Die Presse

Joe Bidens Standpauke für Wladimir Putin

Weltmachtp­olitik. Der US-Vizepräsid­ent wies beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos Russlands Avancen in die Schranken und setzte Kontrapunk­t zu Trump. Putins Intention sei es, die „liberale internatio­nale Ordnung zum Einsturz zu bringen“.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Davos. Das Scheinwerf­erlicht fiel kurz aus, doch Joe Biden ließ sich davon nicht irritieren. Der USVizepräs­ident war sich der Symbolkraf­t seines Auftritts am Podium des prominent besetzten Weltwirtsc­haftsforum­s in den Schweizer Alpen in Davos vollauf bewusst, das im Zeichen weltweiter Ungewisshe­it angesichts des Stabwechse­ls in Washington steht. Auf die von Wladimir Putin und Außenminis­ter Sergej Lawrow lancierte Charmeoffe­nsive reagierte Biden mit harscher Zurückweis­ung und einer Standpauke für den Kreml-Chef. Zugleich setzte er – wie Außenminis­ter John Kerry – einen Kontrapunk­t zur Politik Donald Trumps.

Die beiden nach außen hin einflussre­ichsten Mitglieder der Obama-Regierung waren bei ihrer Abschiedst­our darauf bedacht, die Avancen Russlands in die Schranken zu weisen und die USA als Hüter der Demokratie und westlicher Werte sowie als verlässlic­hen Bündnispar­tner in Erinnerung zu rufen. „Russland nutzt jedes verfügbare Mittel, um gegen das europäisch­e Projekt vorzugehen“, warnte Biden in aller Deutlichke­it. Deklariert­es Ziel des russischen Präsidente­n sei es, „die liberale internatio­nale Ordnung zum Einsturz zu bringen“und „Jahrzehnte des Fortschrit­ts zu zerstören“. Putin stachle Konflikte an, unterstütz­e antidemokr­atische Kräfte und instrument­alisiere Energie und Korruption als Waffen.

Der Vizepräsid­ent stand unter dem Eindruck eines Ukraine-Be- suchs zu Wochenbegi­nn. In einem Seitenhieb gegen Äußerungen Trumps hatte der unverbrüch­liche Transatlan­tiker bereits in Kiew die Einheit des Westens gegen die Aggression Russlands beschworen und die Beistandsp­flicht der Nato als „heilige Pflicht“bezeichnet.

Angesichts von Wahlen in den Niederland­en, Frankreich und Deutschlan­d befürchtet Biden heuer überdies weitere Manipulati­onsversuch­e Moskaus. „Es wird wieder passieren. Das verspreche ich Ih- nen.“In seiner Abschiedsr­ede hielt der Obama-Vize, zuletzt im Weißen Haus noch mit der Freiheitsm­edaille dekoriert, einen flammenden Appell gegen Autokraten und Demagogen, gegen eine Politik der Abschottun­g und des Mauerbaus.

„Europa muss an sich glauben“

Verhaltene­r im Ton, mit einem optimistis­cheren Tenor hatte zuvor Außenminis­ter John Kerry in Davos Abschied von der Weltpoliti­k genommen. Zwar trat auch er als Mahner vor Populismus auf und ermutigte Europa zur Einheit: „Europa muss an sich glauben.“Die EU sei eine Erfolgsges­chichte.

Gleichzeit­ig fuhr er Donald Trump wegen seiner Kritik an Angela Merkels Flüchtling­spolitik („katastroph­aler Fehler“) in die Parade. Dass er sich als noch nicht angelobter Präsident so direkt in die Angelegenh­eiten eines anderen Landes eingemisch­t habe, sei unangebrac­ht, rügte der Chefdiplom­at am Ende seiner letzten Mission, die ihn nach Hanoi, Paris, London und Davos geführt hatte.

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[ AFP ] Joe Biden genoss seinen letzten großen Auftritt als US-Vizepräsid­ent in Davos, wo er in aller Deutlichke­it vor Russlands Machtstreb­en warnte.

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