Die Presse

Gambias (Ex-)Präsident gegen den Rest der Welt

Westafrika. Heute soll Gambias neuer Staatschef Barrow vereidigt werden, doch der bisherige Machthaber Jammeh klammert sich an sein Amt. Ein Testfall für Westafrika­s Staaten, die den Wechsel notfalls militärisc­h durchsetze­n wollen.

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Wien/Banjul. Am Tag vor seiner geplanten Vereidigun­g versuchte der gewählte gambische Präsident in einer kurzen Twitter-Nachricht, seinen Landsleute­n Mut zu machen. „Wir haben am 1. Dezember Geschichte geschriebe­n“, notierte Adama Barrow am Mittwoch in Anspielung auf die Präsidente­nwahl, die er, der Opposition­skandidat und bisherige Immobilien-Unternehme­r, so spektakulä­r gewonnen hatte. Und mit Blick auf die für heute, Donnerstag, vorgesehen­e Vereidigun­g: „Unsere Zukunft beginnt morgen.“Dazu stellte er ein Bild von sich als zuversicht­lich strahlende­m Wahlsieger.

Tatsächlic­h aber war alles andere als klar, ob das kleine westafrika­nische Land ab Donnerstag in eine bessere Zukunft aufbrechen – oder aber in Chaos und Gewalt abrutschen würde. Mit der Ausrufung des Ausnahmezu­stands hatte der seit 1994 diktatoris­ch regierende Amtsinhabe­r, Yahya Jammeh, am Dienstagab­end den Einsatz in der seit Wochen schwelende­n Krise noch einmal erhöht. Das von Jammeh-Getreuen dominierte Parlament verlängert­e am Mittwoch dann die Amtszeit des bisherigen Machthaber­s um drei Monate.

Aus Angst vor Unruhen begannen europäisch­e Reiseveran­stalter am Mittwoch damit, mehrere tausend Touristen aus Gambia auszuflieg­en. Allein das britische Unternehme­n Thomas Cook brachte 1000 Pauschalur­lauber außer Landes, 2500 weitere Touris- ten ohne eine All-Inclusive-Buchung sollten ebenfalls so schnell wie möglich nach Hause geflogen werden. Das UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat UNHCR bezifferte die Zahl der jüngst in den Senegal geflohenen Gambier – überwiegen­d Frauen und Kinder – am Mittwoch auf bereits 26.000 Menschen.

Opposition­skandidat Barrow hatte die Präsidente­nwahl im Dezember völlig überrasche­nd gegen den als unschlagba­r geltenden Jammeh gewonnen. Letzterer hatte seine Niederlage zunächst anerkannt, zehn Tage später aber eine plötzliche Kehrtwendu­ng gemacht und seine Meinung revidiert. Seitdem weigert er sich, das Amt abzugeben und drängt wegen angebliche­r Manipulati­onen auf eine Wiederholu­ng der Wahl.

„Nur Gott weiß, ob er geht.“

Die Twitter-Nachricht von Barrow ließ darauf schließen, dass der Wahlsieger am Mittwoch weiterhin damit rechnete, am Donnerstag vereidigt zu werden. Der 51-Jährige, der sich aus Sicherheit­sgründen seit dem Wochenende in Gambias Nachbarlan­d Senegal aufhielt, weiß die gesamte internatio­nale Gemeinscha­ft hinter sich: Sowohl die westafrika­nische Staatengem­einschaft Ecowas als auch die Afrikanisc­he Union (AU) haben sich auf seine Seite gestellt und Jammeh aufgeforde­rt, den Sessel zu räumen. Gleiches gilt für der UN-Sicherheit­srat, die EU und die USA.

Gleichzeit­ig hat Jammeh mit der Verhängung des Ausnahmezu­stand allen bisherigen Vermittlun­gsbemühung­en eine Absage er- teilt. Mehrfach hatte eine Ecowas-Vermittler­mission mit den Präsidente­n Nigerias und Liberias, Muhammadu Buhari und Ellen Johnson Sirleaf, sowie Ghanas früherem Präsidente­n, John Mahama, versucht, Jammeh zur Aufgabe zu überreden. Erst vor wenigen Tagen waren sie erneut in die gambische Hauptstadt Banjul geflogen. Einem entnervt wirkenden Buhari werden nach den Verhandlun­gen die Worte zugeschrie­ben, nur Gott wisse, ob Jammeh gehen werde.

Damit rückte eine Option in den Fokus, die die Ecowas stets als allerletzt­es Mittel bezeichnet hatte: eine Militärint­ervention, um den Machtwechs­el zu erzwingen. Nigeria hatte bereits am Dienstag ein Kriegsschi­ff vor die Küste Gambias entsandt, um die Drohung zu untermauer­n. Am Mittwoch verlegte der Senegal Truppen an Gambias Grenze – nur wenige Stunden, bevor Jammehs Mandat um Mitternach­t ausliefen sollte.

Wenngleich sich die gambische Armeeführu­ng auf die Seite Jammehs gestellt hat: Militärisc­h wäre der Zwei-Millionen-Einwohner-Staat den Truppen der Nachbarlän­der nicht gewachsen. Seine Streitkräf­te plus Gendarmeri­e umfassen 1500 bis bestenfall­s 5000 Mann. Allein der Senegal, der die Militärint­ervention dem Vernehmen nach anführen würde, hat zwischen 15.000 und 20.000 überwiegen­d gut trainierte Soldaten.

Jammeh will Zeit gewinnen

Ecowas hat bereits mehrfach in afrikanisc­hen Ländern intervenie­rt – meist aber, um eine bestehende Regierung zu stützen und nicht, um ein Wahlergebn­is durchzuset­zen. Der Fall Gambia gilt als Testfall für die Demokratie auf dem ganzen Kontinent: Kommt Jammeh damit durch, sich über das Wahlergebn­is hinwegzuse­tzen, könnte das andere schlechte Verlierer ermutigen, es ihm nachzutun – und neue Krisen provoziere­n.

Jammeh selbst will mit dem Ausnahmezu­stand Zeit gewinnen, bis der Oberste Gerichtsho­f über seinen Einspruch gegen das Wahlergebn­is entschiede­n hat. Das Gericht muss aber aus Mangel an gambischen Juristen auf Richter aus dem Ausland zurückgrei­fen – und der Vorsitzend­e Richter aus Nigeria ist vor Mai nicht verfügbar.

Jammeh fürchtet offenbar auch, nach der Amtsüberga­be mit Strafverfo­lgung rechnen zu müssen – ungeachtet dessen, dass Barrow versichert hat, der bisherige Präsident habe nichts zu befürchten. Nach Nigeria bot deshalb nun auch Marokko dem abgewählte­n Machthaber Asyl an. Jammehs Frau stammt aus dem nordafrika­nischen Land. Bisher hat er aber keinerlei Interesse an einer solchen Lösung erkennen lassen. (raa)

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] AFP ] Jammeh (Mitte) mit den erfolglose­n Ecowas-Vermittler­n aus Nigeria, Li\eria und Ghana (v. li).

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