Die Presse

Wenn der Präsident zur Verteidigu­ng der Demokratie aufruft

In seiner Abschiedsr­ede zieht Joachim Gauck Bilanz und warnt Deutschlan­d vor neuen Gefahren im In- und Ausland.

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Berlin. Zum Abschied waren am Mittwoch 200 Gäste ins Schloss Bellevue gekommen, um dem begabten Redner Joachim Gauck noch einmal zuzuhören. Die letzte Rede des Bundespräs­identen, der nächste Woche 77 Jahre alt wird, knüpfte bei seiner ersten an, die er vor bald fünf Jahren gehalten hat.

Deutschlan­d, sagte Gauck, sei heute stabiler und demokratis­cher als je zuvor. Aber anders als im Jahr 2012 sei er nun „stärker beeinfluss­t von dem Bewusstsei­n, dass diesem stabilen und demokratis­chen Deutschlan­d auch Gefahren drohen“. Nämlich die Krise der EU samt Brexit, die Kriege im Nahen Osten und in der Ostukraine, der islamistis­che Terror und eine große Unbekannte im US-amerikanis­chen Präsidente­namt namens Donald Trump.

Innenpolit­isch empfahl Gauck einen starken Rechtsstaa­t gegen den Terror und eine „robuste Streitkult­ur“im Umgang mit neuen populistis­chen Strömungen (gemeint war die AfD). Außenpolit­isch erneuerte er seine Forderung, wonach Deutschlan­d mehr Verantwort­ung in Europa und der Welt übernehmen müsse: „Gemessen an den Herausford­erungen unserer Zeit und an unseren Möglichkei­ten könnten und sollten wir deutlich mehr tun.“Deutschlan­d und Europa müssten ihre Verteidigu­ngsbemühun­gen verstärken, um nicht zum Spielball der Interessen anderer zu werden. „Das ist der Kern der wehrhaften Demokratie, das ist republikan­ische Verteidigu­ngsbereits­chaft.“

Gauck selbst wird sich am 18. März zurückzieh­en und aller Voraussich­t nach für Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (der am 12. Februar vom Bundestag noch gewählt werden muss) Platz machen. Die Entscheidu­ng, es nach einer Periode gut sein zu lassen, sei ihm nicht leichtgefa­llen, so Gauck. Aber er wolle für die nächsten fünf Jahre „nicht eine Energie und Vitalität voraussetz­en, für die ich nicht garantiere­n kann“. (pri)

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