Joe Bidens Standpauke für Wladimir Putin
Weltmachtpolitik. Der US-Vizepräsident wies beim Weltwirtschaftsforum in Davos Russlands Avancen in die Schranken und setzte Kontrapunkt zu Trump. Putins Intention sei es, die „liberale internationale Ordnung zum Einsturz zu bringen“.
Wien/Davos. Das Scheinwerferlicht fiel kurz aus, doch Joe Biden ließ sich davon nicht irritieren. Der USVizepräsident war sich der Symbolkraft seines Auftritts am Podium des prominent besetzten Weltwirtschaftsforums in den Schweizer Alpen in Davos vollauf bewusst, das im Zeichen weltweiter Ungewissheit angesichts des Stabwechsels in Washington steht. Auf die von Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow lancierte Charmeoffensive reagierte Biden mit harscher Zurückweisung und einer Standpauke für den Kreml-Chef. Zugleich setzte er – wie Außenminister John Kerry – einen Kontrapunkt zur Politik Donald Trumps.
Die beiden nach außen hin einflussreichsten Mitglieder der Obama-Regierung waren bei ihrer Abschiedstour darauf bedacht, die Avancen Russlands in die Schranken zu weisen und die USA als Hüter der Demokratie und westlicher Werte sowie als verlässlichen Bündnispartner in Erinnerung zu rufen. „Russland nutzt jedes verfügbare Mittel, um gegen das europäische Projekt vorzugehen“, warnte Biden in aller Deutlichkeit. Deklariertes Ziel des russischen Präsidenten sei es, „die liberale internationale Ordnung zum Einsturz zu bringen“und „Jahrzehnte des Fortschritts zu zerstören“. Putin stachle Konflikte an, unterstütze antidemokratische Kräfte und instrumentalisiere Energie und Korruption als Waffen.
Der Vizepräsident stand unter dem Eindruck eines Ukraine-Be- suchs zu Wochenbeginn. In einem Seitenhieb gegen Äußerungen Trumps hatte der unverbrüchliche Transatlantiker bereits in Kiew die Einheit des Westens gegen die Aggression Russlands beschworen und die Beistandspflicht der Nato als „heilige Pflicht“bezeichnet.
Angesichts von Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland befürchtet Biden heuer überdies weitere Manipulationsversuche Moskaus. „Es wird wieder passieren. Das verspreche ich Ih- nen.“In seiner Abschiedsrede hielt der Obama-Vize, zuletzt im Weißen Haus noch mit der Freiheitsmedaille dekoriert, einen flammenden Appell gegen Autokraten und Demagogen, gegen eine Politik der Abschottung und des Mauerbaus.
„Europa muss an sich glauben“
Verhaltener im Ton, mit einem optimistischeren Tenor hatte zuvor Außenminister John Kerry in Davos Abschied von der Weltpolitik genommen. Zwar trat auch er als Mahner vor Populismus auf und ermutigte Europa zur Einheit: „Europa muss an sich glauben.“Die EU sei eine Erfolgsgeschichte.
Gleichzeitig fuhr er Donald Trump wegen seiner Kritik an Angela Merkels Flüchtlingspolitik („katastrophaler Fehler“) in die Parade. Dass er sich als noch nicht angelobter Präsident so direkt in die Angelegenheiten eines anderen Landes eingemischt habe, sei unangebracht, rügte der Chefdiplomat am Ende seiner letzten Mission, die ihn nach Hanoi, Paris, London und Davos geführt hatte.