Die Presse

Woher der Wind der Teuerung weht

Statistik. Mit dem Ölpreis zieht auch die Inflation an. Bei Gebührener­höhungen hält sich Vater Staat nun zurück. Aber dass Wirte und Hoteliers viel mehr verlangen, hat auch mit ihm zu tun.

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Gibt es den statistisc­h durchschni­ttlichen Österreich­er? Wenn ja, dann hat er 2016 von steigenden Preisen nicht viel bemerkt: Die Inflation lag über das Gesamtjahr bei unauffälli­gen 0,9 Prozent, gleich wenig wie im Jahr davor. Pech hatten all jene, die wenig Auto fahren, zur Miete wohnen, gern ins Gasthaus gehen und viele Zigaretten rauchen. Sie bekamen mit Melange und Spritzer auch saftige Preiserhöh­ungen serviert und konnten sich nicht an der Zapfsäule über Einsparung­en freuen.

Mit dem stark dämpfenden Effekt der Rohöl-Baisse ist es nun aber ohnehin für alle vorbei. Im Dezember trieb der steigende Ölpreis die Inflation auf 1,4 Prozent, den höchsten Wert seit über zwei Jahren. Eine vorsichtig­e Prognose: Der Ölpreis wird sich einpendeln oder leicht steigen – durch die Opec-Einigung und die wieder anlaufende US-Förderung. Dass er auf die Tiefststän­de der letzten zwei Jahre zurückfäll­t, ist unwahrsche­inlich. Damit schlägt bei der Inflation der Basiseffek­t zu: Weil immer mit dem Monat vor einem Jahr verglichen wird, klettert die Inflations­rate auch bei konstanten Energiepre­isen in die Höhe. Spätestens zum Jahresende wären so (fast) zwei Prozent erreicht – jene magische Grenze, die Geldpoliti­ker anstreben, um einen ausreichen­den Sicherheit­sabstand zur gefürchtet­en Deflation zu halten.

Mieten klettern weiter

Aber hier sind die beiden großen Treiber des vergangene­n Jahres noch nicht mitgerechn­et: Mieten (plus 3,1 Prozent) und Bewirtung (plus 3,3 Prozent). Auch in diesen Bereichen haben die Preise im Dezember weiter kräftig angezogen. Und für heuer sieht Konrad Pesendorfe­r, Chef der Statistik Austria, an diesen Fronten „keine Entspannun­g“. Womit die Teuerung in Summe durchaus höher ausfallen könnte, als allen lieb ist.

Aber auch uneingesch­ränkt Erfreulich­es gibt es zu berichten: Bund, Länder und Gemeinden, die mit ihren Gebührener­höhungen zu den größten Preistreib­ern der vergangene­n Jahre zählten, halten sich nun stärker zurück. Die Steigerung­en der „administri­erten“, also staatlich gesteuerte­n Preise glich sich im Vorjahr fast der allgemeine­n Inflations­rate an; im letzten Quartal lagen sie sogar darunter (siehe Grafik).

Zu loben ist natürlich auch die gestiegene Kaufkraft durch die Steuerrefo­rm. Aber weil der Staat diese Reform durch neue Einnahmen gegenfinan­ziert, hat er bei wichtigen Preiserhöh­ungen weiter seine Hände im Spiel – nur etwas diskreter als in der Vergangenh­eit. Die Erhöhung der Mehrwertst­euer auf Hotelübern­achtungen von zehn auf 13 Prozent erklärt zum Teil den starken Preisauftr­ieb in diesem Bereich. Die Registrier­kassenpfli­cht bewegt auch viele Wirte dazu, ihre Preise zu erhöhen: Was sie nun mehr an den Fiskus ablie- fern müssen, der ihnen genauer auf die Finger schaut, holen sie sich von den Gästen wieder rein.

Freilich ist das in beiden Bereichen nur deshalb gut möglich, weil sie meist nicht nur auf Einheimisc­he angewiesen sind. Die Touristike­r melden Monat für Monat neue Rekordstän­de. Restaurant­s und Hotels füllen sich auch, wenn die Rechnung höher ausfällt. Gerade deshalb dürfte sich die Regierung diesen Sektor für zusätzlich­e Belastunge­n ausgesucht haben.

Abstand zu Deutschlan­d

Überpropor­tional verteuert haben sich 2016 übrigens auch Pflegeplät­ze, Besuche beim Wahlarzt und private Krankenver­sicherunge­n. Das große Bild aber zeigt: Auch wenn die Inflation wieder zurück ist, droht sie so schnell nicht aus dem Ruder zu laufen. Wichtiger als das absolute Niveau bleibt der Abstand zum Euroraum, vor allem zu Deutschlan­d. Wenn die Teuerung hierzuland­e höher ausfällt als bei den wichtigen Handelspar­tnern, steigen in der Folge meist auch die Löhne stärker. In der Folge droht Österreich an Wettbewerb­sfähigkeit zu verlieren.

Diese Gefahr bleibt virulent: Im Vorjahr hatte in der Eurozone nur Belgien einen stärkeren Preisansti­eg (siehe Grafik). Die Energiepre­ise entwickeln sich in allen Ländern ziemlich parallel. Die hausgemach­ten Faktoren Mieten und Bewirtung aber dürften auch dieses Jahr preistreib­end wirken.

Mieten haben zudem ein stärkeres Gewicht als in vielen EULändern – vor allem in Südeuropa, wo deutlich mehr Menschen selbst eine Wohnung oder ein Haus besitzen. Nur Deutschlan­d, auch ein typisches „Mieterland“, ist hier gut vergleichb­ar. Aber auch dort liegt die Inflation viel näher am sehr niedrigen europäisch­en Schnitt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria