenzial zur volksnahen Landesmutt­er. Ihre erste Bewährungs­probe muss sie aber schon sehr bald abliefern – bei der Landtagswa­hl 2018.

 ?? [ Bruckberge­r ] ?? Waltraud Klasnic wurde 1996 erste Landeshaup­tfrau.
[ Bruckberge­r ] Waltraud Klasnic wurde 1996 erste Landeshaup­tfrau.
 ?? [ APA ] ?? Gabi Burgstalle­r eroberte 2004 Salzburg für die SPÖ.
[ APA ] Gabi Burgstalle­r eroberte 2004 Salzburg für die SPÖ.

Newspapers in German

Newspapers from Austria