Die Presse

Zwei Realos oder: Ein Signal für Schwarz-Grün

Deutschlan­d.

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Auf Robert Habeck, den Umweltmini­ster von Schleswig-Holstein, entfielen 35,74 Prozent. Den Unterschie­d machten gerade einmal 75 Stimmen aus. Fraktionsc­hef Anton Hofreiter, der Dritte im Bunde und gleichzeit­ig der einzige Bewerber aus dem linken Parteiflüg­el, musste sich mit 26,19 Prozent begnügen.

Göring-Eckardt, gemeinsam mit Hofreiter Fraktionsc­hefin, stand von Beginn an als Spitzenkan­didatin fest, weil sie die einzige weibliche Bewerberin war. Die Grünen haben hier eine strenge Quote. Allerdings fiel auch ihr Wahlergebn­is mit rund 71 Prozent nicht wirklich überzeugen­d aus.

Lösung von der rot-grünen Fixierung

Es sagt dann doch einiges über den Zustand der Partei aus, wenn jemand wie der weithin unbekannte Landespoli­tiker Robert Habeck, dessen Wahlkampf darin bestand, das grüne Establishm­ent in Berlin zu kritisiere­n, um ein Haar den Parteichef geschlagen hätte.

Gleichzeit­ig ist das Ergebnis aber auch eine Richtungse­ntscheidun­g. Denn Özdemir und Göring-Eckardt zählen zum Realo-Flügel der Partei. Man darf ihre Kür als subtile Botschaft an Kanzlerin Angela Merkel interpreti­eren, als Signal für Schwarz-Grün. Nach dem enttäusche­nden Ergebnis bei der Wahl 2013 (8,4 Prozent) löste sich die Parteispit­ze von der rot-grünen Fixierung, um sich neue Machtoptio­nen abseits der SPD zu eröffnen. Intern hat das zu einem Richtungss­treit geführt – der nun entschiede­n sein dürfte.

Özdemir, der aus Baden-Württember­g kommt und 1994 der erste Abgeordnet­e mit türkischen Wurzeln war, vertritt für einen Grünen mitunter untypische Positionen. Seit dem Terroransc­hlag in Berlin verlangt er etwa mehr Videoüberw­achung. In einem Interview mit der „Presse am Sonntag“sprach er sich vor Kurzem für klare, an den westlichen Werten orientiert­e Integratio­nsregeln aus und bezog sich dabei auf die „wertkonser­vative Wurzel“der Grünen: „Die müssen wir stärker zum Vorschein bringen, anstatt sie kampflos den Rechten zu überlassen.“

Göring-Eckardt wurde angesichts einer ähnlich bürgerlich­en Haltung von der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“schon einmal als „grüne Angela“bezeichnet. Die 50-Jährige stammt aus Thüringen und war Vorsitzend­e der Synode der evangelisc­hen Kirche, ehe sie 2013 Spitzenkan­didatin neben Jürgen Trittin wurde. In der aktuellen Sicherheit­sdebatte verlangt sie unter anderem eine nachträgli­che Überprüfun­g der Asylwerber.

Die „Superreich­ensteuer“, zu der sich die Grünen bei ihrem Parteitag im November durchgerun­gen haben, dürfte unter Özdemir und Göring-Eckardt etwas weniger offensiv gefordert werden. Man will ja die Union nicht vergrämen. Außerdem ist der linke, RotGrün-affine Parteiflüg­el durch Hofreiters Niederlage nun deutlich geschwächt.

Gewählt wird wohl am 24. September

Allerdings werden die beiden Spitzenkan­didaten Mühe haben, die gesamte Partei hinter sich zu vereinen. Gut steht es um die Grünen derzeit nicht. Durch eine Mischung aus interner Zerrissenh­eit und ungünstige­r Themenlage (Flüchtling­e, Terror) haben sie seit Sommer vier bis fünf Prozentpun­kte in den Umfragen eingebüßt. Im Moment liegt die Partei nur knapp über dem Wahlergebn­is von 2013.

Die Bundestags­wahl 2017 wird aller Voraussich­t nach am 24. September stattfinde­n. Die Regierung hat diesen Termin am Mittwoch vorgeschla­gen. Jetzt muss nur noch Bundespräs­ident Joachim Gauck zustimmen.

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[ AFP ] Doppelspit­ze Göring-Eckardt und Cem Özdemir.

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