„Da haut es dir die Ski um die Ohren“
Training. Österreicher fuhren auf „knackiger“Streif stark, Bestzeit für Steven Nyman.
Seit gut zwei Monaten begleitet Max Franz der Ruf eines Erlösers. Am 17. Dezember 2016 gewann der Kärntner in Gröden die Abfahrt und beendete nach 651 Tagen die Durststrecke der ÖSV-Läufer in der Königsdisziplin. „Es hat ein bisschen gebraucht, bis ich das verstanden habe“, erzählt der 27-Jährige rückblickend. Ist der erste Weltcupsieg ohnehin eine höchst emotionale Angelegenheit, tat in diesem Fall das kollektive Aufatmen der Skination das Übrige. Erst nach gut einer Woche ebbten die Gratulationen langsam ab, in Gedanken hielten ihn die Momente noch länger im Bann. „Jedes Mal, wenn ich daran gedacht habe, hat es mir einen Zieher im Magen gegeben.“
Inzwischen ist „der Stein runtergefallen, jetzt gehen die Hände wieder zusammen. So ist das Hockefahren leichter“, erzählt Franz. Nur die Rennen, um es zu zeigen, fehlten, sowohl in Santa Caterina als auch in Wengen wurden die Abfahrten abgesagt. Umso größer ist die Vorfreude auf den Klassiker auf der Streif am Samstag (11.30 Uhr, live in ORF eins), zu der er als einer von erst zwei Saisonsiegern als Mitfavorit anreist. „Jedes Mal, wenn du nach Kitzbühel kommst, ist das Kribbeln da“, gesteht der gebürtige Klagenfurter.
Der Respekt fährt am Hahnenkamm stets mit, denn schon eine Unachtsamkeit kann zu viel sein. Das weiß Franz aus eigener Erfahrung. Im Vorjahr stürzte er in der Traverse vor dem Ziel, erlitt multiple Verletzungen an Knie, Hand und Sprunggelenk. „Du darfst einfach nicht den Fehler machen, einmal ein bisschen locker zu lassen, sonst wirst du sofort abgeworfen“, lautet seine Lehre. Eben jene Schrägfahrt erachtet er neben U-Hakerl und Steilhangausfahrt auch heuer als eine der Schlüsselstellen auf dem Weg zum Sieg. „Wenn du die Kampflinie fährst und gewinnen willst, dann ist das schon eine große Aufgabe“, erklärte der 27-Jährige.
In der Rolle des Gejagten fühlt sich Franz trotz des Gröden-Sieges nicht. „In Kitzbühel ist der Favoritenkreis groß, jeder will einmal gewinnen. Und Kjetil (Anm. Jansrud) und Peter (Anm. Fill) wissen schon, wie es geht.“Der angesprochene Norweger sah das freilich ein wenig anders. „Max hat das letzte Rennen gewonnen. Er ist ein wilder Wund und der Favorit“, sagte Jansrud, derzeit Zweiter im Abfahrtsweltcup hinter dem verletzten Aksel Lund Svindal.
Auch Hannes Reichelt verbindet mit Kitzbühel große Emotionen. 2014 kürte er sich trotz eines akuten Bandscheibenvorfalls zum bislang letzten heimischen Sieger, musste sich anschließend jedoch einer Operation unterziehen und verpasste Olympia. Das Wiedersehen mit der Streif in den vergangenen beiden Jahren verlief für den Routinier mit Rang 34. und Sturz im Vorjahr nicht nach Wunsch. Mit einer Knochenprellung kam Reichelt damals glimpflich davon, dennoch brachte ihn die Rückkehr an die Unglücksstelle ins Nachdenken. „Richtung Traverse war es ein spezielles Gefühl.“Doch das sei Vergangenheit, die Streif erlaubt schließlich keine Ablenkungen.
Mit sehr eisigen Verhältnissen hat die Streif die Abfahrer am Mittwoch zum ersten Training begrüßt. Die Bestzeit gelang dem US-Amerikaner Steven Nyman vor Beat Feuz (SUI/+0,37) und Johan Clarey (FRA/+0,95). Mit Vincent Kriechmayr (4./+0,96), Matthias Mayer (5./+1,01) und Hannes Reichelt (7./+1,08) landeten drei ÖSVLäufer in den Top Ten, der Wengen-Kombi-Zweite Maxence Muzaton schob sich mit Startnummer 59 noch auf Rang sechs dazwischen. Heute (11.30 Uhr) ist eine zweite Einheit angesetzt, am Freitag folgt der Super-G (11.30 Uhr, jeweils live in ORF eins).
„Oben ist es um einiges knackiger als in den letzten Jahren. Da haut es dir die Ski um die Ohren. Aber das ist die Streif. Irrsinnig anspruchsvoll, das taugt mir sehr“, bekannte Kriechmayr und hielt fest, worauf es ankommen werde: „Schmalz und Entschlossenheit. Du darfst keinen Kompromiss eingehen.“Im Vergleich zum Vorjahr, als zahlreiche Stürze passierten, seien Schrägfahrt und Hausberg diesmal ruhiger und damit „angenehm, also unter Anführungszeichen“zu fahren, berichtete der Oberösterreicher von seinen ersten Eindrücken.
Andere legten beim ersten Herantasten an die Strecke mehr Zurückhaltung an den Tag, etwa Mayer. „Das war eine Besichtigungsfahrt. Es wird dann sicher mehr ans Limit gegangen, wenn jeder weiß, wie die Piste ist und was möglich ist“, meinte der Olympiasieger und sprach von einer „superschönen, harten, glatten Piste“. „Es ist oben schon sehr unruhig und schwierig zu fahren. Ab der Hausbergkante runter ist es lässig zum Fahren“, befand der Kärntner. Der für Samstag pro- gnostizierte Sonnenschein lässt Mayers Herz höher schlagen, ändert aber nichts an den Voraussetzungen. „Es ist immer Respekt dabei, bei jedem Wort, das ich sage, jeden Schritt, den ich in Kitzbühel mache. Wenn du da keinen Respekt hättest, würdest den falschen Job machen.“Otmar Striedinger stürzte und zog sich einen Nasenbeinbruch und eine Schnittwunde am Oberschenkel zu, will aber an den Start gehen.
Vorjahressieger Peter Fill hatte wie die Mitfavoriten Dominik Paris (beide ITA) und Kjetil Jansrud (NOR) 1,55 Rückstand, fuhr allerdings in aufrechter Position ins Ziel. Zudem war ihm gleich am Start ein Missgeschick unterlaufen, als ihm ein Stock aus der Hand glitt. „Da bin ich auf die Mausefalle hin ins Schwitzen gekommen“, sagte Fill. „Sehr am Limit wieder mal, aber so ist Kitzbühel.“