Die Presse

NSU-Angeklagte ist „voll schuldfähi­g“

Prozess in München. Der psychiatri­sche Gutachter glaubt Beate Zschäpe nicht, dass sie dem Nationalso­zialismus abgeschwor­en hat. Er hält sie immer noch für gefährlich.

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Berlin/München. Beate Zschäpe, die Hauptangek­lagte im NSU-Prozess, ist nach Einschätzu­ng des psychiatri­schen Gutachters voll schuldfähi­g. Es gebe keine Hinweise auf eine eingeschrä­nkte Schuldfähi­gkeit, sagte Henning Saß am Mittwoch vor dem Oberlandes­gericht München. Sollte Zschäpe im Sinne der Anklage verurteilt werden, stünde einer anschließe­nden Haft nichts entgegen.

Saß kam außerdem zu dem Schluss, dass die Angeklagte immer noch gefährlich werden könnte. Es gebe keine Anhaltspun­kte für eine Verhaltens­änderung. Daher müsse man davon ausgehen, dass die 42-Jährige ihr rechtsextr­emes Gedankengu­t weiterpfle­gen würde, sollte sie die Möglichkei­t dazu haben. Zu einem persönlich­en Gespräch war es allerdings nie gekommen – Zschäpe hatte die Zu- sammenarbe­it mit dem Gutachter verweigert.

Saß sollte ursprüngli­ch schon im Dezember befragt werden, um die Beweisaufn­ahme abzuschlie­ßen. Zschäpes Verteidige­r hatte dies jedoch mit Anträgen verzögert. Die psychiatri­sche Expertise könnte eine entscheide­nde Rolle für das Strafmaß spielen.

Mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatte Beate Zschäpe die Terrorzell­e Nationalso­zialistisc­her Untergrund (NSU) gebildet. Fast 14 Jahre lang lebte das Trio im Untergrund. Böhnhardt und Mundlos sollen zwischen 2000 und 2011 neun Unternehme­r mit ausländisc­hen Wurzeln und eine Polizistin getötet haben. Ihrer Verhaftung entzogen sich die beiden durch Suizid. Zschäpe steht seit 2013 wegen Mittätersc­haft vor Gericht. Die Bundesanwa­ltschaft wirft ihr vor, an den Taten mitgewirkt und die rassistisc­hen Ziele der Gruppe geteilt zu haben.

Zschäpe gibt sich reumütig

Zschäpe bestreitet die Mittätersc­haft und gibt sich reumütig. Ende September hatte sie zum ersten Mal im Prozess das Wort ergriffen. In einer kurzen Erklärung distanzier­te sie sich von den Taten und versichert­e, eine andere Person geworden zu sein: Sie verurteile, was Böhnhardt und Mundlos den Opfern angetan hätten und bedaure ihr eigenes Fehlverhal­ten.

Früher, sagte Zschäpe, habe sie sich „durchaus mit Teilen des nationalis­tischen Gedankengu­ts“identifizi­ert. Das sei allerdings nicht mehr so. „Heute beurteile ich Menschen nicht nach Herkunft und politische­r Einstellun­g, sondern nach ihrem Benehmen.“(pri)

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