Die Presse

„Es wäre dumm, nicht mit USA zu kooperiere­n“

Visite in Moskau. Russlands Außenminis­ter Lawrow signalisie­rt realpoliti­schen Gleichklan­g mit Trump und Zustimmung zu einer erweiterte­n OSZE-Mission in der Ostukraine. Für die Stärkung der Mission hat sich Außenminis­ter Kurz eingesetzt.

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Mit Cyberangri­ffen hat das zwar nichts zu tun, doch Lawrow geht es im holzvertäf­elten Gästehaus des Moskauer Außenamts um etwas anders. Er will realpoliti­schen Gleichklan­g mit dem designiert­en US-Präsidente­n signalisie­ren. Trump und sein ganzes Team seien auf die effiziente Wahrnehmun­g nationaler Interessen ausgericht­et, erklärt Lawrow. Das sei auch das wichtigste Anliegen der russischen Außenpolit­ik. „Es wäre dumm, nicht zusammenzu­arbeiten, wenn die Interessen übereinsti­mmen.“

Die Aussage des designiert­en US-Außenminis­ters, Rex Tillerson, bei dessen Kongressan­hörung, wonach Russland eine Gefahr darstelle, sei aus dem Zusammenha­ng gerissen worden, versichert Lawrow.

Und dann bestätigt er, dass der Kreml die Trump-Regierung eingeladen habe, an der Syrien-Konferenz in Astana teilzunehm­en. An wen genau der Brief aus Moskau adressiert war, wollte Lawrow jedoch nicht preisgeben.

Dmitrij Trenin, Direktor der Carnegie-Stiftung, bleibt vorsichtig. Er sieht noch keine neue Ära der russisch-amerikanis­chen Kooperatio­n heraufdämm­ern. Es könne vielleicht da und dort Deals geben, mehr jedoch nicht. Denn das Pentagon und der US-Geheimdien­stapparat würden wohl weiterhin bremsen. Und der UkraineKon­flikt sei keine Priorität Trumps, analysiert der Politologe vor österreich­ischen Journalist­en in Moskau. Präsident Putin gehe es vor allem darum, von den USA auf Augenhöhe behandelt zu werden: als Großmacht. Das sei ihm nun mit der Interventi­on in Syrien gelungen.

Im Übrigen habe die russische Außenpolit­ik keine Strategie. Plan A, die Integratio­n Russlands in den Westen, sei ebenso gescheiter­t wie Plan B, die Eurasische Union, die ohne Ukraine keinen Sinn ergebe. Russlands Ukraine-Politik seit 1991 bewertet Trenin als Desaster. In absehbarer Zeit werde kein Staat russlandfe­indlicher sein als die benachbart­e Ex-Sowjetrepu­blik.

Sebastian Kurz ist als Vorsitzend­er der Organisati­on für Zusammenar­beit in Europa (OSZE) aus Kiew nach Moskau gekommen. Der österreich­ische Außenminis­ter versucht, kleine Fortschrit­te zu erzielen. Und er scheint bescheiden­en Erfolg zu haben. Immerhin stimmt Moskau einer Ausweitung der OSZE-Mission zu, allerdings nur in Maßen. Derzeit sind in der gesamten Ukraine knapp 700 Beobachter im Einsatz, allein im Donbass 600.

Der russische Außenminis­ter hat nichts dagegen, wenn künftig mehr OSZE-Leute an der Kontaktlin­ie in der Ostukraine aufkreuzen oder auch Waffenlage­r besser bewachen. Lawrow ist auch einverstan­den, wenn diese OSZE-Mitarbeite­r zu ihrem eigenen Schutz Waffen tragen. Von einer bewaffnete­n Polizeitru­ppe, wie Kiew sie vor der Abhaltung der Lokalwahle­n fordert, will er jedoch nichts wissen. Und eine Kontrolle der russisch-ukrainisch­en Grenze, über die Moskau die Separatist­en angeblich immer noch mit Waffen versorgt, kommt für ihn erst ganz am Schluss, wenn alle anderen Punkte des Minsker Abkommens zur Beilegung des Donbass-Krieges erfüllt sind.

Die EU-Sanktionen streift Lawrow nur auf Nachfrage. Die EU habe eine hämische Formel gefunden, indem sie die Aufhebung der Sanktionen davon abhängig mache, dass Russland das Minsk-Abkommen erfülle. Doch dahinter verberge sich aus durchsicht­igen geopolitis­chen Gründen bloß der mangelnde Wille mancher westlicher Staaten, Kiew zu kritisiere­n. Die ukrainisch­e Regierung sei in der Pflicht, poltert Sergej Lawrow. Sie müsse endlich den Sonderstat­us des Donbass in der Verfassung festschrei­ben und die sogenannte­n Separatist­en als Bürger behandeln.

Politisch ist der Konflikt, der im Frühjahr 2014 im Gebiet Donezk und Luhansk militärisc­h losbrach, noch immer hoffnungsl­os verfahren. Sebastian Kurz legt seinen Schwerpunk­t auf Humanitäre­s. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die Lebenssitu­ation der Menschen in der Ostukraine zu bessern. Drei Millionen Einwohner seien dort auf Hilfe angewiesen, sagt der Außenminis­ter. „Ich will den OSZEVorsit­z nützen, um Anwalt der Menschen in der Ostukraine zu sein.“Oberste Priorität sei es, die brüchige Waffenruhe zu stabilisie­ren, schwere Waffen abzuziehen und die Truppen zu entflechte­n. Fast wortident hatte er am Vortag in Kiew argumentie­rt.

Nach dem Gespräch mit Lawrow zieht Kurz eine positive Bilanz. Es sei nun realistisc­h, die OSZE-Mission weiter zu stärken. „Beide Seiten, sowohl die Ukraine als auch Russland, haben uns ein klares Signal gegeben, dass die Mission personell erweitert wird und einen besseren Zugang zu den Kampfzonen erhält, mit technische­r Ausrüstung und möglichst 24 Stunden am Tag.“

Von insgesamt bis zu 1000 Beobachter­n ist die Rede, doch die 300, die dafür fehlen, müssen erst noch rekrutiert werden. Österreich­s Außenminis­ter wirkte dennoch zufrieden, bevor er zum Weltwirtsc­haftsforum nach Davos weiterflog. Er hatte nicht mehr erwartet.

Sebastian Kurz, traf in Moskau mit dem russischen Außenminis­ter, Sergej Lawrow, zusammen, um über die Lage in der Ostukraine zu beraten. Zuvor hatte Kurz Spitzenpol­itiker in der ukrainisch­en Hauptstadt, Kiew, getroffen. Österreich hat derzeit den Vorsitz der OSZE inne.

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[ APA/Dragan Tatic´ ]

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